INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Empfehlung 171

Empfehlung betreffend die betriebsärztlichen Dienste

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1985 zu ihrer einundsiebzigsten Tagung zusammengetreten ist,

stellt fest, daß der Schutz der Arbeitnehmer gegen allgemeine und Berufskrankheiten sowie gegen Arbeitsunfälle eine der Aufgaben ist, die der Internationalen Arbeitsorganisation gemäß ihrer Verfassung obliegen,

verweist auf die einschlägigen internationalen Arbeitsübereinkommen und -empfehlungen, insbesondere auf die Empfehlung betreffend den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer, 1953, die Empfehlung betreffend die betriebsärztlichen Dienste, 1959, das Übereinkommen über Arbeitnehmervertreter, 1971, sowie das Übereinkommen und die Empfehlung über den Arbeitsschutz, 1981, die die Grundsätze einer innerstaatlichen Politik und die Maßnahmen auf nationaler Ebene festlegen, und die Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik, die der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes angenommen hat,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die betriebsärztlichen Dienste, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung des Übereinkommens über die betriebsärztlichen Dienste, 1985, erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 26. Juni 1985, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend die betriebsärztlichen Dienste, 1985, bezeichnet wird.

I. Grundsätze einer innerstaatlichen Politik

1. Jedes Mitglied sollte unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Verhältnisse und Gepflogenheiten und in Beratung mit den maßgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, soweit solche bestehen, eine in sich geschlossene innerstaatliche Politik auf dem Gebiet der betriebsärztlichen Dienste, einschließlich der allgemeinen Grundsätze ihrer Aufgaben, ihrer Organisation und ihrer Tätigkeit, festlegen, durchführen und regelmäßig überprüfen.

2. (1) Jedes Mitglied sollte betriebsärztliche Dienste schrittweise für alle Arbeitnehmer, einschließlich jener im öffentlichen Dienst und der Mitglieder von Produktionsgenossenschaften, in allen Wirtschaftszweigen und allen Betrieben einrichten. Die getroffenen Vorkehrungen sollten angemessen sein und den spezifischen Gefahren in den Betrieben entsprechen.

(2) Soweit notwendig und praktisch durchführbar, sollten ferner Maßnahmen getroffen werden, um selbständig Erwerbstätigen einen Schutz der gleichen Art zu bieten, wie er in dem Übereinkommen über die betriebsärztlichen Dienste, 1985, und in dieser Empfehlung vorgesehen ist.

II. Aufgaben

3. Den betriebsärztlichen Diensten sollte eine im wesentlichen vorbeugende Rolle zukommen.

4. Die betriebsärztlichen Dienste sollten ein dem Betrieb oder den Betrieben, für die sie zuständig sind, angepaßtes Tätigkeitsprogramm aufstellen, das insbesondere den in der Arbeitsumwelt bestehenden Berufsgefahren sowie den spezifischen Problemen der betreffenden Wirtschaftszweige Rechnung trägt.

A. Überwachung der Arbeitsumwelt

5. (1) Die Überwachung der Arbeitsumwelt sollte umfassen:

a) die Ermittlung und Beurteilung der Faktoren in der Arbeitsumwelt, die die Gesundheit der Arbeitnehmer beeinträchtigen können;

b) die Beurteilung der arbeitshygienischen Verhältnisse und der Faktoren der Arbeitsorganisation, die die Gesundheit der Arbeitnehmer gefährden können;

c) die Beurteilung der kollektiven und individuellen Schutzausrüstung;

d) gegebenenfalls die Beurteilung der Exposition der Arbeitnehmer gegenüber gefährlichen Stoffen und Einwirkungen mit Hilfe gültiger und allgemein anerkannter Überwachungsmethoden;

e) die Beurteilung der zur Beseitigung oder Verringerung der Exposition bestimmten Regelsysteme.

(2) Diese Überwachung sollte in Verbindung mit den anderen technischen Abteilungen des Betriebes und in Zusammenarbeit mit den betroffenen Arbeitnehmern sowie ihren Vertretern im Betrieb oder dem Arbeitsschutzausschuß, soweit solche vorhanden sind, durchgeführt werden.

