INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Empfehlung 163

Empfehlung betreffend die Förderung von Kollektivverhandlungen

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 3. Juni 1981 zu ihrer siebenundsechzigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Förderung von Kollektivverhandlungen, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form einer Empfehlung zur Ergänzung des Übereinkommens über Kollektivverhandlungen, 1981, erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 19. Juni 1981, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend Kollektivverhandlungen, 1981, bezeichnet wird.

I. Durchführungsmethoden

1. Die Bestimmungen dieser Empfehlung können durch die innerstaatliche Gesetzgebung, durch Gesamtarbeitsverträge, Schiedssprüche oder auf eine andere den innerstaatlichen Gepflogenheiten entsprechende Art und Weise durchgeführt werden.

II. Mittel zur Förderung von Kollektivverhandlungen

2. Soweit notwendig, sollten den innerstaatlichen Verhältnissen angepaßte Maßnahmen getroffen werden, um die Gründung und Entwicklung von freien, unabhängigen und repräsentativen Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer auf freiwilliger Grundlage zu erleichtern.

3. Soweit dies angebracht und notwendig ist, sollte durch Maßnahmen, die den innerstaatlichen Verhältnissen angepaßt sind, dafür gesorgt werden, daß

a) repräsentative Verbände der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer für die Zwecke von Kollektivverhandlungen anerkannt werden;

b) in den Ländern, in denen die zuständigen Stellen Anerkennungsverfahren zur Bestimmung der Verbände anwenden, denen das Recht zu Kollektivverhandlungen zu gewähren ist, diese Bestimmung sich auf objektive und im voraus festgelegte Kriterien stützt, die den repräsentativen Charakter der Verbände betreffen und in Beratung mit repräsentativen Verbänden der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer festgelegt werden.

4. (1) Durch Maßnahmen, die den innerstaatlichen Verhältnissen angepaßt sind, sollte nötigenfalls dafür gesorgt werden, daß die Möglichkeit zu Kollektivverhandlungen auf jeder Ebene gegeben ist, einschließlich jener des Betriebs, des Unternehmens, des Wirtschaftszweigs, der Wirtschaftsgruppe oder der regionalen oder nationalen Ebene.

(2) In den Ländern, wo Kollektivverhandlungen auf mehreren Ebenen stattfinden, sollten die Verhandlungsparteien darauf achten, daß eine Koordinierung zwischen den verschiedenen Ebenen besteht.

5. (1) Die Kollektivverhandlungsparteien sollten Maßnahmen ergreifen, damit ihre Verhandlungsteilnehmer auf allen Ebenen die Möglichkeit haben, eine geeignete Ausbildung zu erhalten.

(2) Die öffentlichen Stellen können den Verbänden der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf deren Verlangen Unterstützung für diese Ausbildung gewähren.

(3) Der Inhalt der Programme für diese Ausbildung und deren Überwachung sollten von dem jeweiligen beteiligten Verband der Arbeitnehmer oder der Arbeitgeber festgelegt werden.

(4) Diese Ausbildung sollte das Recht der Verbände der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber, ihre eigenen Vertreter für Kollektivverhandlungen zu wählen, nicht beeinträchtigen.

6. Die Kollektivverhandlungsparteien sollten ihren Verhandlungsteilnehmern die erforderliche Vollmacht zur Führung und zum Abschluß der Verhandlungen erteilen, wobei jegliche Bestimmungen über Beratungen innerhalb ihrer Verbände vorbehalten bleiben.

7. (1) Durch Maßnahmen, die den innerstaatlichen Verhältnissen angepaßt sind, sollte nötigenfalls dafür gesorgt werden, daß die Parteien Zugang zu den für sachdienliche Verhandlungen erforderlichen Informationen haben.

(2) Zu diesem Zweck sollten

a) die öffentlichen und privaten Arbeitgeber auf Verlangen der Verbände der Arbeitnehmer die für sachdienliche Verhandlungen erforderlichen Informationen über die wirtschaftliche und soziale Lage der Verhandlungseinheit und des Gesamtbetriebs zur Verfügung stellen; falls die Verbreitung einiger dieser Informationen dem Betrieb schaden könnte, kann ihre Mitteilung von einer Verpflichtung abhängig gemacht werden, wonach die Informationen im erforderlichen Maße als vertraulich angesehen werden; die zur Verfügung zu stellenden Informationen könnten durch eine Vereinbarung zwischen den Kollektivverhandlungsparteien festgelegt werden;

b) die öffentlichen Stellen die erforderlichen Informationen über die wirtschaftliche und soziale Gesamtlage des Landes und des betreffenden Wirtschaftszweigs zur Verfügung stellen, soweit die Verbreitung dieser Informationen dem nationalen Interesse nicht schadet.

8. Durch Maßnahmen, die den innerstaatlichen Verhältnissen angepaßt sind, sollte nötigenfalls dafür gesorgt werden, daß die Verfahren zur Beilegung von Arbeitsstreitigkeiten den Parteien helfen, selbst eine Lösung für die zwischen ihnen bestehenden Streitigkeiten zu finden, gleichviel ob es sich um Streitigkeiten handelt, die während der Aushandlung von Vereinbarungen oder um Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit der Auslegung und Anwendung von Vereinbarungen entstanden sind, oder um Streitigkeiten, auf die sich die Empfehlung betreffend die Behandlung von Beschwerden, 1967, bezieht.

III. Schlußbestimmung

9. Diese Empfehlung gilt nicht als Neufassung irgendeiner bestehenden Empfehlung.