INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Empfehlung 67

Empfehlung betreffend Sicherung des Lebensunterhaltes

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Philadelphia einberufen wurde und am 20. April 1944 zu ihrer sechsundzwanzigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend Sicherung des Lebensunterhaltes, eine Frage, die zum vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form einer Empfehlung erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 12. Mai 1944, die folgende Empfehlung an, die als Empfehlung betreffend Sicherung des Lebensunterhaltes, 1944, bezeichnet wird.

Die Konferenz geht davon aus, daß die Atlantik-Charta "die umfassendste wirtschaftliche Zusammenarbeit aller Nationen" vorsieht, "um für jedermann bessere Arbeitsbedingungen, wirtschaftlichen Fortschritt und soziale Sicherheit zu erzielen".

Sie zieht in Betracht, daß sie durch eine am 5. November 1941 angenommene Entschließung diesem Grundsatz der Atlantik-Charta beigepflichtet und zu seiner Verwirklichung die volle Mitarbeit der Internationalen Arbeitsorganisation zugesichert hat.

Sie vertritt die Auffassung, daß die Sicherung des Lebensunterhaltes einen wesentlichen Bestandteil der sozialen Sicherheit bildet.

Sie weist darauf hin, daß die Internationale Arbeitsorganisation die Entwicklung auf dem Gebiete der Sicherung des Lebensunterhaltes durch folgende Maßnahmen gefördert hat:

Annahme von Übereinkommen und Empfehlungen durch die Internationale Arbeitskonferenz betreffend Entschädigung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten, Krankenversicherung, Mutterschaftshilfe, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenrenten sowie Arbeitslosenhilfe.

Annahme der den Interamerikanischen Sozialversicherungskodex bildenden Entschließungen durch die erste und zweite Arbeitskonferenz der amerikanischen Staaten, Teilnahme einer Delegation des Verwaltungsrates an der ersten Interamerikanischen Konferenz für soziale Sicherheit, welche die Erklärung von Santiago de Chile angenommen hat, und Zustimmung des Verwaltungsrates zur Satzung der Interamerikanischen Konferenz für soziale Sicherheit, die als ständige im Einvernehmen mit dem Internationalen Arbeitsamt tätige Vermittlungsstelle zwischen den Verwaltungen und Einrichtungen für soziale Sicherheit geschaffen worden ist.

Teilnahme des Internationalen Arbeitsamtes in beratender Eigenschaft an der Ausarbeitung von Sozialversicherungssystemen in verschiedenen Ländern sowie weitere Vorkehrungen.

Die Konferenz ist sich bewußt, daß verschiedene Mitglieder die in ihrer Befugnis liegenden Maßnahmen nicht ergriffen haben, um die Wohlfahrt und Entwicklung ihres Volkes zu fördern, obwohl bei ihnen das Bedürfnis nach verbesserten Arbeitsbedingungen, wirtschaftlichem Fortschritt und sozialer Sicherheit besonders groß ist.

Sie erachtet es als in hohem Maß wünschenswert, daß diese Mitglieder so bald wie möglich die notwendigen Schritte unternehmen, um die internationalen Mindestnormen zu erreichen und sie weiter zu entwickeln.

Sie ist der Ansicht, daß schon jetzt weitere Maßnahmen zur Sicherung des Lebensunterhaltes erwünscht sind, und zwar durch Vereinheitlichung oder Koordinierung der Sozialversicherungssysteme, durch Ausdehnung dieser Systeme auf alle Erwerbstätigen und ihre Familien einschließlich der ländlichen Bevölkerung und der selbständig Erwerbstätigen und durch Beseitigung unbilliger Härten.

Sie ist der Auffassung, daß diesem Zweck die Aufstellung bestimmter allgemeiner Grundsätze dienen würde, nach denen sich die Mitglieder der Organisation richten sollten, wenn sie ihre Systeme der Sicherung des Lebensunterhaltes in diesem Sinne auf Grund der bestehenden Übereinkommen und Empfehlungen - bis zur späteren Vereinheitlichung und Erweiterung der Bestimmungen dieser Übereinkommen und Empfehlungen - ausbauen.

Die Konferenz

a) empfiehlt deshalb den Mitgliedern der Organisation, die nachstehend wiedergegebenen allgemeinen leitenden Grundsätze, so rasch es die nationalen Verhältnisse zulassen, schrittweise anzuwenden, indem sie ihr System der Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem fünften Grundsatz der Atlantik-Charta gestalten und dem Internationalen Arbeitsamt entsprechend den Beschlüssen des Verwaltungsrates über die Maßnahmen berichten, die sie in Anwendung der erwähnten allgemeinen leitenden Grundsätze getroffen haben,

b) macht die Mitglieder der Organisation auf die der Konferenz für die Anwendung dieser allgemeinen leitenden Grundsätze unterbreiteten und im Anhang zu dieser Empfehlung enthaltenen Vorschläge aufmerksam.

Leitende Grundsätze

Allgemeines

1. Jedes System der Sicherung des Lebensunterhaltes sollte der Milderung der Armut und der Verhütung von Not dienen, indem es die Mittel zum Lebensunterhalt, die wegen Arbeitsunfähigkeit (einschließlich der durch Alter bedingten) oder der Unmöglichkeit, lohnende Beschäftigung zu finden, oder infolge des Todes des Ernährers ausgefallen sind, angemessen ersetzt.

2. Die Sicherung des Lebensunterhaltes sollte, soweit wie möglich, auf einer obligatorischen Sozialversicherung beruhen, wobei die Versicherten, welche die vorgeschriebenen Bedingungen erfüllen, auf Grund ihrer an eine Versicherungseinrichtung gezahlten Beiträge Leistungen nach Sätzen und in Fällen zu beanspruchen haben, die gesetzlich festgelegt sind.

3. Durch die soziale Fürsorge sollte den Bedürfnissen Rechnung getragen werden, die nicht durch die obligatorische Sozialversicherung gedeckt sind. Bestimmte Personengruppen, namentlich unterhaltsberechtigte Kinder, bedürftige invalide und betagte Personen sowie bedürftige Witwen, sollten berechtigt sein, Fürsorgeunterstützungen in angemessener Höhe und nach bestimmten Sätzen zu beanspruchen.

4. Allen anderen bedürftigen Personen sollte eine den Erfordernissen des Einzelfalles angemessene soziale Fürsorge gewährt werden.

Sozialversicherung

5. Die durch die obligatorische Sozialversicherung gedeckten Fälle sollten alle Fälle umfassen, in denen ein Versicherter wegen Arbeitsunfähigkeit oder der Unmöglichkeit, lohnende Beschäftigung zu finden, verhindert ist, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, oder in denen er stirbt und eine unterhaltsberechtigte Familie hinterläßt. Bestimmte im Zusammenhang mit diesen Fällen stehende und häufig vorkommende Notstände, die eine besondere Belastung für geringfügige Einkommen darstellen, sollten ebenfalls in die Versicherung einbezogen werden, soweit sie nicht auf andere Weise gedeckt sind.

6. In Fällen der Erwerbsunfähigkeit oder Todesfällen, die sich aus der Beschäftigung ergeben, sollte eine Entschädigung vorgesehen werden.

7. Die durch die Versicherung gedeckten Fälle sollten zwecks enger Anpassung der Sozialversicherungsleistungen an die verschiedenen Bedürfnisse wie folgt eingeteilt werden:

a) Krankheit,

b) Mutterschaft,

c) Invalidität,

d) Alter,

e) Tod des Ernährers,

f) Arbeitslosigkeit,

g) Aufwendungen in Notstandsfällen,

h) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

Leistungen bei Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit sollten jedoch nicht gleichzeitig nebeneinander gewährt werden.

8. Neben den Leistungen zum Ausgleich des Verdienstausfalles sollten Zusatzleistungen für jedes der beiden ersten Kinder gewährt werden, während für die weiteren Kinder durch Familienbeihilfen aus öffentlichen Mitteln oder Gemeinschaftskassen gesorgt werden könnte.