6. (1) Im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis sollten die Daten aus der Überwachung der Arbeitsumwelt in geeigneter Form aufgezeichnet und zur Verfügung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter im Betrieb oder des Arbeitsschutzausschusses, soweit solche vorhanden sind, gehalten werden.

(2) Diese Daten sollten vertraulich und einzig zu dem Zweck verwendet werden, die zur Verbesserung der Arbeitsumwelt sowie der Gesundheit und der Sicherheit der Arbeitnehmer erforderlichen Hinweise und Ratschläge zu erteilen.

(3) Die zuständige Stelle sollte Zugang zu diesen Daten haben. Der betriebsärztliche Dienst darf sie Dritten nur mit Zustimmung des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer oder ihrer Vertreter im Betrieb oder des Arbeitsschutzausschusses, soweit solche vorhanden sind, mitteilen.

7. Im Rahmen der Überwachung der Arbeitsumwelt sollte das Personal, das betriebsärztliche Dienste leistet, die erforderlichen Besichtigungen durchführen, um die Faktoren in der Arbeitsumwelt zu prüfen, die die Gesundheit der Arbeitnehmer, die hygienischen Verhältnisse am Arbeitsplatz und die Arbeitsbedingungen beeinträchtigen können.

8. Die betriebsärztlichen Dienste sollten:

a) die Überwachung der Exposition der Arbeitnehmer gegenüber besonderen Gesundheitsgefahren durchführen, falls dies erforderlich ist;

b) die sanitären Anlagen und sonstigen Einrichtungen für die Arbeitnehmer überwachen, wie Trinkwasserversorgung, Kantinen und Unterkünfte, soweit sie vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden;

c) Ratschläge über die möglichen Auswirkungen der Verwendung von Technologien auf die Gesundheit der Arbeitnehmer erteilen;

d) an der Auswahl der für den persönlichen Schutz der Arbeitnehmer gegen Berufsgefahren erforderlichen Ausrüstung mitwirken und diesbezüglich Ratschläge erteilen;

e) an den Arbeitsplatzanalysen und an der Untersuchung der Arbeitsorganisation und der Arbeitsmethoden mitwirken, um eine bessere Anpassung der Arbeit an die Arbeitnehmer zu erreichen;

f) an der Auswertung von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten und an Unfallverhütungsprogrammen mitwirken.

9. Das Personal, das betriebsärztliche Dienste leistet, sollte nach Unterrichtung des Arbeitgebers, der Arbeitnehmer und ihrer Vertreter je nach den Umständen:

a) freien Zutritt zu allen Arbeitsstätten und zu den Einrichtungen haben, die der Betrieb den Arbeitnehmern zur Verfügung stellt;

b) sich über die Verfahren, Arbeitsnormen, Erzeugnisse, Materialien und Arbeitsstoffe informieren können, die verwendet werden oder zur Verwendung vorgesehen sind, unter der Voraussetzung, daß es den vertraulichen Charakter von geheimen Informationen wahrt, von denen es Kenntnis erlangt und die nicht die Gesundheit der Arbeitnehmer betreffen;

c) zu Analysezwecken Proben der verwendeten oder gehandhabten Erzeugnisse, Materialien und Arbeitsstoffe entnehmen können.

10. Die betriebsärztlichen Dienste sollten zu allen geplanten Änderungen in den Arbeitsverfahren oder den Arbeitsbedingungen, die sich auf die Gesundheit oder die Sicherheit der Arbeitnehmer auswirken können, angehört werden.$

B. Überwachung der Gesundheit der Arbeitnehmer

11. (1) Die Überwachung der Gesundheit der Arbeitnehmer sollte in den Fällen und unter den Voraussetzungen, die von der zuständigen Stelle festgelegt werden, alle für den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer erforderlichen Beurteilungen umfassen, zu denen folgende gehören können:

a) eine Beurteilung des Gesundheitszustands der Arbeitnehmer vor ihrer Einteilung zu spezifischen Aufgaben, die mit einer Gefährdung ihrer Gesundheit oder der Gesundheit anderer verbunden sein können;

b) eine Beurteilung des Gesundheitszustands in regelmäßigen Zeitabständen während einer Beschäftigung, die mit einer Exposition gegenüber einer bestimmten Gesundheitsgefahr verbunden ist;

