Hintergrund: Die MNU-Erklärung – ein Kompass für multinationale Unternehmen

Ob Beschäftigung, Ausbildung, Arbeits- oder Lebensbedingungen: Die MNU-Erklärung der ILO gibt multinationalen Unternehmen, Sozialpartnern und Regierungen klare Richtlinien für menschenwürdige Arbeit an die Hand. Was ist ihre Hauptbotschaft? Und wie kann die Erklärung in der Arbeitswelt als Kompass dienen?

Artikel | 27. August 2018

Welche Vorteile haben Unternehmen?

Die „Dreigliedrige Grundsatzerklärung über multinationale Unternehmen und Sozialpolitik“ (MNU-Erklärung) der ILO enthält grundlegende Prinzipien einer verantwortungsvollen Arbeitsplatzgestaltung und dient multinationalen Unternehmen (MNU) damit als Leitlinie für Sozialstandards. Zudem legt die Erklärung die Verantwortlichkeiten zwischen Unternehmen und Regierungen in den Bereichen Beschäftigung, Ausbildung, Arbeitsbeziehungen sowie Arbeits- und Lebensbedingungen fest.

Gemeinsam ausgehandelt und angenommen wurde die MNU-Erklärung 1977 von Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen. Seitdem wird sie in allen 187 ILO-Mitgliedstaaten forciert. Die Erklärung enthält globale grundlegende Prinzipien und Standards, die multinationalen Unternehmen (MNU) als Leitlinien für Sozialstandards und einer verantwortungsvollen Arbeitsplatzgestaltung dienen. Zudem legt die MNU-Erklärung die Rollenverteilung und die Verantwortlichkeiten zwischen Unternehmen und Regierungen in den Bereichen Beschäftigung, Ausbildung, Arbeitsbeziehungen sowie Arbeits- und Lebensbedingungen fest. Aufgrund ihres tripartiten Ansatzes stellt sie eine verbindliche Grundlage und Orientierungshilfe für Unternehmen dar, nach dem sie ihr globales Tun ausrichten können.

Ziel der Erklärung ist es, den positiven Beitrag, den MNU zum wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt und zur Verwirklichung menschenwürdiger Arbeit leisten können, zu fördern. Gleichzeitig sollen die Herausforderungen, die durch den globalen Handel entstehen, konstruktiv bewältigt werden. Sichtbare Erfolge sind steigende Arbeitszufriedenheit, Produktivität und Nachhaltigkeit. Unternehmen profilieren sich zudem als gesellschaftlich verantwortungsbewusste Akteure bei ihren Investoren und Kunden.

Unterstützung durch Anlaufstellen für Unternehmen

Der ILO-Helpdesk for Business on International Labour Standards ist die zentrale Anlaufstelle für Management- und Arbeitnehmervertretungen, um ihre Geschäftsabläufe besser auf internationale Arbeitsnormen abzustimmen und in gute Arbeitsbeziehungen zu investieren. Der Helpdesk liefert Informationen und Empfehlungen zu einer Vielzahl von arbeitsrelevanten Themen, die für die Unternehmenspraxis in verschiedenen Ländern und für das Lieferkettenmanagement entscheidend sind.

Ein Webportal enthält außerdem Länderfallstudien und informiert darüber, wie die Grundsätze der MNU-Erklärung national umgesetzt wurden. So hat beispielsweise die Sportartikelindustrie in Pakistan zusammen mit Regierung, Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen eine neue Partnerschaft zur Schaffung nachhaltiger und sozial verantwortlicher Geschäftspraxis etabliert. In Vietnam wurde ein konstruktiver Dialog entlang der globalen Lieferkette in der Elektronikindustrie aufgebaut.

Darüber hinaus fordert die MNU-Erklärung Regierungen, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen dazu auf, nationale Anlaufstellen zu errichten, um so die Anwendung der in der MNU-Erklärung niedergelegten Grundsätze auf nationaler Ebene zu fördern. In Deutschland etwa hat die Agentur für Wirtschaft und Entwicklung (angesiedelt im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung) im Rahmen des „Nationalen Aktionsplans Wirtschaft und Menschenrechte“ einen Helpdesk für Fördermöglichkeiten in Entwicklungs- und Schwellenländern eingerichtet. Die Agentur selbst dient Unternehmen und Wirtschaftsorganisationen als Anlaufstelle, um sie über bestehende Dienste, Kontakte und Netzwerke zu informieren.


Unterschiedliche Umsetzung in Industrie- und Entwicklungsländern

Die Umsetzung der MNU-Leitlinien hängt stark von den nationalen Gegebenheiten ab. So verfügen Industrieländer in der Regel über weitreichende nationale Arbeitsgesetze und gut funktionierende Arbeitsverwaltungen, die die Durchsetzung überwachen. Probleme treten vor allem dann auf, wenn Unternehmen die bestehenden Gesetze nicht vollständig einhalten.

Die größten Herausforderungen haben jedoch Entwicklungsländer mit schnell wachsenden Volkswirtschaften. Oft mangelt es an klaren arbeitsrechtlichen Regelungen bzw. an einer effektiven Umsetzung. Hier dient die MNU-Erklärung als Orientierungshilfe, auch weil sie Synergien und Kooperationsmöglichkeiten mit laufenden Initiativen bietet. Der Fokus liegt auf der Einhaltung sowie Durchsetzung von Gesetzen, verbunden mit der Frage, wie Unternehmen ihre gesellschaftliche Verantwortung bei der Formalisierung von Arbeit, der Organisation von Ausbildung, der Ausweitung der sozialen Absicherung und der Schaffung von sicheren und nachhaltigen Arbeitsplätzen wahrnehmen können.

Bewusstsein für die MNU-Erklärung weltweit schärfen

Der ILO-Verwaltungsrat hat eine Reihe von Instrumenten verabschiedet, um die Anwendung der MNU-Erklärung weltweit zu fördern: regionale Folgemaßnahmen, Förderung auf nationaler Ebene durch tripartit ernannte nationale Anlaufstellen sowie Unterstützung auf Länderebene. Darüber hinaus ist die Durchführung gemeinsamer Projekte mit anderen Organisationen, zum Beispiel dem EU-ILO-OECD-Projekt zur Förderung verantwortungsvoller Lieferketten in Asien, ein Weg, die MNU-Erklärung einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Während der G7- und G20-Präsidentschaft hat Deutschland einen wichtigen Input gegeben und damit der MNU-Erklärung im multilateralen Kontext mehr Sichtbarkeit verliehen.