World Social Protection Report 2017-19
Vier Milliarden Menschen weltweit ohne soziale Sicherung
ILO Bericht unterstreicht die Notwendigkeit massiver Anstrengungen für das universelle Recht auf sozialen Basisschutz.

Die neuen Zahlen des World Social Protection Report 2017-19 Universal Social Protection to achieve the Sustainable Development Goals belegen, dass weniger als die Hälfte (45 Prozent) der Weltbevölkerung Zugang zu ausgewählten sozialen Leistungen hat, die übrigen 55 Prozent – insgesamt vier Milliarden Menschen – bleiben außen vor.
In etwa ein Drittel (29 Prozent) weltweit haben Zugang zu umfassendem Schutz, eine Verbesserung um 2 Prozent seit 2014-15. Die übrigen 5,2 Milliarden (71 Prozent) haben eingeschränkten oder gar keinen Zugang zu sozialem Basisschutz.
„Fehlende soziale Sicherung macht Menschen in allen Lebenslagen anfällig für schlechte Gesundheit, Armut, Ungleichheit und soziale Ausgrenzung. Vier Milliarden Menschen weltwelt dieses Grundrecht zu verwehren, ist eine große Hürde für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung. Obwohl bereits viele Länder ihre sozialen Sicherungssysteme gestärkt haben, bleibt noch viel zu tun, um soziale Sicherung für alle Realität werden zu lassen“, so ILO Generaldirektor Guy Ryder.
Der Bericht betont die Bedeutung von gesteigerten öffentlichten Ausgaben im Bereich sozialer Basisschutz, vor allem in Afrika, Asien und den arabischen Staaten zur Armutsbeseitigung, der Verringerung von Ungleichheit sowie als Beitrag zur Wirtschaftswachstum und sozialen Frieden. Gleichzeitig können Arbeitsbedingungen durch die Formalisierung der informellen Wirtschaft verbessert werden. Der Bericht zeigt Wege auf, wie der allgemeine Zugang zu sozialer Sicherung in Entwicklungsländern verbessert werden kann, einem Ziel dass erheblich zur Umsetzung der der nachhaltigen Entwicklungsagenda beiträgt.
Die zuständige Abteilungsleiterin, Isabel Ortiz, unterstrich die Notwendigkeit von Investitionen: „Kurzfristige Sparpolitik unterminiert die Wirkung von langfristigen Maßnahmen. Solche fiskalischen Anpassungen haben negativen soziale Folgen und gefährden die Umsetzung der SDGs. Spielraum für den Ausbau der sozialen Sicherungssysteme gibt es sogar in den ärmsten Ländern. Regierungen sollten proaktiv alle Finanzierungsoptionen ausschöpfen und die Umsetzung der SDGs und nationalen Entwicklungsziele durch die Schaffung von menschenwürdiger Beschäftigung und sozialer Sicherung vorantreiben“.
Forschungsergebnisse
Der ILO Bericht gibt Auskunft über spezifische Aspekte sozialer Sicherung.
Soziale Sicherung für Kinder
- Lediglich 35 Prozent der Kinder weltweit haben Zugang zu sozialer Sicherung. Insgesamt 1,3 Milliarden Kinder, vor allem in Afrika und Asien, sind nicht ausreichend geschützt.
- Im Durchschnitt investieren Staaten 1,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Kinder (bis 14 Jahre ) und Familien, eine erhebliche Unterinvestition laut ILO.
- In den vergangenen Jahrzehnten wurden die Cash Transfer Programme in Entwicklungs- und Schwellenländern ausgebaut. Die globale Abdeckung bleibt allerdings ungenügend. Einige Länder reduzierten sogar ihre Investitionen.
Soziale Sicherung für erwerbsfähige Frauen und Männer
- Der Umfang sozialer Sicherung für Erwerbsfähige ist nach wie vor eingeschränkt. Lediglich 41,1 Prozent der Mütter erhalten nach der Geburts des Kindes finanzielle Zuwendungen, 83 Millionen junger Mütter haben keinen Zugang.
- Nur 21,8 Prozent der Arbeitslosen bekommen Unterstützung. Dies bleibt 152 Millionen Menschen weltweit verwehrt.
- Neue Zahlen belegen, dass nur 27,8 Prozent der Menschen mit Behinderungen soziale Sicherung in Anspruch nehmen können.
Soziale Sicherung für ältere Frauen und Männer
- Die Alterssicherung beträgt 6,9 Prozent des globalen GDP, mit erheblicher Varianz zwischen den Regionen.
- Trotzdem leben viele Ältere in Armut, insbesondere aufgrund der Sparpolitik. In einigen Ländern wie zum Beispiel Argentinien, Bolivien, Ungarn, Kazahsztan und Polen wurde die Privatisierung der Alterssicherung aufgrund von mangelhafter Umsetzung wieder durch ein staatliches Solidarsystem ersetzt.
- Etwas mehr als zwei Drittel, 68 Prozent der Bevölkerung weltweit erhält Alterssicherung, finanziert durch den Staat und durch Beiträge, letzteres vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Zugang zu Gesundheit
- Der Bericht zeigt, dass das Recht auf Gesundheit noch nicht global verwirklicht werden konnte. Insbesondere in ländlichen Regionen haben mehr als die Hälfte (56 Prozent) der Bevölkerung immer noch keinen ausreichenden Schutz, verglichen mit lediglich 22 Prozent in den Städten. Laut Schätzungen benötigen weltweit 10 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen universellen Zugang zu Gesundheitsleistungen. Dies gilt vor allem für die Notfallversorgung bei Katastrophen wie Ebola.
- Zugang zu langfristiger Pflege, insbesondere für Ältere, ist nur für weniger als die Hälfte der Bevölkerung zugänglich. Frauen sind besonders benachteiligt. Nur 5,6 Prozent der Weltbevölkerung leben in Staaten, die einen umfassenden Schutz gewähren.
- Weltweit leisten 57 Millionen unbezahlte Freiwilligendienste, eine wichtige Säule der Gesundheitsvorgung. Vor allem Frauen leisten einen Großteil dieser Arbeit, zum Beispiel für die Versorgung der Familienangehörigen im informellen Sektor. Mehr Investititionen könnte Millionen von Jobs schaffen und den Fachkräftemangel von 13,6 Millionen ausgebildeten Pflegearbeitern weltweit decken.
Eine verbesserte Datenlage ist die Basis für die Umsetzung des Entwicklungsziel 1.3 der Vereinten Nationen an die Gegebenheiten der einzelnen Länder angepasste soziale Sicherungssysteme zu implementieren.
Das Commitment der ILO zeigt sich vor allem durch die 2012 von den Regierungen und Sozialpartnern verabschiedete Empfehlung 202. für den sozialen Basisschutz weltweit.