c) eine Beurteilung des Gesundheitszustands bei der Wiederaufnahme der Arbeit nach einer längeren gesundheitsbedingten Abwesenheit, um ihre möglichen berufsbedingten Ursachen festzustellen und um geeignete Maßnahmen zum Schutz der Arbeitnehmer zu empfehlen und um festzustellen, ob der Arbeitnehmer für die betreffende Tätigkeit geeignet ist und ob er versetzt und rehabilitiert werden muß;

d) eine Beurteilung des Gesundheitszustands bei und nach der Beendigung von Aufgaben, die mit Gefahren verbunden sind, welche eine spätere gesundheitliche Beeinträchtigung verursachen oder mit verursachen können.

(2) Es sollten Vorkehrungen getroffen werden, um die Privatsphäre der Arbeitnehmer zu schützen und um sicherzustellen, daß die Überwachung der Gesundheit nicht für diskriminierende Zwecke oder in einer anderen ihren Interessen schadenden Weise benutzt wird.

12. (1) Falls die Arbeitnehmer spezifischen Berufsgefahren ausgesetzt sind, sollte die Überwachung ihrer Gesundheit außer den in Absatz 11 dieser Empfehlung vorgesehenen Beurteilungen ihres Gesundheitszustands gegebenenfalls alle Untersuchungen und Ermittlungen umfassen, die es gestatten, den Grad der Exposition und die biologischen Frühwirkungen und -reaktionen festzustellen.

(2) Falls eine gültige und allgemein anerkannte Methode für die biologische Überwachung der Gesundheit der Arbeitnehmer zur Früherkennung der gesundheitlichen Auswirkungen einer Exposition gegenüber spezifischen Berufsgefahren besteht, kann sie verwendet werden, um die Arbeitnehmer zu ermitteln, die einer gründlichen ärztlichen Untersuchung bedürfen, vorbehaltlich der Zustimmung des einzelnen Arbeitnehmers.

13. Die betriebsärztlichen Dienste sollten von Krankheitsfällen unter den Arbeitnehmern und von gesundheitsbedingten Arbeitsversäumnissen unterrichtet werden, damit sie feststellen können, ob zwischen den Gründen für die Krankheit oder für das Arbeitsversäumnis und den etwaigen Gesundheitsgefahren an der Arbeitsstätte ein Zusammenhang besteht. Das Personal, das betriebsärztliche Dienste leistet, sollte vom Arbeitgeber nicht beauftragt werden, die Gründe für das Arbeitsversäumnis zu überprüfen.

14. (1) Die betriebsärztlichen Dienste sollten die Daten über die Gesundheit der Arbeitnehmer in persönlichen und vertraulichen Gesundheitsakten aufzeichnen. Diese Akten sollten ferner Angaben über die von den Arbeitnehmern ausgeübten Tätigkeiten, über ihre Exposition gegenüber den mit ihrer Arbeit verbundenen Berufsgefahren und über die Ergebnisse jeder Beurteilung ihrer Exposition gegenüber diesen Gefahren enthalten.

(2) Das Personal, das betriebsärztliche Dienste leistet, sollte nur so weit Zugang zu den persönlichen Gesundheitsakten haben, wie die darin enthaltenen Angaben mit der Erfüllung seiner Aufgaben im Zusammenhang stehen. Soweit die Akten persönliche Angaben enthalten, die der ärztlichen Schweigepflicht unterliegen, sollten sie nur ärztlichem Personal zugänglich sein.

(3) Die persönlichen Daten im Zusammenhang mit den Beurteilungen des Gesundheitszustands sollten Dritten nur mitgeteilt werden, wenn der betreffende Arbeitnehmer in Kenntnis der Sachlage zugestimmt hat.

15. Die Voraussetzungen und die Dauer der Aufbewahrung der persönlichen Gesundheitsakten, die Voraussetzungen ihrer Mitteilung oder Weitergabe und die Maßnahmen, die erforderlich sind, um ihren vertraulichen Charakter zu wahren, insbesondere dann, wenn die darin enthaltenen Informationen in einem Rechner gespeichert werden, sollten durch die innerstaatliche Gesetzgebung oder durch die zuständige Stelle vorgeschrieben werden oder, im Einklang mit der innerstaatlichen Praxis, anerkannten berufsethischen Richtlinien unterliegen.