9. Der Fall, in dem Krankengeld gewährt werden sollte, besteht im Verdienstausfall wegen Arbeitsbefreiung aus medizinischen Gründen infolge einer akuten Krankheit oder Verletzung, die ärztliche Behandlung oder Überwachung erfordert.

10. Der Fall, in dem Wochengeld gewährt werden sollte, besteht im Verdienstausfall wegen Arbeitsbefreiung während einer bestimmten Zeit vor und nach der Niederkunft.

11. Der Fall, in dem Invaliditätsrente gewährt werden sollte, besteht in der Unfähigkeit, wegen eines chronischen Zustandes, der durch eine Krankheit, eine Verletzung oder den Verlust eines Gliedes oder einer Funktion verursacht worden ist, einer genügend einträglichen Beschäftigung nachzugehen.

12. Der Fall, in dem Altersrente gewährt werden sollte, besteht in der Erreichung eines bestimmten Alters. Es sollte dies das Alter sein, in dem die Fähigkeit zu ergiebiger Arbeitsleistung gewöhnlich verlorengeht, Krankheit und Invalidität sich stark fühlbar machen und etwa bestehende Arbeitslosigkeit dauernd zu werden droht.

13. Der Fall, in dem Hinterbliebenenrenten gewährt werden sollten, besteht im Verlust der zum Lebensunterhalt erforderlichen Mittel, den die Hinterbliebenen vermutlich durch den Tod des Familienhauptes erleiden.

14. Der Fall, in dem Arbeitslosengeld gewährt werden sollte, besteht im Verdienstausfall entweder infolge von Vollarbeitslosigkeit eines Versicherten, der gewöhnlich beschäftigt ist, zu einer regelmäßigen Tätigkeit in einem Beruf fähig ist und sich um eine geeignete Beschäftigung bemüht, oder infolge von Kurzarbeit (Teilarbeitslosigkeit).

15. Für außerordentliche Aufwendungen, die sich bei Krankheit, Niederkunft, Invalidität und Tod ergeben, sollten Leistungen vorgesehen werden, soweit für die Deckung dieser Aufwendungen nicht auf andere Weise gesorgt ist.

16. Der Fall, in dem eine Entschädigung bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit gewährt werden sollte, besteht in einer Verletzung oder einer Krankheit, die sich aus der Berufsausübung ergeben hat und vorübergehende oder dauernde Erwerbsunfähigkeit oder den Tod herbeiführt, soweit die Verletzung oder die Krankheit nicht vorsätzlich oder durch eine schwere und absichtliche Verfehlung des Opfers verursacht worden ist.

17. Die Sozialversicherung sollte ihren Schutz für die in Betracht kommenden Fälle allen Arbeitnehmern und allen selbständigen Erwerbstätigen einschließlich ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen gewähren, soweit es möglich ist, für diese Personen

a) Beiträge ohne unverhältnismäßig hohe Verwaltungskosten zu erheben und

b) Leistungen in Zusammenarbeit mit den Dienststellen des Gesundheitswesens und der Arbeitsmarktverwaltung unter Anwendung der notwendigen Vorsichtsmaßnahmen gegen Mißbrauch auszuzahlen.

18. Dem Arbeitgeber sollte es obliegen, die Beiträge aller von ihm beschäftigten Personen einzuziehen, und er sollte befugt sein, die geschuldeten Beträge bei der Auszahlung der Löhne von diesen abzuziehen.

19. Um die einwandfreie Gewährung der Leistungen zu erleichtern, sollten Vorkehrungen getroffen werden für die Führung von Beitragsverzeichnissen, für die Schaffung einfacher Mittel zur Feststellung von Fällen, aus denen sich die Ansprüche auf die Leistungen herleiten, und für eine gleichgeordnete Organisation der Dienststellen des Gesundheitswesens und der Arbeitsmarktverwaltung, die sich mit Vorbeugungs- und Heilmaßnahmen befassen.

20. Die Arbeitnehmer sollten gegen alle durch die Sozialversicherung gedeckten Fälle versichert werden, sobald sich die Erhebung ihrer Beiträge regeln läßt und die notwendigen Vorkehrungen für die Gewährung der Leistungen getroffen werden können.

21. Die selbständig Erwerbstätigen sollten gegen den Fall der Invalidität, des Alters und des Todes unter denselben Bedingungen wie die Arbeitnehmer versichert werden, sobald sich die Erhebung ihrer Beiträge regeln läßt. Zu erwägen wäre auch die Möglichkeit ihrer Versicherung bei Krankheit und Niederkunft, soweit diese Fälle Krankenhauspflege erfordern, bei Krankheit von mehrmonatiger Dauer und bei außerordentlichen Aufwendungen, die durch Krankheit, Niederkunft, Invalidität oder Tod verursacht sind.

22. Die Leistungen sollten den Verdienstausfall unter gebührender Berücksichtigung des Familienunterhaltes bis zum höchstmöglichen Grad ersetzen, der sich erreichen läßt, ohne den Willen zur Wiederaufnahme der Arbeit, wo eine solche in Betracht kommt, zu schwächen und ohne die produktiven Wirtschaftsgruppen in einer dem Ertrag und der Beschäftigung nachteiligen Weise zu belasten.

23. Die Leistungen sollten nach dem der Beitragsleistung zugrundegelegten früheren Verdienst des Versicherten bemessen werden; jedoch kann der Teil des Verdienstes, der den üblichen Verdienst eines gelernten Arbeitnehmers übersteigt, bei der Festsetzung von Leistungen und Leistungsteilen, die aus anderen Quellen als aus Beiträgen des Versicherten bestritten werden, unberücksichtigt bleiben.

24. Leistungen mit festen Sätzen können in Ländern angemessen sein, in denen die Bevölkerung genügende, wenig kostspielige Möglichkeiten hat, sich einen zusätzlichen Schutz im Weg freiwilliger Versicherung zu verschaffen. Diese Leistungen sollten nach dem Verdienst ungelernter Arbeitnehmer bemessen werden.

25. Der Anspruch auf Leistungen mit Ausnahme solcher für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sollte von Beitragsbedingungen abhängig gemacht werden, die den Nachweis gestatten, daß der Versicherte nach seiner gewöhnlichen beruflichen Stellung Arbeitnehmer oder selbständig Erwerbstätiger ist, und die es ermöglichen, die wünschenswerte Regelmäßigkeit in der Entrichtung der Beiträge aufrechtzuerhalten; jedoch darf der Versicherte nicht deshalb seines Leistungsanspruchs verlustig gehen, weil der Arbeitgeber es unterlassen hat, regelmäßig die fälligen Beiträge des Versicherten einzuziehen.

26. Der Leistungs- und Verwaltungsaufwand sollte gemeinsam von den Versicherten, den Arbeitgebern und den Steuerpflichtigen unter Bedingungen aufgebracht werden, die für die Versicherten nicht unbillig sind, Versicherte mit geringfügigen Mitteln nicht zu sehr belasten und jede Störung der wirtschaftlichen Produktion vermeiden.

27. Die Verwaltung der Sozialversicherung sollte im Rahmen einer allgemeinen Organisation der sozialen Sicherheit vereinheitlicht oder koordiniert werden, und die Beitragspflichtigen sollten mittels ihrer Verbände in den Organen vertreten sein, die über die Richtlinien der Verwaltung Beschluß fassen oder Antrag stellen und Gesetzentwürfe vorschlagen oder sonstige Regelungen ausarbeiten.

Soziale Fürsorge

28. Die Allgemeinheit sollte in der Regel mit den Eltern durch allgemeine Fürsorgeeinrichtungen zusammenarbeiten, die dazu bestimmt sind, das Wohlergehen der unterhaltsberechtigten Kinder zu sichern.

29. Invalide, betagte Personen sowie Witwen, die keine Leistungen der Sozialversicherung beziehen, weil sie oder ihre Ehegatten nicht pflichtversichert waren, und deren Einkommen eine bestimmte Höhe nicht übersteigt, sollten besondere Unterhaltsbeihilfen zu bestimmten Sätzen erhalten.

