Hintergrund: Entwicklung der globalen Arbeitsmigration und das Engagement der ILO

Die Bedeutung der globalen Migration wächst. Mehr als 232 Millionen Menschen leben außerhalb ihres Geburtslandes. Ob auf der Suche nach einem besseren Leben oder aufgrund von Flucht und Vertreibung: Millionen von Migrantinnen und Migranten in die Arbeitsmärkte zu integrieren, ist eine gewaltige Herausforderung, der sich die Gastländer und die ILO mit verschiedenen Instrumenten stellen.

Artikel | 1. März 2017
Etwa drei Prozent der Weltbevölkerung sind Migrantinnen und Migranten. Nach Erhebungen der ILO leben ca. 232 Millionen Menschen nicht in ihrem Geburtsland (ILO Global Estimates on Migrant Workers). 207 Millionen von ihnen sind über 15 Jahre alt, rund 150 Millionen sind erwerbstätig. Diese Zahlen zeigen: Migration ist ein weit verbreitetes Phänomen. Das gilt vor allem für den Beginn dieses Jahrtausends: Allein seit 2000 stieg die weltweite Zahl von Migrantinnen und Migranten um 57 Millionen an. In der fairen Gestaltung der Migrationsbewegungen sieht die ILO daher eine ihrer wichtigsten Aufgaben. Millionen erwerbstätiger Migrantinnen und Migranten in die jeweiligen Arbeitsmärkte zu integrieren, ist dabei Chance und Herausforderung zugleich.

Triebkräfte der Migration

Warum sich Menschen auf den Weg machen und ihr Land verlassen, hängt von verschiedenen Push- und Pull-Faktoren ab. Dazu gehören, wie die ILO Fair Migration Agenda feststellt, vor allem die globalen Einkommens- und Wohlstandsunterschiede und das wachsende Bewusstsein für bessere Lebensbedingungen an anderen Orten. Aber auch demografische Trends, etwa die zunehmende Überalterung in den Industrienationen, und die stärkere Nachfrage nach Arbeitskräften in bestimmten Regionen, während sie an anderen Orten stagniert oder zurückgeht, sind wichtige Auslöser.

Gleiches gilt für den Klimawandel mit seinen Folgen wie Naturkatastrophen und Hungersnöten. Hinzu kommen all diejenigen, die ihre Heimatländer aufgrund von Krieg, Verfolgung, Gewalt und Vertreibung verlassen und als Geflüchtete Asyl suchen. Auch wenn die Suche nach einer lebenssichernden Beschäftigung bei diesen Menschen zunächst nicht deren Hauptmotiv ist, rückt diese nach gewisser Zeit zwangsläufig in den Vordergrund.

Herausforderungen für die Arbeitsmarktintegration

Wie die Integration in den Arbeitsmarkt gelingen kann, hängt dabei nicht nur von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Gastlandes und der Qualifikation der Zugewanderten ab, sondern auch von den Arbeitsbedingungen und dem rechtlichen Rahmen.

Drei Viertel aller Arbeitsmigranten befinden sich in Industrienationen. Hoch qualifizierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer werden hier oft heftig umworben und treffen auf klare und attraktive Optionen, etwa das Recht, sich dauerhaft niederzulassen.

Die Mehrheit der Arbeitsmigranten übernimmt jedoch niedriger qualifizierte und schlechter bezahlte Tätigkeiten, die Einheimische oft nicht leisten können oder wollen. Je nach Land handelt es sich um Tätigkeiten in Haushalt, Gastronomie, Gebäudereinigung und Pflege sowie in Industrie und Landwirtschaft. Der Eintritt in den Arbeitsmarkt ist für diese Menschen in der Regel kein großes Problem. Problematisch ist hingegen die an vielen Arbeitsplätzen herrschende Diskriminierung, etwa ausbeuterische Arbeitsverhältnisse, begrenzte Rechte, soziale Ausgrenzung und mangelnde soziale Sicherheit. Rechtlich verbindliche und sozial attraktive Migrationsmöglichkeiten mit Bleibeperspektive gibt es für diese Menschen nur selten. Da aber die Nachfrage nach diesen Arbeitskräften anhält, kann dies sogar dazu beitragen, dass die irreguläre, ungesteuerte Arbeitsmigration wächst.