16. (1) Nach Abschluß einer vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchung zwecks Feststellung der Tauglichkeit eines Arbeitnehmers für eine Arbeit, die mit einer Exposition gegenüber einer bestimmten Gefahr verbunden ist, sollte der Arzt, der die Untersuchung durchgeführt hat, seine Schlußfolgerungen dem Arbeitnehmer und dem Arbeitgeber schriftlich mitteilen.

(2) Diese Schlußfolgerungen sollten keinerlei medizinische Angaben enthalten; sie könnten je nach den Umständen entweder den Vermerk enthalten, daß der Arbeitnehmer für die vorgesehene Aufgabe tauglich ist, oder die Arten von Arbeiten und die Arbeitsbedingungen aufführen, die für ihn vorübergehend oder ständig medizinisch nicht angezeigt sind.

17. Falls die Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers auf einem bestimmten Arbeitsplatz aus gesundheitlichen Gründen nicht angezeigt ist, sollten sich die betriebsärztlichen Dienste an den Bemühungen, eine andere Beschäftigung in dem Betrieb oder eine andere geeignete Lösung für ihn zu finden, beteiligen.

18. Falls die Überwachung der Gesundheit des Arbeitnehmers zur Erkennung einer Berufskrankheit geführt hat, sollte sie der zuständigen Stelle im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis gemeldet werden. Der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und die Arbeitnehmervertreter sollten davon unterrichtet werden, daß diese Meldung erfolgt ist.

C. Information, Erziehung, Ausbildung, Beratung

19. Die betriebsärztlichen Dienste sollten an der Aufstellung und Durchführung von Informations-, Erziehungs- und Ausbildungsprogrammen für die Betriebsangehörigen auf dem Gebiet der Gesundheit und der Hygiene im Zusammenhang mit der Arbeit mitwirken.

20. Die betriebsärztlichen Dienste sollten an der Ausbildung und regelmäßigen Nachschulung des Erste-Hilfe-Personals und an der fortschreitenden Weiterbildung aller Arbeitnehmer im Betrieb, die zum Arbeitsschutz beitragen, mitwirken.

21. Um die Anpassung der Arbeit an die Arbeitnehmer zu fördern und um die Arbeitsbedingungen und die Arbeitsumwelt zu verbessern, sollten die betriebsärztlichen Dienste den Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und ihre Vertreter im Betrieb sowie den Arbeitsschutzausschuß, soweit solche vorhanden sind, in Fragen der Gesundheit und der Hygiene am Arbeitsplatz und der Ergonomie beraten und sollten mit Stellen zusammenarbeiten, die auf diesem Gebiet bereits beratend tätig sind.

22. (1) Jeder Arbeitnehmer sollte in angemessener und geeigneter Weise von den mit seiner Arbeit verbundenen Gesundheitsgefahren, von den Ergebnissen der ärztlichen Untersuchungen, denen er unterzogen worden ist, und von der Beurteilung seines Gesundheitszustands unterrichtet werden.

(2) Jeder Arbeitnehmer sollte das Recht haben, Daten, die fehlerhaft sind oder zu Fehlern führen könnten, berichtigen zu lassen.

(3) Ferner sollten die betriebsärztlichen Dienste den Arbeitnehmern individuelle Ratschläge über ihre Gesundheit im Zusammenhang mit ihrer Arbeit erteilen.

D. Erste Hilfe, Behandlungen und Gesundheitsprogramme

23. Unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis sollten die betriebsärztlichen Dienste in den Betrieben bei Unfällen oder Unpäßlichkeiten von Arbeitnehmern in den Arbeitsstätten Erste Hilfe leisten und Notbehandlungen vornehmen sowie an der Organisation der Ersten Hilfe mitwirken.

24. Unter Berücksichtigung der Organisation der Präventivmedizin auf innerstaatlicher Ebene könnten die betriebsärztlichen Dienste, soweit möglich und angebracht:

a) Immunisierungen in bezug auf biologische Gefahren in den Arbeitsstätten durchführen;

b) an Gesundheitsschutzkampagnen teilnehmen;

c) mit den Gesundheitsbehörden im Rahmen von Programmen des öffentlichen Gesundheitswesens zusammenarbeiten.

25. Unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis und nach Beratung mit den maßgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, soweit solche bestehen, sollte die zuständige Stelle, falls erforderlich, die betriebsärztlichen Dienste im Einvernehmen mit allen Beteiligten, einschließlich des Arbeitnehmers und des behandelnden Arztes oder gegebenenfalls eines Dienstes für die gesundheitliche Grundversorgung, ermächtigen, eine oder mehrere der folgenden Aufgaben wahrzunehmen oder daran mitzuwirken:

a) Behandlung von Arbeitnehmern, die ihre Arbeit nicht unterbrochen haben oder die sie nach einer Abwesenheit wiederaufgenommen haben;

b) Behandlung von Personen, die einen Arbeitsunfall erlitten haben;

c) Behandlung von Berufskrankheiten und von gesundheitlichen Beeinträchtigungen, die durch die Arbeit verschlimmert worden sind;

d) medizinische Aspekte der beruflichen Umschulung und Rehabilitation.

26. Unter Berücksichtigung der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis im Bereich der Organisation der Gesundheitspflege sowie der Entfernung der Behandlungsstätten könnten die betriebsärztlichen Dienste andere Gesundheitstätigkeiten durchführen, die von der zuständigen Stelle in Beratung mit den maßgebenden Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, soweit solche bestehen, genehmigt werden, einschließlich der kurativmedizinischen Behandlung der Arbeitnehmer und ihrer Angehörigen.

27. Die betriebsärztlichen Dienste sollten mit den anderen zuständigen Diensten bei der Aufstellung von Notfallplänen für größere Unfälle zusammenarbeiten.

E. Weitere Aufgaben

28. Die betriebsärztlichen Dienste sollten die Ergebnisse der Überwachung der Gesundheit der Arbeitnehmer und die Ergebnisse der Überwachung der Arbeitsumwelt sowie die Ergebnisse der biologischen Überwachung und der individuellen Überwachung der Exposition der Arbeitnehmer gegenüber Berufsgefahren, soweit solche bestehen, auswerten, um etwaige Zusammenhänge zwischen der Exposition gegenüber den Berufsgefahren und den gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu beurteilen und Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Arbeitsumwelt vorzuschlagen.

29. Die betriebsärztlichen Dienste sollten in geeigneten Zeitabständen Pläne und Berichte über ihre Tätigkeit und die gesundheitlichen Verhältnisse im Betrieb erarbeiten. Diese Pläne und Berichte sollten dem Arbeitgeber und den Arbeitnehmervertretern im Betrieb oder dem Arbeitsschutzausschuß, soweit solche vorhanden sind, zur Verfügung gestellt werden, und die zuständige Stelle sollte Zugang zu ihnen haben.

30. (1) Die betriebsärztlichen Dienste sollten in Beratung mit den Vertretern der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer im Rahmen ihrer Mittel zur Forschung beitragen, indem sie sich an Untersuchungen oder Erhebungen im Betrieb oder in dem jeweiligen Wirtschaftszweig beteiligen, z.B. um Daten für epidemiologische Zwecke zu gewinnen und um Orientierungshilfen für ihre Tätigkeiten zu erhalten.

(2) Die Ergebnisse der in der Arbeitsumwelt durchgeführten Messungen und der Beurteilungen des Gesundheitszustands der Arbeitnehmer können vorbehaltlich der Bestimmungen der Absätze 6 (3), 11 (2) und 14 (3) dieser Empfehlung für Forschungszwecke benutzt werden.

31. Die betriebsärztlichen Dienste sollten gegebenenfalls zusammen mit anderen Abteilungen des Betriebes an den Maßnahmen mitwirken, mit denen verhindert werden soll, daß die Tätigkeiten des Betriebes die allgemeine Umwelt schädigen.

III. Organisation

32. Die betriebsärztlichen Dienste sollten sich nach Möglichkeit in den Arbeitsstätten oder in deren Nähe befinden oder so eingerichtet werden, daß ihre Aufgaben in den Arbeitsstätten durchgeführt werden.

33. (1) Der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und ihre Vertreter, soweit solche vorhanden sind, sollten bei der Durchführung der organisatorischen und sonstigen Maßnahmen im Bereich der betriebsärztlichen Dienste nach dem Grundsatz der Billigkeit zusammenarbeiten und mitwirken.

