ILO at work: Die Kosten von Arbeitsmigration

Wer sein Heimatland verlässt, um woanders Geld zu verdienen, zahlt häufig einen Preis dafür – von schlechter Entlohnung über fehlende Arbeitnehmerrechte bis hin zu hohen Kosten für Arbeitsvermittlung und Anreise. Die ILO hilft mit hartnäckiger Aufklärungsarbeit und sucht den Dialog mit Sozialpartnern und Regierungen vor Ort.

Artikel | 1. März 2017
Die Aussicht auf einen besser bezahlten Job zieht viele Arbeiterinnen und Arbeiter in die Ferne, oft zeitlich befristet. Die Chancen sind in Ländern wie den Golfstaaten besonders gut, da dort Fachkräfte dringend gesucht werden. Ihren Lohn schicken die Arbeiter größtenteils an die zurückgebliebenen Familien. Beispielsweise wurden aus den Vereinigten Arabischen Emiraten im Jahr 2014 über 109 Mrd. USD in die Heimatländer der Migranten überwiesen. Im arabischen Raum waren insgesamt 32 Mio. Arbeiter temporär aus dem Ausland tätig.

Diese Art der temporären Migration hat allerdings auch ihre Schattenseite. Viele Migrantinnen und Migranten reisen zwar ohne Probleme in die Gastländer ein, haben dort aber oft de facto weniger Arbeitsrechte, manchen wird sogar der Pass abgenommen. Dazu kommt, dass oft hohe Kosten für die Arbeit im Ausland anfallen, die erst abbezahlt werden müssen, bevor ein Gewinn erwirtschaftet werden kann. Beispielhaft genannt seien Prämien für die private Arbeitsvermittlung, Reisekosten, Gebühren an Behörden oder auch Versicherungsbeiträge. Entgegen dessen, was wir von der Migration hochqualifizierter Fachkräfte weltweit kennen, übernimmt hier nicht der Arbeitgeber die Kosten.

Warum wagen sich dennoch so viele Menschen in die Arbeitsmigration? Die ILO und die Global Knowledge Partnership on Migration and Development (KNOMAD) der Weltbank sind dieser Frage nachgegangen und haben mit Hilfe von Fragebögen Migrantinnen und Migranten befragt, sowohl während ihres Auslandsaufenthaltes als auch nach ihrer Rückkehr in die Heimatländer. Verschiedene Migrationskorridore, also von welchem Gastland in welches Zielland migriert wurde, wurden dabei berücksichtigt. Die Befragten arbeiteten in Südkorea, Kuweit, Spanien oder kamen aus Katar, Saudi-Arabien und den VAE zurück in ihre Heimatstaaten Äthiopien, Indien, Nepal, Pakistan und auf die Philippinen.

Wie schwer es ist, einen Job im Ausland zu finden, zeigt das Beispiel der Nepalesen in Südkorea. 2015 bewarben sich dort 60.000 Nepalesen auf 3.000 zur Verfügung stehende Jobs. Die Chancen, eine gut bezahlte Stelle zu finden, standen also genau so gut, wie einen Studienplatz in Harvard zu ergattern.

Das Beispiel Katar macht deutlich, wie zwei verschiedene Migrationskorridore in das gleiche Gastland zu unterschiedlichen Kosten für die Migrantinnen und Migranten führen können. Ein Großteil der Befragten aus Indien und Nepal war dort im Baugewerbe tätig. Die Arbeitnehmer waren zwar durchschnittlich gleich alt. Die Nepalesen waren aber wesentlich schlechter ausgebildet. In ihrer Heimat waren sie vorher oft arbeitslos gewesen oder hatten Aushilfstätigkeiten in der Landwirtschaft ausgeübt. Viele befragte Inder hingegen hatten bereits in der Baubranche gearbeitet. Im Schnitt verdienten sie doppelt so viel wie ihre nepalesischen Kollegen. Beide Seiten schickten erhebliche Summen an ihre Familien, teilweise bis zu zwei Drittel des Einkommens.

Durch die Befragung von KNOMAD und der ILO wurden einige allgemeine Trends erkennbar: Schlecht ausgebildete Migrantinnen und Migranten hatten bei geringerem Gehalt durchweg höhere Kosten, um einen Job im Ausland zu finden. Innerhalb der verschiedenen Branchen lag das Verhältnis der Löhne je nach Qualifikation und Herkunftsland bei bis zu 2:1. Zudem fielen je nach Migrationskorridor teilweise siebenmal höhere Kosten für die Migration an. Bis zu 76 Prozent der Gesamtkosten entfielen dabei auf die Arbeitsvermittlung.

Arbeitsrecht und Arbeitssicherheit bleiben ein wichtiges Thema

Ein weiterer Umstand bereitet der ILO und KNOMAD ebenfalls Sorgen: Immer wieder berichten die Befragten von eingeschränkten Arbeitsrechten und Unfällen am Arbeitsplatz. Bekannt ist, dass Ausreisedokumente einbehalten und Grundrechte wie Vereinigungsfreiheit oder sozialer Basisschutz verwehrt werden.

Solchen Umständen will die ILO mit Hilfe der Gast- und Heimatländer entschieden entgegenwirken. Migrantinnen und Migranten werden bereits vor der Ausreise sensibilisiert und über ihre Rechte aufgeklärt. Des Weiteren setzt sich die ILO für die Beseitigung menschenunwürdiger Arbeitsbedingungen vor Ort ein. Im Dialog mit Regierungen und Sozialpartnern engagiert sich die ILO, Zwangsarbeit, mangelnde Sicherheitsstandards und den Ausschluss von Migrantinnen und Migranten aus Gewerkschaften in den Gastländern zu verhindern. In Jordanien wurde beispielsweise ein Gemeindezentrum eröffnet. Neben einem sportlichen und kulturellen Angebot erhalten Migrantinnen und Migranten rechtlichen Beistand und haben die Möglichkeit, sich fortzubilden und die dort erworbenen Fähigkeiten in ihre Heimatländer mitzunehmen.

Das Wagnis bleibt. Denn Arbeitsmigration lohnt sich - trotz der Kosten. Die Lohngefälle zwischen Heimat- und Gastland sind so groß, dass in einem Zeitraum von wenigen Monaten nicht nur die Kosten ausgeglichen sind, sondern erhebliche höhere Einkommen erzielt werden.