30. Allen in Not befindlichen Personen sollten ausreichende Beihilfen in bar oder teils in bar und teils in Sachleistungen gewährt werden, soweit diese Personen nicht zur Besserung ihres Zustandes in einer Anstalt untergebracht werden müssen.

Anhang

Leitende Grundsätze und Vorschläge zu ihrer Durchführung

(Die fettgedruckten Absätze enthalten die allgemeinen leitenden Grundsätze und die Unterabsätze die Vorschläge zu ihrer Durchführung.)

Allgemeines

1. Jedes System der Sicherung des Lebensunterhaltes sollte der Milderung der Armut und der Verhütung von Not dienen, indem es die Mittel zum Lebensunterhalt, die wegen Arbeitsunfähigkeit (einschließlich der durch Alter bedingten) oder der Unmöglichkeit, lohnende Beschäftigung zu finden, oder infolge des Todes des Ernährers ausgefallen sind, angemessen ersetzt.

2. Die Sicherung des Lebensunterhaltes sollte, soweit wie möglich, auf einer obligatorischen Sozialversicherung beruhen, wobei die Versicherten, welche die vorgeschriebenen Bedingungen erfüllen, auf Grund ihrer an eine Versicherungseinrichtung gezahlten Beiträge Leistungen nach Sätzen und in Fällen zu beanspruchen haben, die gesetzlich festgelegt sind.

3. Durch die soziale Fürsorge sollte den Bedürfnissen Rechnung getragen werden, die nicht durch die obligatorische Sozialversicherung gedeckt sind. Bestimmte Personengruppen, namentlich unterhaltsberechtigte Kinder, bedürftige invalide und betagte Personen sowie bedürftige Witwen, sollten berechtigt sein, Fürsorgeunterstützungen in angemessener Höhe und nach bestimmten Sätzen zu beanspruchen.

4. Allen anderen bedürftigen Personen sollte eine den Erfordernissen des Einzelfalles angemessene soziale Fürsorge gewährt werden.

I. Sozialversicherung

A. Erfaßte Fälle

Umfang

5. Die durch die obligatorische Sozialversicherung gedeckten Fälle sollten alle Fälle umfassen, in denen ein Versicherter wegen Arbeitsunfähigkeit oder der Unmöglichkeit, lohnende Beschäftigung zu finden, verhindert ist, seinen Lebensunterhalt zu verdienen, oder in denen er stirbt und eine unterhaltsberechtigte Familie hinterläßt. Bestimmte im Zusammenhang mit diesen Fällen stehende und häufig vorkommende Notstände, die eine besondere Belastung für geringfügige Einkommen darstellen, sollten ebenfalls in die Versicherung einbezogen werden, soweit sie nicht auf andere Weise gedeckt sind.

6. In Fällen der Erwerbsunfähigkeit oder Todesfällen, die sich aus der Beschäftigung ergeben, sollte eine Entschädigung vorgesehen werden.

7. Die durch die Versicherung gedeckten Fälle sollten zwecks enger Anpassung der Sozialversicherungsleistungen an die verschiedenen Bedürfnisse wie folgt eingeteilt werden:

a) Krankheit,

b) Mutterschaft,

c) Invalidität,

d) Alter,

e) Tod des Ernährers,

f) Arbeitslosigkeit,

g) Aufwendungen in Notstandsfällen,

h) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

Leistungen bei Invalidität, Alter und Arbeitslosigkeit sollten jedoch nicht gleichzeitig nebeneinander gewährt werden.

8. Neben den Leistungen zum Ausgleich des Verdienstausfalles sollten Zusatzleistungen für jedes der beiden ersten Kinder gewährt werden, während für die weiteren Kinder durch Familienbeihilfen aus öffentlichen Mitteln oder Gemeinschaftskassen gesorgt werden könnte.

Krankheit

9. Der Fall, in dem Krankengeld gewährt werden sollte, besteht im Verdienstausfall wegen Arbeitsbefreiung aus medizinischen Gründen infolge einer akuten Krankheit oder Verletzung, die ärztliche Behandlung oder Überwachung erfordert.

(1) Die Notwendigkeit der Arbeitsbefreiung sollte in der Regel mit Rücksicht auf die Beschäftigung beurteilt werden, die der Versicherte früher ausgeübt hat und die er vermutlich wieder aufnehmen wird.

(2) Die Auszahlung der Leistung kann für die ersten Krankheitstage unterbleiben. Tritt jedoch innerhalb weniger Monate ein Rückfall ein, so sollte keine neue Wartezeit auferlegt werden.

(3) Die Leistung sollte womöglich so lange gewährt werden, bis der Empfänger entweder seine Arbeit wieder aufnehmen kann oder bis er stirbt oder invalide wird. Erscheint es jedoch erforderlich, die Auszahlung der Leistung zeitlich zu beschränken, so sollte die Höchstdauer für den einzelnen Krankheitsfall mindestens sechsundzwanzig Wochen betragen, und es sollten Vorkehrungen getroffen werden, um diese Dauer bei besonderen Krankheiten wie Tuberkulose zu verlängern, die zwar heilbar, aber oft langwierig sind. Während der Anlaufzeit eines Versicherungssystems kann es jedoch notwendig sein, eine kürzere als die genannte Dauer von sechsundzwanzig Wochen vorzusehen.

Mutterschaft

10. Der Fall, in dem Wochengeld gewährt werden sollte, besteht im Verdienstausfall wegen Arbeitsbefreiung während einer bestimmten Zeit vor und nach der Niederkunft.

(1) Jede Frau sollte auf Grund eines ärztlichen Zeugnisses, wonach ihre Niederkunft vermutlich binnen sechs Wochen stattfinden wird, das Recht haben, die Arbeit niederzulegen, und keine Frau sollte vor Ablauf von sechs Wochen nach ihrer Niederkunft zur Arbeit zugelassen werden.

(2) Während dieser Zeit sollte Wochengeld gewährt werden.

(3) Die Arbeitsbefreiung für eine längere Zeit oder bei anderen Anlässen kann aus medizinischen Gründen mit Rücksicht auf den Gesundheitszustand der Berechtigten und die Anforderungen ihrer Arbeit wünschenswert sein. Während dieser Zeit sollte Krankengeld gewährt werden.

(4) Die Gewährung des Wochengeldes kann davon abhängig gemacht werden, daß die Berechtigte von dem ihr und ihrem Kind zur Verfügung gestellten Gesundheitsdienst Gebrauch macht.

Invalidität

11. Der Fall, In dem Invaliditätsrente gewährt werden sollte, besteht in der Unfähigkeit, wegen eines chronischen Zustandes, der durch eine Krankheit, eine Verletzung oder den Verlust eines Gliedes oder einer Funktion verursacht worden ist, einer genügend einträglichen Beschäftigung nachzugehen.

(1) Beschränkt arbeitsfähige Personen sollten dazu angehalten werden, jede für sie geeignete Beschäftigung anzunehmen, wobei den ihnen verbleibenden Kräften und Fähigkeiten, ihrer früher erworbenen Erfahrung und den ihnen zu Gebote stehenden Ausbildungsmöglichkeiten Rechnung zu tragen ist.

(2) Personen, für die solche Beschäftigungen angemessen, aber zur Zeit nicht vorhanden sind, und Personen, die an einem Ausbildungskurs teilnehmen, sollten eine vorübergehende Invaliditätsrente, eine Ausbildungsentschädigung oder, falls sie im übrigen die erforderlichen Voraussetzungen erfüllen, Arbeitslosengeld erhalten.

(3) Personen, für die es keine solche angemessene Beschäftigung gibt, sollten eine Invaliditätsrente erhalten.

(4) Berechtigte, die nachweislich zu regelmäßiger Erwerbsarbeit dauernd unfähig sind, sollten ihre Invaliditätsrente durch gelegentlichen geringfügigen Verdienst ergänzen dürfen.

(5) Richtet sich der Satz der Invaliditätsrente nach dem früheren Verdienst des Versicherten, so sollte ein Leistungsanspruch bestehen, wenn der Behinderte nicht imstande ist, sich bei normaler Anstrengung mindestens ein Drittel des regelmäßigen Verdienstes zu sichern, den voll Leistungsfähige mit gleicher Ausbildung im früheren Beruf des Behinderten erwerben.

