COVID-19 und soziale Sicherheit

ILO: Krisenprävention durch besseren Sozialschutz in Entwicklungsländern

Gestärkte und umfassende soziale Sicherungssysteme mildern die Auswirkungen von Krisen wie COVID-19.

Nachricht | 14. Mai 2020

GENEVA (ILO News) – Die COVID-19-Krise hat gravierende Lücken bei der sozialen Sicherung in Entwicklungsländern offenbart. Eine Erholung wird nur nachhaltig sein und künftige Krisen verhindern, wenn Ad-hoc-Krisenreaktionsmaßnahmen in den Aufbau umfassender sozialer Sicherungssysteme münden, so eine neue Analyse der Internationalen Arbeitsorganisation, ILO.

In zwei veröffentlichten Informationsdossiers warnt die ILO davor, dass die derzeitigen Lücken bei der sozialen Sicherung zukünftige Wiederaufbaupläne gefährden, Millionen Menschen der Armut aussetzen und die globale Bereitschaft zur Bewältigung ähnlicher Krisen in der Zukunft beeinträchtigten werden.

Die Veröffentlichungen befassen sich ausführlich mit der Rolle von Maßnahmen der sozialen Sicherung bei der Bekämpfung des COVID-19-Ausbruchs in Entwicklungsländern, einschließlich der Bereitstellung von Krankengeld während der Krise.

Im Kurzdossier „Social protection responses to the COVID-19 pandemic in developing countries" (Maßnahmen sozialer Sicherheit im Rahmen der COVID-19-Pandemie in Entwicklungsländern), wird soziale Sicherung als "ein unverzichtbarer Mechanismus für die Bereitstellung individueller Unterstützung für Menschen während der Krise" beschrieben. Es untersucht die Maßnahmen, die einige Länder als Reaktion auf die Pandemie eingeführt haben, darunter die Beseitigung finanzieller Hürden für eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung, Erhöhung von Einkommenssicherheit, Kontaktaufnahme mit Arbeiterinnen und Arbeitern in der informellen Wirtschaft, Schutz von Einkommen und Arbeitsplätzen und die Verbesserung der Bereitstellung von sozialer Sicherung, Beschäftigung und anderen Maßnahmen.


© Ploy Phutpheng / UN Women
“Obwohl das Virus nicht zwischen Arm und Reich unterscheidet, sind seine Auswirkungen sehr ungleichmäßig". Die Möglichkeit des Zugangs zu einer erschwinglichen und qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung wird "zu einer Frage von Leben und Tod".”.

Das Kurzdossier warnt davor, dass durch eine Konzentration auf COVID-19, die Gefahr bestehe, dass Gesundheitssysteme nicht auf "andere Bedingungen reagieren, an denen täglich ebenfalls Menschen sterben". Beispielhaft dafür ist, wie sich während der Ebola-Epidemie eine Konzentration auf dieses Virus die Sterblichkeit durch Malaria, Tuberkulose und HIV/AIDS verschlimmerte.

Nach den Angaben des Kurzdossiers sind 55 Prozent der Weltbevölkerung - bis zu vier Milliarden Menschen - nicht sozialversichert. beziehen keine Sozialhilfe oder vergleichbare Leistungen. Weltweit bekommen nur 20 Prozent der Arbeitslosen Arbeitslosengeld, in einigen Regionen ist die Deckung noch geringer.

Das zweite Kurzdossier Sickness benefits during sick leave and quarantine: Country responses and policy considerations in the context of COVID-19 befasst sich mit Krankengeld bei Krankheit und Quarantäne: Reaktionen der Länder und politische Überlegungen im Zusammenhang mit COVID-19.

Die Gesundheitskrise im Zusammenhang mit COVID-19 hat zwei wesentliche negative Auswirkungen der unzureichenden Zahlung von Krankengeld offengelegt. Erstens können Schutzlücken Menschen dazu zwingen im Krankheitsfall zur Arbeit zu gehen, wodurch das Risiko einer Ansteckung anderer Menschen erhöht wird. Oder sie gehen in Quarantäne und damit wird zweitens durch den damit verbundenen Einkommensverlust das Armutsrisiko für Arbeitnehmende und ihre Familien erhöht, was ernsthafte Auswirkungen haben könnte.

Obwohl das Virus nicht zwischen Arm und Reich unterscheidet, sind seine Auswirkungen sehr ungleichmäßig. (...) qualitativ hochwertigen Gesundheitsversorgung wird zu einer Frage von Leben und Tod."

Im zweiten Kurzdossier werden dringende, kurzfristige Maßnahmen zur Schließung von Lücken bei der Zahlung von Krankengeld und angemessene Leistungen gefordert. Dies bringt dreifachen Nutzen: Unterstützung der öffentlichen Gesundheit, Armutsvorbeugung und Förderung der Menschenrechte in Bezug auf Gesundheit und soziale Sicherheit.

Zu den vorgeschlagenen Maßnahmen gehört die Ausweitung des Krankenversicherungsschutzes auf alle, mit besonderem Augenmerk auf Frauen und Männer in atypischen und informellen Beschäftigungsverhältnissen, Selbständige, Migranten und gefährdete Gruppen. Zu den weiteren Empfehlungen gehören die Anhebung des Leistungsniveaus, um Einkommenssicherheit zu gewährleisten, die Beschleunigung der Leistungsgewährung und die Ausweitung des Leistungsumfangs auf Präventions-, Diagnose- und Behandlungsmaßnahmen sowie auf die Zeit, die in Quarantäne oder bei der Pflege von kranken Angehörigen verbracht wird.

„Die COVID-19-Krise ist ein Weckruf. Sie hat gezeigt, dass ein Mangel an sozialer Sicherung nicht nur die Armen betrifft, sondern auch die Verletzlichkeit derjenigen offenbart, die bisher relativ gut ausgekommen sind. Medizinische Kosten und Einkommensverluste können leicht jahrzehntelange Familienarbeit und Ersparnisse zunichtemachen", sagte Shahra Razavi, die Direktorin der Abteilung für Sozialschutz der ILO.

„Die Beispiele aus der ganzen Welt zeigen einmal mehr, dass Länder mit robusten und umfassenden sozialen Sicherungssystemen in einer viel stärkeren Position sind, um auf eine Krise zu reagieren und sich von ihr zu erholen. Die politischen Entscheidungstragenden müssen auf dem Schwung aufbauen, der durch das wachsende öffentliche Bewusstsein für die Bedeutung sozialer Sicherung und der Dringlichkeit von Investitionen in soziale Sicherung als Gesellschaft entsteht, um für künftige Krisen gewappnet zu sein.“