INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 136

Übereinkommen über den Schutz vor den durch Benzol verursachten Vergiftungsgefahren, 1971

Dieses Übereinkommen ist am 27. Juli 1973 in Kraft getreten.
Ort:Genf 
Tagung:56 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 2. Juni 1971 zu ihrer sechsundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend den Schutz vor Gefährdung durch Benzol, eine Frage, die den sechsten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 23. Juni 1971, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Benzol, 1971, bezeichnet wird.



Artikel 1

Dieses Übereinkommen gilt für alle Tätigkeiten, bei denen Arbeitnehmer

a) dem aromatischen Kohlenwasserstoff Benzol (C6H6), im folgenden als „Benzol" bezeichnet,

b) Produkten, deren Benzolgehalt 1 Volumprozent überschreitet, im folgenden als „benzolhaltige Produkte" bezeichnet,

ausgesetzt sind.



Artikel 2

1. In allen Fällen, in denen unschädliche oder weniger gesundheitsschädliche Austauschprodukte zur Verfügung stehen, sind sie anstelle von Benzol oder benzolhaltigen Produkten zu verwenden.

2. Absatz 1 dieses Artikels gilt nicht für

a) die Herstellung von Benzol;

b) die Verwendung von Benzol für chemische Synthesen;

c) die Verwendung von Benzol in Motortreibstoffen;



d) Analysen oder Forschungsarbeiten in Laboratorien.



Artikel 3

1. Die zuständige Stelle in jedem Land kann unter den Bedingungen und innerhalb der Zeitgrenzen, die nach Anhörung der maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, soweit solche bestehen, zu bestimmen sind, zeitweilige Abweichungen von dem in Artikel 1 Buchstabe b) festgelegten Prozentsatz und von den Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 1 dieses Übereinkommens zulassen.

2. In diesem Fall hat das betreffende Mitglied in seinen nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegenden Berichten über die Durchführung des Übereinkommens den Stand seiner Gesetzgebung und Praxis betreffend diese Ausnahmen und die im Hinblick auf die vollständige Durchführung der Bestimmungen des Übereinkommens verwirklichten Fortschritte anzugeben.

3. Nach Ablauf von drei Jahren nach dem erstmaligen Inkrafttreten dieses Übereinkommens hat der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes der Konferenz einen besonderen Bericht über die Durchführung der Absätze 1 und 2 dieses Artikels vorzulegen und darin die Vorschläge zu unterbreiten, die er im Hinblick auf entsprechende Maßnahmen für angebracht erachtet.



Artikel 4

1. Die Verwendung von Benzol und benzolhaltigen Produkten bei bestimmten von der innerstaatlichen Gesetzgebung festgelegten Arbeiten ist zu verbieten.

2. Dieses Verbot hat sich mindestens auf die Verwendung von Benzol und benzolhaltigen Produkten als Löse- oder Verdünnungsmittel zu erstrecken, außer wenn der betreffende Arbeitsvorgang in einem geschlossenen Apparat ausgeführt wird oder andere ebenso sichere Arbeitsmethoden angewendet werden.



Artikel 5

Arbeitshygienische und technische Vorbeugungsmaßnahmen sind zu treffen, um einen wirksamen Schutz der Arbeitnehmer sicherzustellen, die Benzol oder benzolhaltigen Produkten ausgesetzt sind.



Artikel 6

1. In Räumen, in denen Benzol oder benzolhaltige Produkte hergestellt, gehandhabt oder verwendet werden, sind alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um das Entweichen von Benzoldämpfen in die Raumluft der Arbeitsstätten zu verhüten.

2. Sind Arbeitnehmer Benzol oder benzolhaltigen Produkten ausgesetzt, so hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, daß die Benzolkonzentration in der Raumluft der Arbeitsstätten ein Maximum nicht überschreitet, das von der zuständigen Stelle so festzusetzen ist, daß der Höchstwert von 25 Teilen pro Million (80 mg/m3) nicht überschritten wird.