(6) Die Invaliditätsrente sollte von dem Tag an, an dem das Krankengeld nicht mehr gewährt wird, für die ganze Dauer der Invalidität ausgezahlt werden, es sei denn, daß eine solche Leistung durch eine Altersrente ersetzt wird, wenn der Berechtigte das Alter für den Anspruch hierauf erreicht.

Alter

12. Der Fall, in dem Altersrente gewährt werden sollte, besteht in der Erreichung eines bestimmten Alters. Es sollte dies das Alter sein, in dem die Fähigkeit zu ergiebiger Arbeitsleistung gewöhnlich verlorengeht, Krankheit und Invalidität sich stark fühlbar machen und etwa bestehende Arbeitslosigkeit dauernd zu werden droht.

(1) Das Mindestalter, bei dessen Erreichung ein Anspruch auf Altersrente entsteht, sollte bei Männern höchstens das vollendete fünfundsechzigste, bei Frauen höchstens das vollendete sechzigste Lebensjahr sein; jedoch kann die Altersgrenze für Personen, die lange Zeit anstrengende und gesundheitsschädliche Arbeit verrichtet haben, herabgesetzt werden.

(2) Wenn die Grundleistung als für den Lebensunterhalt ausreichend erscheint, kann die Gewährung der Altersrente davon abhängig gemacht werden, daß auf jede regelmäßige Erwerbsarbeit verzichtet wird. Wird ein solcher Verzicht verlangt, so sollte ein gelegentlicher und verhältnismäßig geringfügiger Verdienst den Anspruch auf Altersrente nicht ausschließen.

Tod des Ernährers

13. Der Fall, in dem Hinterbliebenenrenten gewährt werden sollten, besteht im Verlust der zum Lebensunterhalt erforderlichen Mittel, den die Hinterbliebenen vermutlich durch den Tod des Familienhauptes erleiden.

(1) Hinterbliebenenrenten sollten gewährt werden a) der Witwe des Versicherten, b) den Kindern, Stiefkindern, Adoptivkindern und - sofern sie zuvor als unterhaltsberechtigt eingetragen worden sind -unehelichen Kindern eines oder einer Versicherten, falls der oder die Versicherte für den Unterhalt der Kinder gesorgt hat, und c) unter Bedingungen, die durch die innerstaatliche Gesetzgebung festzusetzen sind, einer unverheirateten Frau, mit welcher der Versicherte in Gemeinschaft gelebt hat.

(2) Witwenrente sollte einer Witwe gewährt werden, die für den Unterhalt eines Kindes sorgt, für das eine Leistung gewährt wird, oder die beim Tod ihres Ehegatten oder zu einem späteren Zeitpunkt invalide ist oder das Mindestalter für die Beanspruchung einer Altersrente erreicht hat. Eine Witwe, die keine dieser Bedingungen erfüllt, sollte während einer Mindestdauer von einigen Monaten Witwenrente beziehen und im Fall der Arbeitslosigkeit auch weiterhin, bis ihr eine angemessene Beschäftigung angeboten werden kann, nötigenfalls nach entsprechender Ausbildung.

(3) Waisenrente sollte für Kinder gewährt werden, die noch im schulpflichtigen Alter stehen oder das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben und ihre allgemeine oder berufliche Ausbildung fortsetzen.

Arbeitslosigkeit

14. Der Fall, in dem Arbeitslosengeld gewährt werden sollte, besteht im Verdienstausfall entweder infolge von Vollarbeitslosigkeit eines Versicherten, der gewöhnlich beschäftigt ist, zu einer regelmäßigen Tätigkeit in einem Beruf fähig ist und sich um eine geeignete Beschäftigung bemüht, oder infolge von Kurzarbeit (Teilarbeitslosigkeit).

(1) Die Auszahlung der Leistung kann für die ersten Tage der Arbeitslosigkeit, gerechnet von dem Tag, an dem der Anspruch geltend gemacht wird, unterbleiben. Tritt jedoch innerhalb einiger Monate abermals Arbeitslosigkeit ein, so sollte dem Versicherten keine neue Wartezeit auferlegt werden.

(2) Die Leistung sollte so lange gewährt werden, bis dem Versicherten geeignete Arbeit angeboten wird.

(3) Während der ersten Zeit der Arbeitslosigkeit, die unter billiger Berücksichtigung der Umstände des einzelnen Falles zu bemessen ist, sollten lediglich folgende Arbeiten als geeignet betrachtet werden:

a) Beschäftigung im gewöhnlichen Berufszweig des Versicherten ohne Wechsel des Wohnortes und mit Vergütung zum üblichen Lohnsatz, wie er in etwa anwendbaren gesamtarbeitsvertraglichen Regelungen festgelegt ist,

b) eine andere dem Versicherten zumutbare Beschäftigung.

(4) Nach Ablauf dieser ersten Zeit können als geeignete Beschäftigungen gelten

a) Beschäftigung in einem anderen Berufszweig, falls sie dem Versicherten unter Berücksichtigung seiner Kräfte, seiner Fähigkeiten, seiner früher erworbenen Erfahrung und der ihm zu Gebote stehenden Umschulungsmöglichkeiten billigerweise zugemutet werden kann,

b) Beschäftigung mit Wechsel des Wohnortes, falls sich am neuen Wohnort angemessene Unterkunft beschaffen läßt,

c) Beschäftigung unter weniger günstigen Bedingungen, als sie der Versicherte in seinem üblichen Berufszweig und an seinem gewöhnlichen Wohnort in der Regel erhalten hat, falls die ihm angebotenen Bedingungen den allgemein geltenden Normen entsprechen, die in dem Berufszweig und in der Gegend, in der die Beschäftigung angeboten wird, üblich sind.

Aufwendungen in Notstandsfällen

15. Für außerordentliche Aufwendungen, die sich bei Krankheit, Niederkunft, Invalidität und Tod ergeben, sollten Leistungen vorgesehen werden, soweit für die Deckung dieser Aufwendungen nicht auf andere Weise gesorgt ist.

(1) Eine Mutter von unterhaltsberechtigten Kindern, die versichert oder Ehefrau eines Versicherten ist und keine Leistung für Verdienstausfall empfängt, sollte für die Dauer der Krankenhauspflege die notwendige häusliche Hilfe erhalten oder eine Leistung, die es ihr erlaubt, sich eine solche Hilfe zu beschaffen.

(2) Versicherten Frauen und Ehefrauen versicherter Männer sollte bei der Niederkunft ein einmaliger Betrag für die Kosten der Säuglingsausstattung und ähnliche Auslagen ausgezahlt werden.

(3) Empfängern von Invaliditäts- oder Altersrenten, die ständiger Pflege bedürfen, sollte eine besondere Zusatzleistung gewährt werden.

(4) Beim Tod eines Versicherten oder des Ehegatten oder eines unterhaltsberechtigten Kindes eines Versicherten sollte für die Bestattungskosten ein einmaliger Betrag ausgezahlt werden.

Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten

16. Der Fall, in dem eine Entschädigung bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit gewährt werden sollte, besteht in einer Verletzung oder einer Krankheit, die sich aus der Berufsausübung ergeben hat und vorübergehende oder dauernde Erwerbsunfähigkeit oder den Tod herbeiführt, soweit die Verletzung oder die Krankheit nicht vorsätzlich oder durch eine schwere und absichtliche Verfehlung des Opfers verursacht worden ist.

(1) Der Begriff des Arbeitsunfalles ist so auszulegen, daß er Unfälle auf dem Weg zu und von der Arbeitsstätte einschließt.

(2) Ist eine Entschädigung im Fall eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit zu gewähren, so sollten die vorstehenden Bestimmungen nach den folgenden Absätzen angemessen abgeändert werden.

