ILO at work: Wie die ILO mit Sozialpartnerschaften zu Frieden und Arbeitssicherheit beiträgt

Die ILO fördert sozialpartnerschaftliche Strukturen auch in ihrer Arbeit vor Ort. Zwei Beispiele zeigen, wie es gehen kann: sei es die Unterstützung der tunesischen Regierung bei der Entwicklung eines neuen Sozialvertrags nach dem Arabischen Frühling oder der gemeinsame Kampf gegen arbeitsbedingte Krankheits- und Todesfälle im Rahmen des auf Vision Zero Fonds, der auf Initiative der Deutschen Präsidentschaft auf dem G7-Gipfel 2015 entstanden ist.

Artikel | 6. April 2017

Wie Sozialpartnerschaft den Frieden in Tunesien sichert

Der Arabische Frühling führte 2011 in Nordafrika zu erheblichen gesellschaftlichen Umbrüchen. Der Erfolg des friedlichen Übergangs zur Demokratie hing wesentlich davon ab, ob es Tunesien gelingen würde, die Strukturen der aufstrebenden, pluralistischen Gesellschaft nachhaltig zu festigen. Ab 2012 unterstützte die ILO den Prozess hin zu einem neuen Sozialvertrag durch eine enge Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden.

Im Mittelpunkt der Maßnahmen stand die Stärkung des Sozialdialogs durch Schulungen, flankiert durch Beratungen der Regierung zur gesetzlichen Verankerung sozialpartnerschaftlicher Strukturen. Ein dreigliedriges Komitee erarbeitete mithilfe der ILO einen Entwurf zur Neuausrichtung des tunesischen Sozialvertrages, der 2013 bei einer feierlichen Zeremonie unterzeichnet wurde.

Im Ergebnis wurde die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in Tunesien durch einen Fünfpunkteplan festgelegt. Neben der Institutionalisierung des Sozialdialogs betont der Vertrag die Bedeutung wirtschaftlicher Entwicklung, sozialer Sicherung, Strukturen für Arbeit und Ausbildung sowie verbesserter Arbeitsbeziehungen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer näherten sich durch den Prozess an und formten gemeinsam mit zwei Menschenrechtsorganisationen ein sozialpartnerschaftliches „Quartett“, welches eine zentrale Rolle bei der Ausarbeitung der 2014 durch die Regierung verabschiedeten neuen Verfassung spielte. In der Verfassung sind viele Elemente menschenwürdiger Arbeitsbedingungen verankert. Als Beispiele seien das Streikrecht, Versammlungsfreiheit und das Recht auf gerechten Lohn genannt. Im darauffolgenden Jahr ehrte die Jury des Nobelkomitees den Beitrag des Quartetts zur pluralistischen Demokratie in Tunesien gar mit dem Friedensnobelpreis.

Dank der ILO-Unterstützung gelang es, Mechanismen für die gemeinsame, konsensorientierte Aushandlung des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu etablieren. Damit wurden durch die Arbeit in Tunesien wesentliche Grundlagen für einen effektiven Sozialdialog geschaffen. Langfristig soll die Arbeit der dreigliedrigen Arbeitsgruppe durch einen nationalen Rat der Sozialpartnerschaft als fester Bestandteil des politischen Systems institutionalisiert werden und eine zentrale Rolle bei zukünftigen Reformprozessen spielen.

Sozialpartnerschaftliche Strukturen im Arbeitsschutz

Das Beispiel Tunesien zeigt, dass der Sozialdialog die Grundlage für politische und gesetzliche Maßnahmen in der Welt der Arbeit bildet. So auch in einem neuen Programm, welches sich ein ambitioniertes Ziel gesteckt hat: die Prävention von Unfällen am Arbeitsplatz. Dafür steht er – der Vision Zero Fonds (VZF).

Der Fonds wurde 2015 von den G7-Staats- und Regierungschefs ins Leben gerufen. Ziel der diesjährigen Deutschen G20 Präsidentschaft ist es, den VZF global zu promoten. Als Öffentlich-Private Partnerschaft konzipiert, können sowohl Regierungen als auch Unternehmen den Fonds unterstützen. Sozialpartnerschaft ist ein wesentliches Merkmal bei der Umsetzung. Denn alle Parteien waren sich einig: Eine Verminderung und Vermeidung von Unfällen und Krankheiten am Arbeitsplatz kann nur gelingen, wenn nationale Institutionen wie Arbeitsinspekteure und Versicherungen aufgebaut und gestärkt werden – aber auch, wenn dabei die Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer in der Praxis Berücksichtigung finden.

Die G7 übertrugen der ILO von Beginn an die Verantwortung für die Umsetzung des Fonds, um Synergien mit den ILO-Maßnahmen zur Förderung von Arbeitsschutz und -sicherheit zu nutzen und Erfahrung aus der weltweiten Projektarbeit für die erfolgreiche Umsetzung der Ziele einzubringen. Die Sozialpartner spielen dabei eine zentrale Rolle bei der strategischen Planung und Umsetzung vor Ort.

Die Projektimplementierung erfolgt in drei Schritten: Zunächst erarbeiten die verschiedenen Stakeholder einen gemeinsamen Aktionsplan. In einem zweiten Schritt werden die Ziele konkretisiert und Maßnahmen konzipiert. Als Beispiele seien die Unterstützung von Gesetzesinitiativen, Schulungen für Konstituenten oder die Unterstützung beim Aufbau von Unfallversicherungen genannt. In einem dritten Schritt werden Pilotländer ausgewählt und die Projekte umgesetzt.

In Myanmar wurde die Arbeit im September 2016 aufgenommen. Weitere Länder in Asien und Afrika sollen folgen. Zunächst wurde ein nationales, tripartites Dialogforum in Myanmar gegründet. Untersucht werden soll das Unfallrisiko im Textilsektor zur Vorbereitung einer Reform des Arbeitsschutzes. Neben Sozialversicherungstrainings für die Sozialpartner ist ein Workshop mit Abgeordneten geplant.

Die Beispiele zeigen, wie die ILO Sozialpartnerschaft lebt. Im Interview mit Ockert Dupper, dem VZF-Fondsmanager der ILO, erfahren Sie mehr über die konkrete Einbindung von Arbeitgebern und Gewerkschaften bei der Umsetzung vor Ort.