(2) Im Einklang mit den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten sollten die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer oder ihre Vertreter im Betrieb oder der Arbeitsschutzausschuß, soweit solche vorhanden sind, an den Entscheidungen über die Organisation und die Tätigkeit dieser Dienste mitwirken, einschließlich jener, die die Beschäftigung des Personals und die Planung der Programme des Dienstes betreffen.

34. (1) Die betriebsärztlichen Dienste können je nach den Umständen als Dienst eines einzelnen Betriebes oder als Dienst gemeinsam für mehrere Betriebe eingerichtet werden.

(2) Im Einklang mit den innerstaatlichen Verhältnissen und Gepflogenheiten können die betriebsärztlichen Dienste eingerichtet werden durch:

a) die betreffenden Betriebe oder Gruppen von Betrieben;

b) die Behörden oder amtliche Stellen;

c) die Träger der Sozialen Sicherheit;

d) andere von der zuständigen Stelle ermächtigte Einrichtungen;

e) irgendeine Verbindung der vorgenannten Möglichkeiten.

(3) Die zuständige Stelle sollte bestimmen, unter welchen Umständen, falls keine betriebsärztlichen Dienste bestehen, geeignete vorhandene Dienste vorübergehend als ermächtigte Einrichtungen gemäß Unterabsatz 2 d) dieses Absatzes anerkannt werden können.

35. In Fällen, in denen die zuständige Stelle nach Anhörung der in Betracht kommenden repräsentativen Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer, soweit solche bestehen, festgestellt hat, daß die Einrichtung eines betriebsärztlichen Dienstes oder der Zugang zu einem solchen Dienst praktisch unmöglich ist, sollten die Betriebe nach Anhörung der Arbeitnehmervertreter im Betrieb oder des Arbeitsschutzausschusses, soweit solche vorhanden sind, vorübergehend eine Vereinbarung mit einem lokalen ärztlichen Dienst über die Durchführung der durch die innerstaatliche Gesetzgebung vorgeschriebenen ärztlichen Untersuchungen, die Überwachung der hygienischen Verhältnisse im Betrieb und die Sicherstellung einer zweckentsprechenden Organisation der Ersten Hilfe und der Notbehandlungen treffen.

IV. Tätigkeitsvoraussetzungen

36. (1) Im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis sollten die betriebsärztlichen Dienste aus multidisziplinären Teams bestehen, deren Zusammensetzung sich nach der Art der auszuführenden Aufgaben richten sollte.

(2) Die betriebsärztlichen Dienste sollten über ausreichendes Fachpersonal mit spezieller Ausbildung und Erfahrung auf Gebieten wie Arbeitsmedizin, Arbeitshygiene, Ergonomie, Betriebskrankenpflege und anderen einschlägigen Gebieten verfügen. Dieses Personal sollte sich soweit wie möglich über den Fortschritt der wissenschaftlich-technischen Kenntnisse, die es zur Erfüllung seiner Aufgaben benötigt, auf dem laufenden halten und die Möglichkeit haben, dies ohne Verdienstausfall zu tun.

(3) Die betriebsärztlichen Dienste sollten ferner über das für ihre Tätigkeit erforderliche Verwaltungspersonal verfügen.

37. (1) Die fachliche Unabhängigkeit des Personals, das betriebsärztliche Dienste leistet, sollte gewährleistet werden. Im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis könnte dies durch die Gesetzgebung und entsprechende Beratungen zwischen dem Arbeitgeber, den Arbeitnehmern und ihren Vertretern und den Arbeitsschutzausschüssen, soweit solche vorhanden sind, geschehen.

(2) Die zuständige Stelle sollte, falls angebracht und im Einklang mit der innerstaatlichen Gesetzgebung und Praxis, die Voraussetzungen für die Einstellung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Personals der betriebsärztlichen Dienste in Beratung mit den in Betracht kommenden repräsentativen Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer vorschreiben.

38. Vorbehaltlich der durch die innerstaatliche Gesetzgebung vorgesehenen Ausnahmen sollte jede Person, die in einem betriebsärztlichen Dienst tätig ist, hinsichtlich der medizinischen und betriebstechnischen Informationen, von denen sie auf Grund ihrer Aufgaben und der Tätigkeit des Dienstes Kenntnis erlangt, an das Berufsgeheimnis gebunden sein.

