Covid-19 and the world of work, 8th Edition

ILO: Weltweite Auswirkungen der Pandemie auf Arbeitsmärkte sind stärker als erwartet

Der aktuelle ILO-Monitor zu Auswirkungen von COVID-19 auf die Arbeitsmärkte zeigt: Der weltweite Aufschwung ist schleppend und die Unterschiede zwischen Industrieländern und sich entwickelnden Volkswirtschaften sind groß.

Nachricht | 26. Oktober 2021


Genf (ILO News) - Der Verlust an Arbeitsstunden 2021 infolge der Pandemie fällt deutlich höher aus als prognostiziert.  Erholungsprozesse laufen in unterschiedlichen Geschwindigkeiten zwischen Industrie- und Entwicklungsländern ab. Die Weltwirtschaft ist insgesamt bedroht. Zu diesen Schlußfolgerungen kommt die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) im aktuellen Monitor.

Die ILO erwartet, dass die weltweit geleisteten Arbeitsstunden 2021 um 4,3 Prozent unter dem Niveau vor der Pandemie (im vierten Quartal 2019) liegen . Dies entspricht einem Verlust von 125 Millionen Vollzeitstellen. Die ILO nimmt eine drastische Korrektur der Prognose vom Juni vor, die von 3,5 Prozent oder 100 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen ausging.

Die achte Ausgabe des ILO Monitor: COVID-19 and the world of work warnt davor, dass ohne konkrete finanzielle und technische Unterstützung eine "große Divergenz" zwischen Industrie- und Entwicklungsländern in der Erholung auf den Arbeitsmärkten fortbesteht.

Im dritten Quartal 2021 war die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden in Ländern mit hohen Einkommen um 3,6 Prozent niedriger als im vierten Quartal 2019. In den Ländern mit niedrigen Einkommen lag der Unterschied dagegen bei 5,7 Prozent und in den Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen bei 7,3 Prozent.

Aus regionaler Sicht verzeichnen Europa und Zentralasien den geringsten Verlust an geleisteten Arbeitsstunden im Vergleich zum Niveau vor der Pandemie (2,5 Prozent). Es folgen Asien und der Pazifikraum mit 4,6 Prozent. Afrika, Amerika und die arabischen Staaten verzeichnen Rückgänge von 5,6 sowie 5,4 und 6,5 Prozent.

Impfungen und Finanzielle Unterstützungspakete

Diese hohe Divergenz in Arbeitszeitverlusten ist vor allem auf die Unterschiede bei der Einführung von Impfungen und finanziellen Unterstützungspaketen zurückzuführen.

Schätzungen gehen davon aus, dass für jede von 14 Personen, die im zweiten Quartal 2021 vollständig geimpft wurden, ein Arbeitsplatz in Vollzeitäquivalent auf dem globalen Arbeitsmarkt geschaffen wurde. Dies hat den Aufschwung erheblich beschleunigt.

Der weltweite Rückgang der geleisteten Arbeitsstunden - ohne Impfungen - hätte im zweiten Quartal 2021 bei 6,0 Prozent gelegen und nicht bei den tatsächlich verzeichneten 4,8 Prozent.

Die sehr ungleiche Verbreitung von Impfungen verschärft die Situation und führt dazu, dass der positive Effekt von Impfungen auf geleistetet Arbeitstsunden in Ländern mit hohem Einkommen am größten, in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen vernachlässigbar und in Ländern mit niedrigem Einkommen nahezu Null ist.

Diese Ungleichgewichte könnten durch eine stärkere globale Verbreitung bei Impfstoffen rasch und wirksam beseitigt werden. Die ILO schätzt, dass Länder mit niedrigem Einkommen bei einem gerechteren Zugang zu Impfstoffen eine deutliche Erholung der Arbeitsmärkte erleben würden und mit ca. einem Viertel der Arbeitszeit zu den reicheren Volkswirtschaften aufschließen würden.

Ein weiterer Schlüsselfaktor für die Entwicklung des Aufschwungs sind fiskalische Anreizsysteme. Die Lücke bei der Wirkung diese Impulse bleibt jedoch weitgehend bestehen, da rund 86 Prozent der weltweiten Konjunkturmaßnahmen auf Länder mit hohen Einkommen konzentriert sind. Schätzungen zeigen, dass eine Erhöhung der fiskalischen Anreize um 1 Prozent des jährlichen BIP im Durchschnitt die jährliche Arbeitszeit um 0,3 Prozentpunkte im Vergleich zum letzten Quartal 2019 erhöhen würde.

Produktivitätslücke und Unternehmen


Die COVID-19-Krise hat bei Produktivitätsindikatoren, bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Unternehmen zu größeren Ungleichheiten geführt. Das Produktivitätsgefälle zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern wird sich den Prognosen zufolge von real 17,5 zu 1 auf 18 vergrößern und damit den höchsten Stand seit 2005 erreichen.

"Die derzeitige Entwicklung der Arbeitsmärkte zeigt einen ins Stocken geratenen Aufschwung mit erheblichen Abwärtsrisiken und einer großen Divergenz zwischen entwickelten und sich entwickelnden Volkswirtschaften", resümiert ILO-Generaldirektor Guy Ryder. "Diese Trends werden in dramatischer Weise durch die ungleiche Verteilung der Impfstoffe und der monitären Kapazitäten vorangetrieben, und beides muss dringend angegangen werden."

"Die ILO ergreift bereits Initiativen. Im Juni 2021 hat die Internationale Arbeitskonferenz einen Global Call to Action für einen auf den Menschen ausgerichteten COVID-19-Aufschwung verabschiedet. Dieser Fahrplan verpflichtet die Länder dafür zu sorgen, dass ihre wirtschaftliche und soziale Erholung von der Krise vollständig integrativ, nachhaltig und widerstandsfähig gestaltet ist. Es ist an der Zeit, diesen Fahrplan umzusetzen, der auf der gemeinsamen UN-Agenda „Global Accelerator for Jobs and Social Protection“  abgestimmt ist und diese unterstützt", fügte Ryder hinzu.