Covid-19: Schutz für Migrantinnen und Migranten

COVID-19: ILO warnt vor einer „Krise in der Krise“ bei Arbeitsmigranten

Die Internationale Arbeitsorganisation erarbeitet ein politisches Maßnahmenpaket zum Schutz von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten und zur Wiedereingliederung der Menschen, die in ihre Heimatländer zurückkehren.

Nachricht | 24. Juni 2020
© Sanjay Hadkar/The Times of India via AFP
GENEVA (ILO News) – Zehn Millionen Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten verlieren infolge der COVID-19-Pandemie ihren Arbeitsplatz und müssen ihre Heimatländer zurückkehren. Dort sind sie mit Arbeitslosigkeit und Armut konfrontiert.

Infolge der Rücknahme der Mobilitäts- und Hygienemaßnahme könnten Millionen von Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten gezwungen sein, in ihre Herkunftsländer mit niedrigem und mittlerem Einkommen zurückzukehren. Sie treffen dort auf Arbeitsmärkte, die vor dem Ausbruch von COVID-19 bereits fragil waren und durch Produktionsausfälle und eingeschränkter Geschäftstätigkeit infolge der Pandemie hohe Arbeitslosenquoten aufweisen. Darüber hinaus trifft der Verlust der finanziellen Unterstützung durch die im Ausland arbeitenden Angehörigen die Familien schwer, oftmals existentiell.

Gleichzeitig stranden Arbeitsmigrantinnen und Arbeitsmigranten in den Aufnahmeländern ohne Zugang zu sozialer Sicherung und mit fehlenden Mitteln für Essen oder Unterkunft. Diejenigen, die Arbeit haben, nehmen in der Not geringere Löhne in Kauf oder leben in beengten Werkswohnungen, in denen die notwendigen Abstands- und Hygienemaßnahmen unmöglich eingehalten werden können. Das erhöht ihr Risiko sich mit dem Virus zu infizieren und ihn an andere Menschen weiter zu geben.

In Deutschland zeigen dramatische Ausbrüche in der Fleischindustrie, dass dieses Risiko sehr schnell zu hohen Infiziertenzahlen und Belastungen für Arbeitsmigrantinnen und –migranten und die einheimische Bevölkerung führen kann. Die Entwicklungen zeigen zum einen den dringenden Bedarf nach notwendigen Reformen in den Arbeitsbeziehungen und im Aufbau von Sicherheits- und Schutzmaßnahmen am Arbeitplatz auf. Zum anderen ist sofortige Hilfe für die infizierten Arbeitsmigranten nötig.

Insbesondere Arbeitsmigrantinnen leisten während der Pandemie wichtige Arbeiten – insbesondere in der Pflege und der Landwirtschaft - in ihren Gastländern.  Nicht selten arbeiten sie nach dem Verlust der regulären Arbeit in anderen Branchen informell weiter.

Viele Millionen Migrantinnen und Migranten haben während der Ausgangssperren in ihren Gastländern den Arbeitsplatz verloren und werden nun voraussichtlich in ihre Herkunftsländer zurückkehren, die bereits mit schwachen Volkswirtschaften und steigender Arbeitslosigkeit zu kämpfen haben. Zusammenarbeit und ein aufeinander abgestimmtes Vorgehen sind Schlüssel, um eine schlimmere Krise abzuwenden.

Schätzungen zufolge gibt es weltweit 164 Millionen Arbeitsmigrantinnen und Migranten, fast die Hälfte davon Frauen. Sie machen 4,7 Prozent der globalen Erwerbsbevölkerung aus.

Zwar werden nicht alle Arbeitsmigrantinnen und -migranten in ihre Heimatländer zurückkehren, aber Untersuchungen der ILO in mehr als 20 Ländern deuten darauf hin, dass dies voraussichtlich auf viele Millionen Menschen zutrifft.

Die Mehrzahl der Rückkehrenden finden nur einen sehr begrenzten Spielraum für die Wiedereingliederung in ihren Heimatländern vor. Zudem fehlen oft Arbeitsmarktsysteme, die eine wirksame Steuerung der Arbeitsmigration und reibungslose Wiedereingliederung ermöglichen. Die Anerkennung von erworbenen Fertigkeiten erfolgt oftmals nicht.

Die Staaten in Asien und Afrika erwarten in besonderer Weise, dass Millionen von Arbeitsmigrantinnen und -migranten zurückkehren, sei es zwangsweise mit schwindenden Arbeitsmöglichkeiten oder freiwillig. Die ILO adressiert diese Problematik in mehreren Informationsdossiers, die die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf Migranten, Geflüchtete oder Zwangsvertriebene untersuchen.

Es kann schwerwiegende soziale und wirtschaftliche Auswirkungen haben, wenn die Rückkehr der Menschen innerhalb eines kurzen Zeitraumes erfolgt, keine soziale Sicherung vorfinden oder keine Hilfe bei der Wiedereingliederung in die nationalen Arbeitsmärkte erhalten.

Die ILO-Forschung zeigt auch, dass rückkehrende Arbeitsmigrantinnen und -migranten Fähigkeiten und Talente mitbringen, die helfen können, die heimische Wirtschaft wiederaufzubauen und weiter zu entwicklen.

Der Schlüssel zur Freisetzung dieses Potenzials liegt jedoch in geordneten Rückkehr- und Wiedereingliederungssystemen, die die Fähigkeiten, Talente und Rechte der Rückkehrenden anerkennen und Zugang zu sozialem Schutz gewähren.

Die Unterstützung von Rückkehrenden bei der Reintegration kann auch Spannungen in ihren Heimatländern verursachen und die Befürchtung schüren, dass die Rückkehrenden das Virus verbreiten oder Menschen auf bestehenden Arbeitsplätzen verdrängen.

Mit der Identifizierung von Qualifikationen, die am Arbeitsmarkt gebraucht werden, wird die Wiedereingliederung der Rückkehrer erleichtert. Insgesamt kann die Wirtschaft durch eine höhere Produktivität davon profitieren.
Arbeitsmigrantinnen und -migranten bringen Wissen und Kapital ein, um neue Unternehmen zu gründen, was zur Verbesserung der Beschäftigungsmöglichkeiten beiträgt.

Eine Sicherung des Lebensunterhaltes der Rückkehrer trägt dazu bei, Schulden im Zusammenhang mit der ursprünglichen Anwerbung im Ausland zu begleichen. Dies vermindert das Risiko, von Zwangsarbeit, Menschenhandel oder der Remigration über irreguläre Wege.

Die Studie der ILO enthält Bewertungen der Auswirkungen von COVID-19 auf Arbeitsmigrantinnen und Migranten in Jordanien, Libanon und der ASEAN-Region, auf Saisonarbeitskräfte und auf geflüchtete Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und andere Vertriebene.

Sie entwickelt Ansätze für politische Maßnahmen, die dazu beitragen, die Vorteile der zurückkehrenden Migrantinnen und Migranten für die Menschen und die Volkswirtschaften zu vergrößern. Bestandteile sind:
  • Verfahren zur Anerkennung erworbener Fähigkeiten
  • Gewährleistung einer fairen Rekrutierung
  • Erweiterung der sozialen Sicherung
  • Hilfe bei der sicheren Rückkehr und der Suche nach neuen Arbeitsplätzen.