Der rechtebasierte Ansatz der ILO: Ausbau der legalen Migration

Um Migration fair zu gestalten und Migrantinnen und Migranten vor Ausbeutung und Selbstausbeutung zu schützen, brauchen wir einen klaren internationalen Rechtsrahmen. Aus Sicht der ILO gehört dazu gerade nicht ein repressiver Umgang mit Migrationsbewegungen, sondern vielmehr der verstärkte Ausbau legaler Migrationswege. Nur so lässt sich angemessen auf die globale Angebots- und Nachfragesituation, vor allem bei niedrig qualifizierter Arbeit, und das wachsende Problem irregulärer Migration reagieren.

Verschiedene ILO-Rechtsinstrumente liegen hierfür bereits vor. Zentrale Arbeitsnormen sind das Übereinkommen 97 über Wanderarbeiter von 1949, das Übereinkommen 143 über Missbräuche bei Wanderungen und die Förderung der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung der Wanderarbeitnehmer von 1975, das erstmals explizit Rechte für irreguläre Migranten beinhaltete, sowie das Übereinkommen 181 über private Arbeitsvermittler von 1997. Doch obwohl all diese Instrumente schon vor Jahrzehnten verabschiedet wurden, ist ihre Umsetzung in den ILO-Mitgliedstaaten verbesserungswürdig, was sich in den extrem niedrigen Ratifizierungsquoten wiederspiegelt.

Mit dem 2006 verabschiedeten Multilateralen Rahmen für Arbeitsmigration unterstützt die ILO zudem die Herkunfts- und Zielländer von Arbeitsmigranten bei der Gesetzgebung bezüglich Arbeitsmigration. Dieses Instrument kann zwar wesentlich zu einer praktischen Verbesserung der Situation beitragen, ist jedoch keine gleichwertige Alternative zu einem ratifizierten und damit rechtsverbindlichen ILO-Übereinkommen.

Triple Win: Die Migrationsagenda der ILO

Um die globalen Migrationsfragen mitzugestalten, hat die ILO ein Portfolio an Handlungsempfehlungen und Programmen erarbeitet. Ziel dieser Fair Migration Agenda ist es, ordnungspolitische Instrumente zu schaffen und ein Migrationsregime zu entwickeln, das sowohl die Interessen der Herkunftsstaaten, als auch der Zielländer sowie der Migrantinnen und Migranten selbst ausgewogen berücksichtigt („Triple Win“). Dazu gehören die Förderung menschenwürdiger Arbeit und des Wirtschaftswachstums in den Herkunftsländern, Programme für regulierte und faire Migration, der Aufbau transparenter und fairer Anwerbeverfahren gepaart mit der Umsetzung von Arbeitnehmerrechten durch internationale Arbeitsnormen sowie der Kampf gegen Arbeitsausbeutung.

Im internationalen Kanon der Organisationen hat die ILO ein klares Mandat, um für die Erreichung dieser Ziele zu arbeiten. Dazu beteiligt sie sich etwa an multilateralen Verhandlungen oder steht Ländern beratend zur Seite und bringt die Expertise in den G20-Rahmen ein, so aktuell im Zuge der deutschen G20-Präsidentschaft 2017. Denn am Ende gilt: Eine globale Migrationsagenda, die auf verbindlichen Regeln basiert, kann nur in internationaler Kooperation und unter aktiver Einbindung aller Akteure erfolgreich entwickelt und umgesetzt werden.


Aktuelle Hilfe zur Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen

In der Flüchtlingskrise bekommt die Arbeit der ILO eine weitere Facette, denn Geflüchtete stehen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt vor besonderen Herausforderungen, etwa wenn sie ohne Aufenthaltstitel nicht arbeiten dürfen. Die ILO hat deshalb im Juli 2016 Guiding Principles verabschiedet, die den Mitgliedsstaaten konkrete Handlungsempfehlungen an die Hand geben. Diese umfassen zum Beispiel Arbeitsgenehmigungen für Flüchtlinge, die Anerkennung von Qualifikationen und Möglichkeiten zur Weiterqualifizierung, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, den Abbau von Diskriminierungen oder auch die Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr in die Heimatländer.