Lehren aus der Krise - Herausforderungen für die Zukunft

Trotz eines heftigen Konjunktureinbruchs infolge der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise konnte sich der deutsche Arbeitsmarkt im internationalen Vergleich gut behaupten. Zwar schrumpfte die Wirtschaft im Jahr 2009 um 4,7 Prozent und damit mehr als in den meisten anderen Ländern, doch ging die Beschäftigung um lediglich 0,2 Prozent zurück.

Nachricht | 21. März 2011
Im Schnitt verzeichneten die Industrieländer einen fünfmal stärkeren Rückgang als Deutschland. Dies ergab die erste umfassende Evaluation der deutschen Antikrisenpolitik, die die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) am Montag vorlegte.

Der intelligente Policy-Mix aus Konjunkturförderung, dem klugen Einsatz arbeitsmarktpolitischer Instrumente und der Stärkung der sozialen Sicherungssysteme sowie auch der gut funktionierende soziale Dialog in Deutschland haben dazu beigetragen, dass Deutschland die Krise weit besser als andere Länder bewältigen konnte", erklärte der Autor der Studie, Steven Tobin. "Selbst Jugendlichen, die in solchen Fällen meist am schlimmsten betroffen sind, erging es vergleichsweise gut."

So haben Unternehmen im Abschwung die Arbeitszeit vermindert und nicht die Zahl der Beschäftigten. Sie konnten dazu auf Arbeitszeitkonten zurückgreifen, in denen Arbeitnehmer im vorangegangenen Aufschwung zahlreiche Überstunden angesammelt hatten, und auf die Unterstützung der Regierung, die die vorhandenen Möglichkeiten der Kurzarbeit deutlich ausweitete. Zugleich reagierte die Regierung auf die Krise mit umfangreichen Konjunkturpaketen sowie mit Verbesserungen im sozialen Bereich, darunter der Rentengarantie.

In ihrem Bericht legt die ILO einen besonderen Schwerpunkt auf die Lehren, die aus der erfolgreichen Krisenbekämpfung gezogen werden können und gibt entsprechende Politikempfehlungen.

Die Herausforderungen für Deutschland sind unverändert groß: Nach wie vor suchen mehr als drei Millionen Menschen eine Arbeit. 1,4 Millionen von ihnen, also fast die Hälfte, sind ein Jahr oder länger arbeitslos und mehr als 900.000 sogar mehr als zwei Jahre. Damit weist Deutschland eine der höchsten Raten von Langzeitarbeitslosen unter den Industrieländern auf. Als erstes müsse daher sichergestellt werden, dass diese nicht den Anschluss an den Arbeitsmarkt verlieren. Entsprechend begrüßt die ILO die im Juli 2010 beschlossene Regel, dass in den Jobcentern ein Fallmanager für höchstens 150 Erwachsene oder 75 Jugendliche zuständig sein darf. Diese Verbesserung dürfe nicht der Haushaltskonsolidierung zum Opfer fallen. Die ILO empfiehlt außerdem eine Verstärkung der Fortbildungsmaßnahmen.

Zweitens müsse sich das Land auf die wegen der Alterung der Bevölkerung rückläufigen Arbeitnehmerzahlen einstellen, die sich negativ auf die Wachstumsaussichten auswirken könnten. Entscheidend ist daher nach Überzeugung der ILO, dass die Teilnahme bisher unterrepräsentierter Gruppen – Frauen,ältere Arbeitnehmer und Migranten - am Arbeitsmarkt erhöht wird. Statt dabei isoliert auf die Förderung älterer Arbeitnehmer und Frauen oder den verstärkten Zuzug von Migranten zu setzen, empfiehlt die ILO auch hier einen ausgewogenen Policy-Mix , wobei sich die Förderung von älteren Arbeitnehmern und Frauen als effektivster Ansatz erweist. So müsse gewährleistet werden, dass Rentensysteme einen Anreiz zur längeren Berufstätigkeit geben und dass die Beschäftigungschancen und Arbeitsbedingungen für ältere Arbeitnehmer verbessert werden. Um die Beschäftigungsquote von Frauen, die derzeit bei nur 53 Prozent liegt, zu erhöhen, sollten vor allem die Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren verbessert werden.

Drittens empfiehlt die ILO, den langjährigen Abwärtstrend bei den Investitionen zu stoppen. Zwischen 1980 und 2006 gingen der Anteil der Investitionen am Bruttoinlandsprodukt um sechs Prozentpunkte zurück, mehr als doppelt so viel wie in anderen Industrieländern. Um die Investitionstätigkeit – und damit die Basis für die Schaffung zusätzlicher Arbeitsplätze – zu fördern, könnte die Regierung auf mehrere Möglichkeiten zurückgreifen: So sollten zum einen die Finanzierungsmöglichkeiten kleiner und mittlerer Unternehmen verbessert werden. Der in der Krise aufgelegte "Wirtschaftsfonds Deutschland" stehe hier beispielhaft für mögliche zukünftige Initiativen. Zum andern müssten Beschäftigung und Arbeitnehmereinkommen wieder stärker an die Produktivitätsentwicklung gekoppelt werden. Dies würde die heimische Nachfrage stärken und damit auch die Konjunktur und so Investitionen attraktiver machen.