(3) Eine Krankheit, der nur die in bestimmten Berufszweigen beschäftigten Personen häufig unterworfen sind oder die auf einer Vergiftung beruht, welche in bestimmten Berufszweigen verwendete Stoffe hervorrufen, sollte als vermutlich durch den Beruf verursachte Krankheit betrachtet und entschädigt werden, falls der Erkrankte in einem dieser Berufszweige beschäftigt gewesen ist.

(4) Ein Verzeichnis dieser vermutlich durch den Beruf verursachten Krankheiten sollte aufgestellt und von Zeit zu Zeit in einem einfachen Verfahren überprüft werden.

(5) Werden in einem bestimmten Berufszweig eine Mindestdauer der Beschäftigung als Voraussetzung für die Vermutung einer Berufskrankheit und eine Höchstdauer, während der diese Vermutung nach Beendigung der Beschäftigung noch besteht, festgesetzt, so sollte die zur Entstehung und zum Ausbruch der Krankheit notwendige Zeit berücksichtigt werden.

(6) Für vorübergehende Erwerbsunfähigkeit sollte eine Entschädigung unter Bedingungen gewährt werden, die den Bedingungen für das Krankengeld ähnlich sind.

(7) Es sollte die Möglichkeit erwogen werden, eine Entschädigung schon vom ersten Tag vorübergehender Erwerbsunfähigkeit an auszuzahlen, falls die Erwerbsunfähigkeit länger dauert als die Wartezeit.

(8) Bei Verlust oder Verminderung der Erwerbsfähigkeit infolge der Einbuße eines Gliedes oder einer Funktion oder infolge eines durch Unfall oder Krankheit verursachten chronischen Zustandes sollte eine Entschädigung für dauernde Erwerbsunfähigkeit gewährt werden.

(9) Ein dauernd erwerbsunfähiger Versicherter sollte zur Wiederaufnahme der Arbeit in einem für ihn geeigneten Berufszweig gehalten sein, wobei den ihm verbliebenen Kräften und Fähigkeiten, seiner früher erworbenen Erfahrung und den ihm gebotenen Umschulungsmöglichkeiten Rechnung zu tragen ist.

(10) Kann ihm keine Arbeit dieser Art angeboten werden, so sollte er eine endgültige oder vorläufige Entschädigung für volle Erwerbsunfähigkeit erhalten.

(11) Kann ihm eine Arbeit dieser Art angeboten werden, ist aber der Lohn, den er damit bei normaler Anstrengung zu verdienen vermag, wesentlich geringer als der Lohn, den er ohne den Unfall oder die Krankheit vermutlich verdient hätte, so sollte er eine der verminderten Verdienstmöglichkeit entsprechende Entschädigung für teilweise Erwerbsunfähigkeit erhalten.

(12) Bei Einbuße eines Gliedes oder einer Funktion oder bei Entstellung sollte in allen Fällen die Möglichkeit einer angemessenen Entschädigung erwogen werden, selbst wenn keine Verminderung der Erwerbsfähigkeit nachweisbar ist.

(13) Wer der Gefahr einer sich langsam entwickelnden Berufskrankheit ausgesetzt ist, sollte in regelmäßigen Zeitabständen untersucht werden und, falls für ihn ein Berufswechsel angezeigt ist, Anspruch auf eine Entschädigung haben.

(14) Eine Entschädigung für dauernde volle oder teilweise Erwerbsunfähigkeit sollte für die ganze Dauer einer solchen Erwerbsunfähigkeit von dem Zeitpunkt an gewährt werden, in dem die Zahlung einer Entschädigung für vorübergehende Erwerbsunfähigkeit eingestellt wird.

(15) Empfänger einer Entschädigung für dauernde teilweise Erwerbsunfähigkeit sollten unter denselben Bedingungen wie voll Leistungsfähige Anspruch auf andere Leistungen haben, falls die Sätze dieser Leistungen sich nach dem früheren Verdienst des Versicherten richten.

(16) Richten sich die Sätze dieser Leistungen nicht nach dem früheren Verdienst des Versicherten, so kann für die Entschädigung zusammen mit den anderen Leistungen ein Höchstsatz aufgestellt werden.

(17) Eine Hinterbliebenenentschädigung sollte vorbehaltlich der Bestimmungen der folgenden Unterabsätze den unterhaltsberechtigten Angehörigen des Verstorbenen ausgezahlt werden, die sonst Anspruch auf Hinterbliebenenrenten hätten.

(18) Eine Witwe sollte eine Entschädigung während der ganzen Dauer ihrer Witwenschaft erhalten.

(19) Kinder sollten eine Entschädigung bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahr oder, falls sie ihre allgemeine oder berufliche Ausbildung fortsetzen, bis zum vollendeten einundzwanzigsten Lebensjahr erhalten.

(20) Es sollte vorgesehen werden, daß auch andere unterhaltsberechtigte Familienangehörige des Verstorbenen eine Entschädigung erhalten, unbeschadet der Ansprüche der Witwe und der Kinder.

(21) Die Hinterbliebenen eines zu mindestens zwei Dritteln dauernd erwerbsunfähigen Versicherten, der nicht an den Folgen eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit gestorben ist, sollten auf die Grundleistungen für Hinterbliebene Anspruch haben, ohne Rücksicht darauf, ob der Verstorbene die Beitragsbedingungen für eine solche Leistung im Zeitpunkt seines Todes erfüllt hat oder nicht.

B. Zulassung zur Versicherung

Von der Versicherung zu erfassende Personen

17. Die Sozialversicherung sollte ihren Schutz für die in Betracht kommenden Fälle allen Arbeitnehmern und allen selbständig Erwerbstätigen einschließlich ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen gewähren, soweit es möglich ist, für diese Personen

a) Beiträge ohne unverhältnismäßig hohe Verwaltungskosten zu erheben und

b) Leistungen in Zusammenarbeit mit den Dienststellen des Gesundheitswesens und der Arbeitsmarktverwaltung unter Anwendung der notwendigen Vorsichtsmaßnahmen gegen Mißbrauch auszuzahlen.

(1) Unterhaltsberechtigte Ehefrauen, d.h. Ehefrauen, die weder zu den Arbeitnehmern noch zu den selbständig Erwerbstätigen gehören, und unterhaltsberechtigte Kinder, d.h. Personen im schulpflichtigen Alter oder Personen unter achtzehn Jahren, die ihre allgemeine oder berufliche Ausbildung fortsetzen, sollten auf Grund der Versicherung des Ernährers geschützt werden.

Einziehung der Beiträge

18. Dem Arbeitgeber sollte es obliegen, die Beiträge aller von ihm beschäftigten Personen einzuziehen, und er sollte befugt sein, die geschuldeten Beträge bei der Auszahlung der Löhne von diesen abzuziehen.

(1) Ist für irgendeine Gruppe von selbständig Erwerbstätigen die Zugehörigkeit zu einem Berufsverband oder der Besitz eines Zulassungsausweises vorgeschrieben, so kann der Berufsverband oder die den Ausweis ausstellende Behörde mit der Einziehung der Beiträge der betreffenden Personen betraut werden.

(2) Mit der Einziehung der Beiträge der selbständig Erwerbstätigen, die in ein Steuerregister eingetragen sind, kann die zentrale oder örtliche Behörde betraut werden.

(3) Bis zur Schaffung von Stellen, welche die Einziehung der Beiträge gewährleisten, sollte dafür gesorgt werden, daß selbständig Erwerbstätige einzeln oder als Mitglieder von Berufsverbänden freiwillig Beiträge leisten können.

Verwaltungsmaßnahmen für die Gewährung der Leistungen

19. Um die einwandfreie Gewährung der Leistungen zu erleichtern, sollten Vorkehrungen getroffen werden für die Führung von Beitragsverzeichnissen, für die Schaffung einfacher Mittel zur Feststellung von Fällen, aus denen sich die Ansprüche auf die Leistungen herleiten, und für eine gleichgeordnete Organisation der Dienststellen des Gesundheitswesens und der Arbeitsmarktverwaltung, die sich mit Vorbeugungs- und Heilmaßnahmen befassen.

