Tag für allgemeine Gesundheitsversorgung

Krise der weltweiten Gesundheitsversorgung: 40 Prozent der Weltbevölkerung sind ohne jeden Schutz

Eine neue ILO-Studie zeigt große Versorgungslücken in der Gesundheitsversorgung, vor allem in Westafrika, wo 80 Prozent der Menschen keinerlei Schutz haben

Nachricht | 10. Dezember 2014
Genf (ILO News) – Eine aktuelle ILO-Studie zeigt, dass 80 Prozent der Bevölkerung in 44 Ländern ohne jeden Gesundheitsschutz leben. Damit können Menschen die beispielsweise in Burkina Faso, Kamerun und Sierra Leone leben, ihr Grundrecht auf Gesundheit nicht einlösen. Weltweit sind ungefähr 40 Prozent der Bevölkerung von sozialem Gesundheitsschutz ausgeschlossen.

Die Studie „Adressing the Global Health Crisis: Universal Health Protection Policies“ zeigt auf, das es ähnlich große Versorgungslücken auch in Asien gibt. In Indien haben 80 Prozent der Menschen keinen Anspruch auf Gesundheitsversorgung. Andere Länder zeigen gravierende Versorgungslücken, so Aserbaidschan, Bangladesch, Haiti, Honduras und Nepal.

„Allgemeine Gesundheitsversorgung nimmt eine Schlüsselstellung bei der Bekämpfung von Armut und Ungleichheit ein und nährt wirtschaftliches Wachstum. Nachhaltige Entwicklung und menschenwürdige Arbeit für alle benötigt Investitionen in die Gesundheitsversorgung, dieser Zusammenhang kann nicht ignoriert werden“, sagte ILO-Generaldirektor Guy Ryder.




Was verhindert Gesundheitsversorgung?

Die ILO-Studie hebt als Haupthemmnis die hohe Verarmung hervor, die durch private Ausgaben für die Gesundheit entstehen. In vielen Ländern, wie in Sierra Leone werden 75 Prozent der gesamten Gesundheitsausgaben aus der eigenen Tasche bezahlt. Dies führt zu hoher Verarmung und lässt die Anzahl der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben müssen, ansteigen.

„So sind es die Ärmsten mit den dringlichsten Bedürfnissen, die am meisten darunter leiden, wenn Gesundheitskosten aus der eigenen Tasche bezahlt werden müssen“, so Xenia Scheil-Adlung, ILO-Koordinatorin für Gesundheitspolitik.

Ein weiterer Grund für die weltweite Gesundheitskrise liegt im Mangel von Gesundheitspersonal, das zudem auch häufig schlecht bezahlt wird. Die ILO schätzt, dass weltweit 10,3 Millionen zusätzliche Gesundheitsarbeiter benötigt werden, um die derzeitig bestehenden Lücken zu füllen. In Ländern wie Haiti, Niger, Senegal und Sierra Leone müssen fünf Gesundheitsarbeiter 10.000 Menschen versorgen. In Ländern mit hohem Einkommen, wie Finnland, kommen auf 10.000 Menschen 269 Gesundheitsarbeiter.

Vernachlässigung ländlicher Gebiete


Der Bericht zeigt, dass 56 Prozent der weltweiten Bevölkerung in ländlichen Gebieten keine Gesundheitsversorgung haben, verglichen mit 22 Prozent der städtischen Bevölkerung.

„Für Jahrzehnte wurde das öffentliche Gesundheitssystem unterfinanziert und konnte sich in Ländern mit mittlerem und geringem Einkommen nicht angemessen entwickeln. Schnellschüsse, wie vertikale Programme – beispielsweise Impfungen – sind ineffizient. Länder benötigen Investitionen in das allgemeine Gesundheitssystem“, sagte Isabel Ortiz, ILO-Direktorin des Programms für Soziale Sicherheit.

Die höchsten Ungleichheiten und Missverhältnisse in der Gesundheitsversorgung zwischen ländlichen und städtischen Gebieten traten in Afrika, Asien und dem Pazifik auf.
Die ländliche Bevölkerung ist auch am häufigsten vom fehlenden Gesundheitspersonal betroffen. Sieben Millionen von insgesamt 10,3 Millionen Gesundheitsarbeitern, die weltweit benötigt werden, fehlen in ländlichen Regionen.

Die Krise überwinden

Seit 2010 haben Sparmaßnahmen der politischen Entscheider dazu geführt, dass Kosten für die allgemeine Gesundheitsversorgung vermehrt privaten Haushalten aufgebürdet wurden. Öffentliche Gesundheitsdienstleistungen und Löhne für Gesundheitspersonal wurden gekürzt.

Die ILO-Studie legt dar, dass zur Überwindung der weltweiten Gesundheitskrise eine Umkehr der Politik in Richtung einer öffentlichen, allgemeinen Gesundheitsversorgung notwendig ist und nennt die ILO-Empfehlung 202 betreffend den innerstaatlichen Sozialen Basisschutz als nützlichem Instrument zur Erreichung dieses Zieles.

Investitionen in Gesundheitssysteme führen zu nachhaltigem Wirtschaftswachstum, höherer Produktivität und tragen zum Wohlergehen der Gesellschaft bei. Dies ist ein Grund, warum Länder wie Benin, Gabun, China, die Philippinen oder die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Gesundheitsversorgungssysteme in den letzten Jahren verstärkt haben.

In Thailand hat die Einführung einer allgemeinen Gesundheitsversorgung wirtschaftliche Gewinne von ungefähr dem 1.2fachen der Investitionen erbracht.
Die ILO Studie belegt, dass es - unabhängig vom Einkommen eines Landes - möglich ist, allgemeine Gesundheitsversorgung zur Verfügung zu stellen. Eine Voraussetzung zur Erreichung dieses Ziels, ist es, das Recht auf Gesundheit vollständig umzusetzen, Verarmung durch hohe private Gesundheitskosten zu vermeiden und genügend ausgebildete Gesundheitsarbeiter bereitzustellen.

Der Bericht wurde zeitnah zum „Tag der allgemeinen Gesundheitsversorgung“, am 12. Dezember vorgestellt.