Genossenschaften
Genossenschaften als Schlüssel zur nachhaltigen Entwicklung
Anlässlich des Internationalen Symposiums „Coopertives and the Sustainable Development Goals: Focus on Africa“ in Berlin erklärt Simel Esim, warum Genossenschaften entscheidend zur Erreichung der Entwicklungsagenda nach 2015 sind.
![]() |
Simel Esim, ILO, Abteilung für Genossenschaften |
Im letzten Jahr hat die ILO-Abteilung für Genossenschaften zusammen mit der internationalen Genossenschaftsbewegung eine Umfrage in Auftrag gegeben, um herauszufinden, wie das Genossenschaftliche Geschäftsmodell zur nachhaltigen Entwicklung beiträgt, wie ihre Akteure die Debatte um die Entwicklungsagenda nach 2015 aufnehmen und welche Rolle Genossenschaften in diesem Zusammenhang spielen. Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, wie Genossenschaften im konkreten Handeln und mit ihrem Engagement auf der lokalen Ebene zur Erreichung nachhaltiger Entwicklungsziele beitragen können. Der vollständige Bericht ist bereits veröffentlicht. Es zeigte sich, dass in Bereichen, in denen der private oder staatliche Sektor ausfällt, Genossenschaften häufig die Lücke schließen. Genossenschaften spielen eine Schlüsselrolle im Gesundheitswesen und bei der Pflege, beim Zugang zu finanziellen Dienstleistungen und bei der Wasser- und Energieversorgung in ländlichen Gegenden vieler Länder.
Sie unterstützen gleichrangige Handelsbeziehungen und Wertschöpfungsketten durch ihr Engagement bei alternativen Formen des Handels, wie Fair Trade und tragen mit innovativen Ansätzen zur grünen Ökonomie bei.
Wie Genossenschaften Ziele für nachhaltige Entwicklung unterstützen
Erstens können Genossenschaften eine Schlüsselrolle bei der Armutsreduzierung spielen. Während Spar- und Kreditvergabegenossenschaften den Zugang ihrer Mitglieder zum Finanzkapitel ermöglichen, bekommen Bauern durch Agrargenossenschaften Zugang zu erforderlichen Mitteln, um die Ernte einzubringen, ihre Produkte zu transportieren und zu vermarkten. In Äthiopien erzielen geschätzte 800.000 Menschen im Agrarsektor den größten Teil des Einkommens durch Genossenschaften. In Ägypten erwirtschaften vier Millionen Bauern ihre Einnahmen durch den Verkauf von Agrarprodukten durch landwirtschaftliche Marketinggenossenschaften.
Zweitens stellen Genossenschaften die meisten Arbeitsplätze zur Verfügung. Sie beschäftigen mindestens 100 Millionen Menschen weltweit. Nach Schätzungen sichert fast die Hälfte der Weltbevölkerung ihren Lebensunterhalt durch genossenschaftliche Unternehmen. Die weltweit 300 größten Genossenschaftsunternehmen vereinen einen Umsatz von 1.6 Milliarden, vergleichbar mit dem Bruttosozialprodukts Spaniens.
Direkten und indirekten Einfluss
Genossenschaften wirken sich auf die Beschäftigung in unterschiedlichen Bereichen aus: Sie beschäftigen Menschen direkt, und sie fördern die Beschäftigung indirekt, indem sie einen Markt schaffen und die Marktbedingungen verbessern. Sie beeinflussen auch diejenigen, die nicht Mitglied einer Genossenschaft sind, deren berufliche Aktivitäten aber einen nahen Bezug zur Geschäftstätigkeit der Genossenschaften aufweisen.
Nicht zuletzt zeigen jüngste Belege, dass Arbeitsplätze in Unternehmungen, die den Arbeitnehmern gehören, weniger von negativen periodischen Abschwüngen betroffen sind und einen höheren Grad von Beschäftigungsstabilität während eines wirtschaftlichen Abschwungs aufweisen.
Drittens tragen Genossenschaften zur Geschlechtergleichheit bei, indem sie die Möglichkeiten von Frauen erweitern, am lokalen Wirtschaftskreislauf teilzuhaben. Beispielsweise sind 49 Prozent der Mitglieder der spanischen Vereinigung der Genossenschaftsarbeitnehmer Frauen, 39 Prozent haben Führungsaufgaben, verglichen mit 6 Prozent in herkömmlichen Unternehmungen. Mittlerweile kann der Frauenanteil im Vorstand einer Finanzkooperative 65 Prozent erreichen, wie das Beispiel eines Entwicklungslands wie Tansania zeigt.
Dies sind nur einige Beispiele. Der Bericht dokumentiert weitere Schlüsselbeiträge der Genossenschaften in anderen Bereichen, einschließlich nachhaltiger Energieproduktion, Nahrungssicherheit oder Gesundheitsdienstleistungen.
Genossenschaftliche Unternehmen geben auch bestimmten Gruppen wie informellen Arbeitnehmern Chancen, indem sie den Übergang zur formalen Wirtschaft erleichtern. Sie können zum Beispiel Wanderarbeitern und Hausangestellten helfen, aus der Armut herauszukommen und menschenwürdige Arbeitsmöglichkeiten zu finden. So hat die Bella Rica Genossenschaft in Ecuador Arbeiter einer kleinen Goldmine in den formalen Arbeitsmarkt verholfen, viele von ihnen Wanderarbeitnehmer, indem sie ihnen einen ordentlichen Arbeitsvertrag anbot und ihnen bei der Durchsetzung ihrer Rechte Hilfe anbot.
Schließlich betont der Bericht die Notwendigkeit, die Agenda für menschenwürdige Arbeit der ILO in die Debatte zu nachhaltigen Entwicklungszielen nach 2015 einzubeziehen. Genossenschaften schaffen Millionen menschenwürdiger Arbeitsplätze und spielen eine Schlüsselrolle im Beitrag der ILO zur Agenda.