Arbeitnehmer

20. Die Arbeitnehmer sollten gegen alle durch die Sozialversicherung gedeckten Fälle versichert werden, sobald sich die Erhebung ihrer Beiträge regeln läßt und die notwendigen Vorkehrungen für die Gewährung der Leistungen getroffen werden können.

(1) Personen, deren Beschäftigung so unregelmäßig ist oder in ihrer Gesamtdauer vermutlich so kurz sein wird, daß sie einen Anspruch auf die den Arbeitnehmern zukommenden Leistungen kaum begründen dürfte, können hinsichtlich dieser Leistungen von der Versicherung ausgeschlossen werden. Für Personen, die in der Regel nur sehr kurze Zeit bei demselben Arbeitgeber arbeiten, sollten besondere Maßnahmen getroffen werden.

(2) Lehrlinge, die kein Arbeitsentgelt erhalten, sollten gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten versichert werden. Von dem Zeitpunkt an, in dem sie ihre Berufslehre beendigt haben, sollte sich die Entschädigung nach den berufsüblichen Löhnen richten.

Selbständig Erwerbstätige

21. Die selbständig Erwerbstätigen sollten gegen den Fall der Invalidität, des Alters und des Todes unter denselben Bedingungen wie die Arbeitnehmer versichert werden, sobald sich die Erhebung ihrer Beiträge regeln läßt. Zu erwägen wäre auch die Möglichkeit ihrer Versicherung bei Krankheit und Niederkunft, soweit diese Fälle Krankenhauspflege erfordern, bei Krankheit von mehrmonatiger Dauer und bei außerordentlichen Aufwendungen, die durch Krankheit, Niederkunft, Invalidität oder Tod verursacht sind.

(1) Die in häuslicher Gemeinschaft mit dem Arbeitgeber lebenden Familienangehörigen, abgesehen von der unterhaltsberechtigten Ehefrau und den unterhaltsberechtigten Kindern, sollten entweder auf Grund ihrer tatsächlichen Löhne oder, falls diese nicht feststellbar sind, auf Grund des Marktwertes ihrer Dienstleistungen gegen die genannten Fälle versichert werden. Für die Zahlung der hieraus geschuldeten Beiträge sollte der Arbeitgeber aufkommen.

(2) Selbständig Erwerbstätige, deren Verdienst gewöhnlich so gering ist, daß er nur als zusätzliche oder gelegentliche Einnahmequelle betrachtet werden kann oder daß die Zahlung des Mindestbeitrages für sie eine schwere Belastung darstellen würde, sollten vorläufig von der Versicherung ausgeschlossen und darauf verwiesen werden, sich zur Beratung an die Arbeitsmarktverwaltung oder eine für die in Betracht kommende Berufsgruppe etwa bestehende besondere Wohlfahrtseinrichtung zu wenden.

(3) Personen, die nach Ablauf der für die Beanspruchung von Invaliditäts- und Hinterbliebenenrenten vorgeschriebenen Dauer der Beitragszahlung nicht mehr pflichtmäßig als Arbeitnehmer oder als selbständig Erwerbstätige versichert sind, sollten innerhalb einer beschränkten Frist den Willen bekunden dürfen, ihre Versicherung unter denselben Bedingungen wie selbständig Erwerbstätige fortzusetzen; dabei bleiben etwa vorgeschriebene Abweichungen vorbehalten.

C. Leistungssätze und Beitragsbedingungen

Leistungssätze

22. Die Leistungen sollten den Verdienstausfall unter gebührender Berücksichtigung des Familienunterhaltes bis zum höchstmöglichen Grad ersetzen, der sich erreichen läßt, ohne den Willen zur Wiederaufnahme der Arbeit, wo eine solche in Betracht kommt, zu schwächen und ohne die produktiven Wirtschaftsgruppen in einer dem Ertrag und der Beschäftigung nachteiligen Weise zu belasten.

23. Die Leistungen sollten nach dem der Beitragsleistung zugrundegelegten früheren Verdienst des Versicherten bemessen werden; jedoch kann der Teil des Verdienstes, der den üblichen Verdienst eines gelernten Arbeitnehmers übersteigt, bei der Festsetzung von Leistungen und Leistungsteilen, die aus anderen Quellen als aus Beiträgen des Versicherten bestritten werden, unberücksichtigt bleiben.

24. Leistungen mit festen Sätzen können in Ländern angemessen sein, in denen die Bevölkerung genügende, wenig kostspielige Möglichkeiten hat, sich einen zusätzlichen Schutz im Weg freiwilliger Versicherung zu verschaffen. Diese Leistungen sollten nach dem Verdienst ungelernter Arbeitnehmer bemessen werden.

(1) Für ungelernte Arbeitnehmer sollten das Kranken- und das Arbeitslosengeld mindestens 40 vom Hundert des früheren Reinverdienstes des Versicherten betragen, falls er keine Unterhaltspflicht zu erfüllen hat, und mindestens 60 vom Hundert dieses Verdienstes, falls er eine unterhaltsberechtigte Ehefrau oder eine wegen seiner Kinder angestellte Haushälterin hat. Eine Zulage von 10 vom Hundert seines früheren Verdienstes sollte für das erste und für das zweite unterhaltsberechtigte Kind gewährt werden abzüglich der für diese Kinder gegebenenfalls zu zahlenden Familienbeihilfen.

(2) Für Arbeitnehmer mit hohem Verdienst können die oben genannten Hundertsätze des früheren Verdienstes etwas herabgesetzt werden.

(3) Das Wochengeld sollte in jedem Fall für den vollständigen Unterhalt von Mutter und Kind unter gesundheitlich einwandfreien Verhältnissen ausreichen. Es sollte mindestens 100 vom Hundert des üblichen Reinverdienstes ungelernter Arbeitnehmerinnen oder mindestens 75 vom Hundert des früheren Reinverdienstes der Leistungsempfängerin betragen, je nachdem, welcher dieser beiden Beträge der höhere ist. Die Leistung kann jedoch um den Betrag einer gegebenenfalls für das Kind zu zahlenden Familienbeihilfe herabgesetzt werden.

(4) Die Grundleistungen im Fall der Invalidität und des Alters sollten mindestens 30 vom Hundert des üblichen, gemeinhin anerkannten Lohnes für ungelernte männliche Arbeitnehmer im Wohngebiet des Leistungsempfängers betragen, falls dieser keine Unterhaltspflicht zu erfüllen hat, oder mindestens 45 vom Hundert dieses Lohnes, falls er eine unterhaltsberechtigte Ehefrau, der Anspruch auf Witwenrente zustehen würde, oder eine wegen seiner Kinder angestellte Haushälterin hat. Eine Zulage von 10 vom Hundert dieses Lohnes sollte für das erste und das zweite unterhaltsberechtigte Kind gewährt werden abzüglich der für diese Kinder gegebenenfalls zu zahlenden Familienbeihilfen.

(5) Die Grundleistung für Witwen sollte mindestens 30 vom Hundert des üblichen gemeinhin anerkannten Lohnes für ungelernte männliche Arbeitnehmer im Wohngebiet der Leistungsempfängerin betragen. Eine Zulage von 10 vom Hundert dieses Lohnes sollte für das erste, das zweite und das dritte unterhaltsberechtigte Kind gewährt werden abzüglich der für diese Kinder gegebenenfalls zu zahlenden Familienbeihilfen.

(6) Die Grundleistung für Waisen sollte mindestens 20 vom Hundert des üblichen, gemeinhin anerkannten Mindestlohnes ungelernter männlicher Arbeitnehmer betragen abzüglich der für die Waise gegebenenfalls zu zahlenden Familienbeihilfe.

(7) Ist über den Mindestbeitragssatz zur Deckung des Anspruchs auf Grundleistungen im Falle der Invalidität und des Alters sowie an Hinterbliebene hinaus ein zusätzlicher Beitrag entrichtet worden, so kann ein Bruchteil davon dem Versicherten zur Erhöhung der Leistungen nach den Unterabsätzen (4), (5) und (6) gutgeschrieben werden.

(8) In jedem Fall, in dem die Versetzung des Versicherten in den Ruhestand nach Erreichung des Mindestalters stattfindet, in welchem Altersrente beansprucht werden kann, sollte die Grundleistung für den Fall des Alters angemessen erhöht werden.

