COVID-19: Stimulierung von Wirtschaft und Beschäftigung

Nahezu die Hälfte der weltweiten Arbeitnehmerschaft droht mit dem Arbeitsplatz zugleich die Existenzgrundlage zu verlieren

Die jüngsten ILO-Daten zur COVID-19-Pandemie zeigen die verheerenden Auswirkungen auf Beschäftigte weltweit, sowohl in der informellen Wirtschaft, als auch auf Hunderte von Millionen Unternehmen.

Nachricht | 29. April 2020
© Kandukuru Nagarjun

Genf (ILO News) - Die ILO prognostiziert im "ILO Monitor COVID-19 and the world of work, third edition" einen noch dramatischeren Rückgang der Arbeitszeit im laufenden (zweiten) Quartal 2020 als bisher angenommen.

Im Vergleich mit dem Niveau vor der Krise (4. Quartal 2019) wird aktuell eine Verschlechterung um 10,5 Prozent erwartet, was einem Äquivalent von 305 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen entspricht (bei einer angenommenen 48-Stunden-Woche). Damit wurde die vorherige Schätzung infolge der Verlängerung der Lockdown Maßnahmen übertroffen, die von einem Rückgang um 6,7 Prozent mit einer Äquivalenz von195 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen ausging.

Die negativen Auswirkungen lassen keine Region aus. Nach Prognosen werden im zweiten Quartal in Nord- und Südamerika 12,4 Prozent und in Europa und Zentralasien 11,8 Prozent der Arbeitsstunden wegfallen im Vergleich zum Niveau vor Krisenbeginn. Schätzungen für die übrigen Regionen liegen alle über 9,5 Prozent.

Auswirkungen auf die informelle Wirtschaft

Die aktuelle Wirtschaftskrise führt zu erheblichen Beeinträchtigungen, wie z.B. Arbeitsplatz- und Einkommensverlusten, von ca. 1,6 Milliarden der insgesamt zwei Milliarden Beschäftigen der informellen Wirtschaft und 3,3 Milliarden der weltweiten Arbeitnehmer insgesamt. Beschäftige der informellen Wirtschaft sind in am stärksten von den massiven Einbußen beim Verdienst betroffen. Die informelle Wirtschaft ist besonders vulnerabel in Bezug auf Wirtschaftskrisen und zusätzlich von den Lockdown Maßnahmen betroffen.

Schätzungen zufolge ist das Einkommen der informell Beschäftigten weltweit im ersten Monat der Krise um 60 Prozent gesunken mit einem Rückgang von 81 Prozent in Afrika und Amerika, 21,6 Prozent in Asien und im Pazifikraum und 70 Prozent in Europa und Zentralasien.

Ohne alternative Einkommensquellen werden diese Menschen und ihre Familien keine Überlebensmöglichkeiten haben.

Gefährdete Unternehmen

Der Anteil der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen in Ländern, in denen die Schließung von Unternehmen empfohlen oder vorgeschrieben wurde, ist in den letzten zwei Wochen von 81 auf 68 Prozent zurückgegangen. Der Rückgang gegenüber der vorherigen Schätzung von 81 Prozent (siehe zweite Ausgabe des Monitors vom 7. April) ist in erster Linie auf Veränderungen in China zurückzuführen, in anderen Ländern und Regionen hat der Lockdown in der Arbeitswelt merklich zugenommen.

Weltweit sind mehr als 436 Millionen Unternehmen in ihrerwirtschaftlichen Aktivität einem hohen Risiko ausgesetzt. Diese Unternehmen gehören primär betroffenen Wirtschaftssektoren, darunter ca. 232 Millionen im Groß- und Einzelhandel, 111 Millionen in der verarbeitenden Industrie, 51 Millionen im Hotel- und Gaststättengewerbe sowie 42 Millionen im Immobiliensektor und anderen Geschäftsbereichen.

Politische  Interventionen sind dringend erforderlich

Die ILO fordert angesichts der Entwicklungen sofortige, gezielte und flexible Instrumente und Maßnahmen zur Unterstützung von Arbeitnehmern und Unternehmen, insbesondere von kleinen Unternehmen, von Beschäftigten der informellen Wirtschaft und anderen gefährdeten Gruppen.

Für Millionen von Arbeitnehmern bedeutet kein Einkommen keine Nahrung, keine Sicherheit und keine Zukunft. [...] Mit dem Fortschreiten der Pandemie und der Beschäftigungskrise wird die Notwendigkeit, die Schwächsten zu schützen, noch dringlicher."

Guy Ryder, ILO Director-General
Die wirtschaftliche Reaktivierung muss einhergehen mit einer gezielten Arbeitsplatzsicherung, einer intensiven Beschäftigungspolitik und Stärkung der Arbeitsmarktinstitutionen sowie gut ausgestatteter umfassender sozialer Sicherungssysteme.

Die internationale Koordinierung von Konjunkturpaketen und Schuldenerleichterungen wird die nachhaltige Erholung wirksam unterstützen. Internationale Arbeitsnormen – im Konsens der Regierungen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer -  bieten sich als gemeinsamer Rahmen an.

"Mit dem Fortschreiten der Pandemie und der Beschäftigungskrise wird die Notwendigkeit immer dringlicher, die Schwächsten zu schützen", resümiert ILO-Generaldirektor Guy Ryder. "Für Millionen von Arbeitnehmern bedeutet der Arbeitsplatz und Einkommensverlust -  keine Nahrung, keine Sicherheit und keine Zukunft. Millionen von Unternehmen und Geschäfte auf der ganzen Welt haben kaum noch Ressourcen zum Atmen. Sie haben weder Ersparnisse noch Zugang zu Krediten. Dies ist die bittere Wahrheit in der Arbeitswelt. Wenn wir ihnen jetzt nicht helfen, werden sie einfach untergehen".