39. (1) Die zuständige Stelle kann Normen für die Räumlichkeiten und die Ausrüstung vorschreiben, die die betriebsärztlichen Dienste für ihre Tätigkeit benötigen.

(2) Die betriebsärztlichen Dienste sollten Zugang zu geeigneten Einrichtungen haben, die erforderlich sind, um die für die Überwachung der Gesundheit der Arbeitnehmer und die Überwachung der Arbeitsumwelt notwendigen Analysen und Tests durchzuführen.

40. (1) Im Rahmen eines multidisziplinären Vorgehens sollten die betriebsärztlichen Dienste zusammenarbeiten mit:

a) den Diensten, die für die Sicherheit der Arbeitnehmer im Betrieb zuständig sind;

b) den einzelnen Produktionseinheiten oder Abteilungen, um ihnen bei der Aufstellung und Durchführung von einschlägigen Verhütungsprogrammen behilflich zu sein;

c) der Personalabteilung und anderen in Betracht kommenden Abteilungen;

d) den Arbeitnehmervertretern im Betrieb, den Sicherheitsbeauftragten der Arbeitnehmer und dem Arbeitsschutzausschuß, soweit solche vorhanden sind.

(2) Die betriebsärztlichen Dienste und die Arbeitsschutzdienste könnten gegebenenfalls gemeinsam eingerichtet werden.

41. Falls erforderlich, sollten die betriebsärztlichen Dienste ferner mit den außerbetrieblichen Diensten und Stellen, die sich mit Fragen der Gesundheit, der Hygiene, der Sicherheit, der beruflichen Rehabilitation, der Umschulung und der Wiedereingliederung, der Arbeitsbedingungen und des Wohls der Arbeitnehmer befassen, sowie mit den Aufsichtsdiensten und mit der innerstaatlichen Stelle, die zur Teilnahme an dem im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation eingerichteten Internationalen Warnsystem für berufsbedingte Sicherheits- und Gesundheitsgefahren bestimmt worden ist, Kontakte unterhalten.

42. Die mit der Leitung eines betriebsärztlichen Dienstes betraute Person sollte gemäß den Bestimmungen des Absatzes 38 in der Lage sein, nach Unterrichtung des Arbeitgebers und der Arbeitnehmervertreter im Betrieb oder des Arbeitsschutzausschusses, soweit solche vorhanden sind, die zuständige Stelle zur Durchführung der Arbeitsschutznormen im Betrieb zu konsultieren.

43. Die betriebsärztlichen Dienste eines nationalen oder multinationalen Unternehmens mit mehr als einem Betrieb sollten den Arbeitnehmern in allen dessen Betrieben Leistungen von höchster Qualität ohne Diskriminierung bieten, an welchem Ort oder in welchem Land sie sich auch befinden.

V. Allgemeine Bestimmungen

44. (1) Im Rahmen ihrer Verantwortung für die Gesundheit und die Sicherheit ihrer Arbeitnehmer sollten die Arbeitgeber alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um die Ausführung der Aufgaben der betriebsärztlichen Dienste zu erleichtern.

(2) Die Arbeitnehmer und ihre Verbände sollten die betriebsärztlichen Dienste bei der Ausführung ihrer Aufgaben unterstützen.

45. Die Leistungen der betriebsärztlichen Dienste im Zusammenhang mit der Gesundheit am Arbeitsplatz sollten für die Arbeitnehmer unentgeltlich sein.

46. Falls die Einrichtung der betriebsärztlichen Dienste und die Festlegung ihrer Aufgaben durch die innerstaatliche Gesetzgebung erfolgen, sollte diese Gesetzgebung auch die Finanzierungsweise dieser Dienste regeln.

47. Im Sinne dieser Empfehlung bedeutet der Ausdruck "Arbeitnehmervertreter im Betrieb" Personen, die auf Grund der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis als solche anerkannt sind.

48. Diese Empfehlung, die das Übereinkommen über die betriebsärztlichen Dienste, 1985, ergänzt, tritt an die Stelle der Empfehlung betreffend die betriebsärztlichen Dienste, 1959.