(9) Die Entschädigung für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sollte mindestens zwei Drittel des als Folge des Schadens wirklich oder schätzungsweise erlittenen Lohnausfalles betragen.

(10) Diese Entschädigung sollte in Form einer Rente gewährt werden, es sei denn, daß die zuständige Stelle eine Kapitalabfindung als vorteilhafter für den Empfänger erachtet.

(11) Renten für dauernde Erwerbsunfähigkeit und Hinterbliebenenrenten sollten laufend an wesentliche Änderungen der Lohnhöhe im früheren Beruf des Versicherten angepaßt werden.

Beitragsbedingungen

25. Der Anspruch auf Leistungen mit Ausnahme solcher für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten sollte von Beitragsbedingungen abhängig gemacht werden, die den Nachweis gestatten, daß der Versicherte nach seiner gewöhnlichen beruflichen Stellung Arbeitnehmer oder selbständig Erwerbstätiger ist, und die es ermöglichen, die wünschenswerte Regelmäßigkeit in der Entrichtung der Beiträge aufrechtzuerhalten; jedoch darf der Versicherte nicht deshalb seines Leistungsanspruchs verlustig gehen, weil der Arbeitgeber es unterlassen hat, regelmäßig die fälligen Beiträge des Versicherten einzuziehen.

(1) Die Beitragsbedingungen für die Gewährung des Krankengeldes, des Wochengeldes und des Arbeitslosengeldes können vorschreiben, daß die Beiträge für mindestens ein Viertel einer bestimmten Zeitspanne - beispielsweise zwei Jahre - vor Eintritt des gedeckten Falles entrichtet worden sind.

(2) Die Beitragsbedingungen für die Gewährung des Wochengeldes können vorschreiben, daß der erste Beitrag mindestens zehn Monate vor dem vermutlichen Zeitpunkt der Niederkunft entrichtet worden ist; jedoch sollte, auch wenn die Beitragsbedingungen nicht erfüllt sind, der Mindestsatz des Wochengeldes für die Dauer der pflichtmäßig vorgeschriebenen Arbeitsbefreiung nach der Niederkunft gewährt werden, wenn sich nach Prüfung des Falles die gewöhnliche berufliche Stellung der Antragstellerin als die einer Arbeitnehmerin erweist.

(3) Die Beitragsbedingungen für die Gewährung der Grundleistungen im Fall der Invalidität und des Alters sowie an Hinterbliebene können vorschreiben, daß die Beiträge für mindestens zwei Fünftel einer bestimmten Zeitspanne - beispielsweise fünf Jahre - vor Eintritt des gedeckten Falles entrichtet worden sind; jedoch sollte der Anspruch auf die Leistung auch durch Entrichtung der Beiträge für mindestens drei Viertel einer bestimmten Zeitspanne - beispielsweise zehn Jahre - oder einer seit dem Beitritt zur Versicherung verflossenen längeren Zeitspanne erworben werden können.

(4) Die Beitragsbedingungen für die Gewährung der Altersrente können vorschreiben, daß der erste Beitrag mindestens fünf Jahre vor Beanspruchung der Leistung entrichtet worden ist.

(5) Der Leistungsanspruch kann vorübergehend aufgehoben werden, wenn der Versicherte vorsätzlich die Entrichtung von Beiträgen, die er für die Zeit einer Tätigkeit als selbständig Erwerbstätiger schuldet, oder die Bezahlung einer ihm für Verzug in der Entrichtung von Beiträgen auferlegten Buße unterläßt.

(6) Das Versicherungsverhältnis eines Versicherten in dem Zeitpunkt, in dem er Anspruch auf Invaliditäts- oder Altersrente erwirbt, sollte während der Dauer des Bezugs dieser Leistungen aufrechterhalten werden, damit ihm im Fall seiner Wiederherstellung der Versicherungsschutz ebenso vollständig gesichert ist wie zu Beginn der Invalidität und damit seine Angehörigen Hinterbliebenenrenten beanspruchen können.

D. Verteilung des Aufwandes

26. Der Leistungs- und Verwaltungsaufwand sollte gemeinsam von den Versicherten, den Arbeitgebern und den Steuerpflichtigen unter Bedingungen aufgebracht werden, die für die Versicherten nicht unbillig sind, Versicherte mit geringfügigen Mitteln nicht zu sehr belasten und jede Störung der wirtschaftlichen Produktion vermeiden.

(1) Der Beitrag des Versicherten sollte denjenigen Bruchteil seines der Berechnung der Leistungen zugrundegelegten Verdienstes nicht übersteigen, der unter Zugrundelegung des geschätzten Durchschnittsverdienstes aller gegen dieselben Fälle versicherten Personen eine Beitragssumme ergibt, deren vermutlicher Barwert gleich dem vermutlichen Barwert der Leistungen ist, auf welche die genannten Personen etwa Anspruch erwerben (unter Ausschluß der Entschädigung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten).

(2) Nach diesem Grundsatz kann den im Hinblick auf dieselben Leistungen zu entrichtenden Beiträgen der Arbeitnehmer und der selbständig Erwerbstätigen in der Regel derselbe Bruchteil des Verdienstes jeder dieser beiden Gruppen zugrunde gelegt werden.

(3) Soweit der Beitrag des Versicherten zu Leistungen in Beziehung steht, die ganz oder teilweise von der Höhe des früheren Verdienstes unabhängig sind, kann für diesen Beitrag ein absoluter Mindestsatz nach dem Mindestsatz des Verdienstes festgesetzt werden, der als angemessene Entlohnung für eine nicht geringfügige Arbeit gelten kann.

(4) Die Arbeitgeber sollten verpflichtet werden, insbesondere durch Zuschüsse zu der Versicherung niedrig entlohnter Arbeitnehmer, mindestens in Höhe der Hälfte des Gesamtaufwandes für die den Arbeitnehmern zustehenden Leistungen aufzukommen, ausgenommen die Entschädigung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.

(5) Der Gesamtaufwand für die Entschädigung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten sollte zu Lasten der Arbeitgeber gehen.

(6) Bei Berechnung der im Hinblick auf die Entschädigung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten zu entrichtenden Beiträge sollte die Möglichkeit einer Abstufung dieser Beiträge nach dem Umfang der Schutzmaßnahmen in den Betrieben erwogen werden.

(7) Die Beitragssätze der Versicherten und der Arbeitgeber sollten möglichst gleichbleibend gehalten werden; zu diesem Zweck sollte eine Ausgleichskasse geschaffen werden.

(8) Der Leistungsaufwand, der nicht durch Beiträge gedeckt werden kann, sollte von der Allgemeinheit getragen werden.

(9) Als Bestandteile des Aufwandes, die von der Allgemeinheit zu tragen wären, können in Betracht kommen

a) Beitragsfehlbeträge infolge der Aufnahme von Personen vorgerückten Alters in die Versicherung,

b) etwaige Belastung aus der Übernahme der Garantie für die Grundleistungen im Fall der Invalidität und des Alters sowie an Hinterbliebene und für ausreichende Wochengelder,

c) Belastung infolge der Weiterzahlung von Leistungen bei Arbeitslosigkeit im Fall lange währender, ausgedehnter Arbeitslosigkeit,

d) Zuschüsse zur Versicherung selbständig Erwerbstätiger, die nur über geringfügige Mittel verfügen.

E. Verwaltung

27. Die Verwaltung der Sozialversicherung sollte im Rahmen einer allgemeinen Organisation der sozialen Sicherheit vereinheitlicht oder koordiniert werden, und die Beitragspflichtigen sollten mittels ihrer Verbände in den Organen vertreten sein, die über die Richtlinien der Verwaltung Beschluß fassen oder Antrag stellen und Gesetzentwürfe vorschlagen oder sonstige Regelungen ausarbeiten.

