Rechte indigener Völker stärken

Dringender Handlungsbedarf bei Bekämpfung von Armut und Ungleichheit

Die ILO bilanziert dreißig Jahre nach der Verabschiedung der einzigen internationalen Konvention über die Rechte indigener Völker: Ihre Mitglieder sind immer noch stark von Armut und besonderen Härten in der Arbeitswelt betroffen.

Nachricht | 4. Februar 2020
© John Isaac / UN Photo
Genf (ILO News) – Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) sieht dringenden Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Armut und Ungleichheiten indigener Völker. Dies belegt der aktuelle ILO-Bericht anlässlich des 30. Jahrestags der Konvention 169 aus dem Jahre 1989 über indigene und in Stämmen lebende Völker. Die Wahrscheinlichkeit in extremer Armut zu leben, ist bei indigenen Völkern um das Dreifache erhöht.

19 Prozent der Menschen, die in extremer Armut leben (weniger als 1,90 US-Dollar pro Tag) entstammen indigenen Völkern und auch bei weiter gesteckten Armutsgrenzen (3,20 oder 5,50 US-Dollar pro Tag) ist ihr Anteil unverhältnismäßig hoch. Indigene Völker sind - unabhängig von Region und Stadt-Land-Zugehörigkeit - weltweit von Armut stark betroffen. Mehr als 80 Prozent der indigenen Völker weltweit leben in Ländern mit mittlerem Einkommen.

Die Fortschritte bei der Verbesserung der Lebensbedingungen indigener Völker kommen nur langsam voran. Notwendig sind Ratifizierungen der Konvention Nr. 169 und Maßnahmen für ihre wirksame Umsetzung. Dazu zählen institutionelle und rechtliche Rahmenbedingungen, die indigenen Völkern eine Partizipation an politischen Entscheidungsfindungsprozessen ermöglichen.

Der ILO-Bericht „Auf dem Weg zu einer integrativen, nachhaltigen und gerechten Zukunft“ belegt, dass die Zahl der indigenen Völker weltweit mit sechs Prozent der Weltbevölkerung wesentlich höher ist als bisher angenommen. Mit 476 Millionen Menschen ist dies deutlich mehr als die Bevölkerung der Vereinigten Staaten und Kanadas zusammengenommen.

Das ILO-Übereinkommen 169 ist der einzige internationale Vertrag zur Stärkung und zum Schutz der Rechte indigener und stammesähnlicher Völker. Lediglich 23 der 187 Mitgliedsstaaten der ILO haben das Übereinkommen ratifiziert, womit weltweit nur ca. 15 Prozent der indigenen Völker abgedeckt sind. Die ILO geht davon aus, dass es weltweit mehr als 5.000 verschiedene indigene Gemeinschaften in etwa 90 Ländern gibt.

Die Lebensgrundlagen und wirtschaftlichen Aktivitäten vieler indigener Völker haben sich verändert. So leben und arbeiten etwa 45 Prozent der indigenen Frauen und Männer außerhalb des Agrarsektors.

Trotz ihrer Überrepräsentation unter den Armen stellt der Bericht fest, dass die indigenen Völker weltweit eine höhere Erwerbsquote haben als nicht-indigenen Menschen in vergleichbaren wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Situationen (63,3 Prozent gegenüber 59,1 Prozent). Erwerbsbeteiligung ist jedoch häufig mit schlechten Arbeitsbedingungen und Diskriminierung verbunden. So arbeiten ca. 86 Prozent (vergleichen mit 66 Prozent der nicht indigenen Bevölkerung) der indigenen Völker weltweit in der informellen Wirtschaft unter schlechten Arbeitsbedingungen und mangelndem Sozialschutz.

Indigene Frauen stehen vor besonderen Herausforderungen: Eine um 25 Prozent erhöhte Informalität bei der Arbeit, mangelnder Ausbildung und Betroffenheit von extremer Armut. Nur ein Viertel (24,4 Prozent) der indigenen Frauen geht einer Erwerbsarbeit nach, verglichen mit gut 50 Prozent der nicht-indigenen Frauen weltweit und gut 30 Prozent der indigenen Männer. Mitglieder indigene Völker verdienen im Durchschnitt 18 Prozent weniger als ihre nicht-indigenen Kolleginnen und Kollegen.

Es muss angenommen werden, dass indigene Völker Erwerbsarbeit annehmen, selbst wenn diese niedrig bezahlt wird und unter schlechten Arbeitsbedingungen erfolgt.
Trotz verbesserter politischer und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen besteht dringender Handlungsbedarf bei der Reduzierung von Ungleichheiten, mit denen indigene Völker konfrontiert sind. Der Bericht zeigt Möglichkeiten auf, die Situation zu überwinden und indigene Frauen und Männer als Entwicklungs- und Klimaakteure zu stärken, um die Ziele der nachhaltigen Entwicklung zu erreichen und das Pariser Abkommen über den Klimawandel zu verwirklichen.

Die Ratifizierung und Umsetzung des ILO-Übereinkommens Nr. 169 ist der Schlüssel zu wirksamen Maßnahmen, insbesondere für den Aufbau und die Stärkung öffentlicher Institutionen und rechtlicher Rahmenbedingungen, die die Beteiligung indigener Völker ermöglichen.