(1) Die Verwaltung der Sozialversicherung sollte einer einzigen Behörde unterstehen, vorbehaltlich der Teilung der gesetzgeberischen Befugnisse in Bundesstaaten. Diese Behörde sollte mit den Behörden der sozialen Fürsorge, der ärztlichen Betreuung und der Arbeitsmarktverwaltung in einem Koordinationsorgan zur Behandlung von Fragen von gemeinsamem Interesse wie Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit oder der Unfähigkeit, eine Beschäftigung zu finden, in Verbindung stehen.

(2) Die vereinheitlichte Verwaltung der Sozialversicherung sollte die Tätigkeit gesonderter Einrichtungen der Pflichtversicherung oder der freiwilligen Versicherung nicht berühren, die den Zweck haben, die Leistungen für bestimmte Berufsgruppen C wie Bergarbeiter, Seeleute, Beamte, das Personal bestimmter Unternehmungen und Mitglieder von Hilfsvereinen auf Gegenseitigkeit C zwar nicht zu ersetzen, wohl aber zu ergänzen.

(3) Die Vorschriften der Sozialversicherung sollten so gefaßt sein, daß Leistungsempfänger und Beitragspflichtige ihre Rechte und Pflichten leicht verstehen können.

(4) Bei der Aufstellung von Verfahrensregeln, nach denen sich Leistungsempfänger und Beitragspflichtige zu richten haben, sollte vor allem der Grundsatz der Einfachheit beachtet werden.

(5) Zentrale und regionale beratende Organe sollten gebildet werden, in denen Organisationen wie Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Handelskammern, Bauernverbände, Frauenvereine und Kinderschutzgesellschaften vertreten sind. Diesen Organen käme die Aufgabe zu, Vorschläge zur Abänderung der Gesetzgebung und der Verwaltungsmethoden einzubringen und ganz allgemein die Verbindung zwischen der Verwaltung der Sozialversicherung und den Kreisen der Beitragspflichtigen und der Leistungsempfänger aufrechtzuerhalten.

(6) Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten an der Verwaltungstätigkeit auf dem Gebiet der Gewährung von Entschädigungen für Arbeitsunfälle und Berufkrankheiten beteiligt werden; dies gilt insbesondere für die Unfallverhütung und die Bekämpfung der Berufskrankheiten sowie für die Abstufung der Beiträge nach dem Umfang der Schutzmaßnahmen der Betriebe.

(7) Antragsteller sollten bei Streitigkeiten mit der Verwaltungsbehörde über Fragen wie den Leistungsanspruch und das Leistungsausmaß ein Berufungsrecht haben.

(8) Die Berufung sollte vorzugsweise bei Sondergerichten mit Richtern, die in Fragen der Sozialversicherung bewandert sind, und Beisitzern, welche die Gruppe des Antragstellers vertreten, eingelegt werden. Handelt es sich dabei um Arbeitnehmer, so sollen auch die Arbeitgeber vertreten sein.

(9) Ist die Versicherungspflicht oder der Beitragssatz streitig, so sollte der Arbeitnehmer oder der selbständig Erwerbstätige das Recht auf Berufung haben, ebenso der Arbeitgeber, falls es sich um den Arbeitgeberbeitrag handelt.

(10) Die Einheitlichkeit der Auslegung sollte durch ein oberstes Berufungsgericht gewährleistet sein.

II. Soziale Fürsorge

A. Unterhalt von Kindern

28. Die Allgemeinheit sollte in der Regel mit den Eltern durch allgemeine Fürsorgeeinrichtungen zusammenarbeiten, die dazu bestimmt sind, das Wohlergehen der unterhaltsberechtigten Kinder zu sichern.

(1) Öffentliche Beihilfen in bar oder in Sachleistungen oder in beiderlei Gestalt sollten gewährt werden, um das Heranwachsen der Kinder unter gesundheitlich einwandfreien Verhältnissen zu ermöglichen, kinderreiche Familien zu unterstützen und die im Weg der Sozialversicherung zugunsten der Kinder getroffenen Maßnahmen zu ergänzen.

(2) Wird bezweckt, das Heranwachsen der Kinder unter gesundheitlich einwandfreien Verhältnissen zu erleichtern, so sollten die Beihilfen die Gestalt etwa folgender Vergünstigungen annehmen: Kostenlos verabreichte oder verbilligte Nahrungsmittel für Kleinkinder, Schulspeisungen und verbilligte Wohnungen für Familien mit mehreren Kindern.

(3) Wird bezweckt, den Unterhalt kinderreicher Familien zu erleichtern oder die zugunsten der Kinder getroffenen Maßnahmen durch Sachleistungen und im Weg der Sozialversicherung zu ergänzen, so sollten Familienbeihilfen gewährt werden.

(4) Solche Beihilfen sollten ohne Rücksicht auf das Einkommen der Eltern nach einer bestimmten Abstufung gewährt werden. Nach dieser Abstufung sollten die Beihilfen einen wesentlichen Beitrag zu den Kosten des Unterhalts eines Kindes bilden und den Mehraufwendungen, die der Unterhalt älterer Kinder erfordert, Rechnung tragen. Sie sollten mindestens allen Kindern zukommen, für die nicht durch die Sozialversicherung gesorgt ist.

(5) Kann die Erfüllung der Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber unterhaltsberechtigten Kindern nicht erzwungen werden, so sollte die Allgemeinheit die Verantwortung für den Unterhalt solcher Kinder übernehmen.

B. Unterhalt von bedürftigen Invaliden, betagten Personen und Witwen

29. Invalide, betagte Personen sowie Witwen, die keine Leistungen der Sozialversicherung beziehen, weil sie oder ihre Ehegatten nicht pflichtversichert waren, und deren Einkommen eine bestimmte Höhe nicht übersteigt, sollten besondere Unterhaltsbeihilfen zu bestimmten Sätzen erhalten.

(1) Unterhaltsbeihilfen sollten unter anderen gewährt werden

a) den Personen, die zu Berufsgruppen gehören oder in Gebieten wohnen, auf welche die Sozialversicherung noch nicht anwendbar ist oder noch nicht so lange Anwendung findet, als die Dauer der jeweiligen Wartezeit für die Geltendmachung des Anspruchs auf die Grundleistungen im Fall der Invalidität und des Alters sowie an Hinterbliebene beträgt, ebenso wie den Witwen und unterhaltsberechtigten Kindern dieser Personen, und

b) den Personen, die in dem Zeitpunkt, zu dem sie in der Regel in die Versicherung aufgenommen würden, bereits invalide sind.

(2) Die Unterhaltsbeihilfen sollten ausreichen, um den vollen Unterhalt des Empfängers langfristig sicherzustellen. Sie sollten den Lebenshaltungskosten angepaßt werden und können nach städtischen und ländlichen Gegenden abgestuft sein.

(3) Die Unterhaltsbeihilfen sollten den Personen, deren übriges Einkommen eine bestimmte Grenze nicht übersteigt, zum vollen Satz, im übrigen nach einem herabgesetzten Satz, gewährt werden.

(4) Die Bestimmungen dieser Empfehlung, welche die Fälle umschreiben, bei deren Eintritt Invaliditäts-, Alters- und Hinterbliebenenrenten zu gewähren sind, sollten gegebenenfalls auf die Unterhaltsbeihilfen Anwendung finden.

C. Allgemeine Fürsorge

30. Allen in Not befindlichen Personen sollten ausreichende Beihilfen in bar oder teils in bar und teils in Sachleistungen gewährt werden, soweit diese Personen nicht zur Besserung ihres Zustandes in einer Anstalt untergebracht werden müssen.

(1) Der Kreis der Fälle, in denen der Betrag der Beihilfe völlig nach freiem Ermessen festgesetzt wird, sollte entsprechend der verbesserten Abstufung der Fälle von Bedürftigkeit und der Aufstellung von Kostenvoranschlägen für den Lebensunterhalt bei Bedürftigkeit von kürzerer oder längerer Dauer allmählich eingeschränkt werden.

(2) Zur Erzielung einer möglichst nachhaltigen Wirkung kann die Gewährung von Beihilfen davon abhängig gemacht werden, daß der Empfänger die Weisungen des ärztlichen Dienstes und der Arbeitsmarktverwaltung befolgt.