3. Die zuständige Stelle hat Richtlinien darüber zu erlassen, wie bei der Messung der Benzolkonzentration in der Raumluft der Arbeitsstätten vorzugehen ist.



Artikel 7

1. Arbeiten, bei denen Benzol oder benzolhaltige Produkte verwendet werden, sind, soweit durchführbar, in geschlossenen Apparaten auszuführen.

2. Ist die Verwendung geschlossener Apparate nicht möglich, so sind die Arbeitsstätten, in denen Benzol oder benzolhaltige Produkte verwendet werden, mit wirksamen Vorrichtungen auszustatten, durch die die Beseitigung der Benzoldämpfe in dem für den Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer erforderlichen Maße sichergestellt wird.



Artikel 8

1. Arbeitnehmern, deren Haut mit flüssigem Benzol oder mit flüssigen benzolhaltigen Produkten in Berührung kommen könnte, sind zweckentsprechende persönliche Schutzmittel gegen die Gefahr der Resorption von Benzol durch die Haut zur Verfügung zu stellen.



2. Arbeitnehmern, die aus besonderen Gründen Benzolkonzentrationen in der Raumluft der Arbeitsstätten ausgesetzt sein könnten, die das in Artikel 6 Absatz 2 dieses Übereinkommens angegebene Maximum überschreiten, sind zweckentsprechende persönliche Schutzmittel gegen die Gefahr des Einatmens von Benzoldämpfen zur Verfügung zu stellen. Die Einwirkungsdauer ist soweit als möglich zu begrenzen.



Artikel 9

1. Arbeitnehmer, die bei Arbeiten beschäftigt werden sollen, bei denen sie Benzol oder benzolhaltigen Produkten ausgesetzt sind, haben sich den folgenden Untersuchungen zu unterziehen:

a) vor Aufnahme der Beschäftigung einer gründlichen ärztlichen Eignungsuntersuchung einschließlich einer Blutuntersuchung;

b) regelmäßigen Wiederholungsuntersuchungen einschließlich biologischer Untersuchungen mit einer Blutuntersuchung in von der innerstaatlichen Gesetzgebung festgesetzten Zeitabständen.

2. Die zuständige Stelle in jedem Land kann nach Anhörung der maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, soweit solche bestehen, Ausnahmen von der in Absatz 1 dieses Artikels vorgesehenen Verpflichtung für bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern zulassen.



Artikel 10

1. Die in Artikel 9 Absatz 1 dieses Übereinkommens vorgesehenen ärztlichen Untersuchungen sind

a) unter der Verantwortung eines sachkundigen, von der zuständigen Stelle anerkannten Arztes durchzuführen, gegebenenfalls mit Hilfe eines fachlich geeigneten Laboratoriums;

b) in geeigneter Weise zu bescheinigen.

2. Diese ärztlichen Untersuchungen dürfen den Arbeitnehmern keine Kosten verursachen.



Artikel 11

1. Frauen, deren Schwangerschaft ärztlich bescheinigt ist, und stillende Mütter dürfen nicht bei Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie Benzol oder benzolhaltigen Produkten ausgesetzt sind.

2. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen nicht bei Arbeiten beschäftigt werden, bei denen sie Benzol oder benzolhaltigen Produkten ausgesetzt sind. Dieses Verbot braucht sich jedoch nicht auf Jugendliche zu erstrecken, die einen Unterricht oder eine Ausbildung erhalten und unter angemessener fachlicher und ärztlicher Aufsicht stehen.



Artikel 12

Die Aufschrift „Benzol" und die erforderlichen Gefahrensymbole müssen auf jedem Behälter, der Benzol oder benzolhaltige Produkte enthält, deutlich sichtbar sein.



Artikel 13

Jedes Mitglied hat durch zweckentsprechende Maßnahmen dafür zu sorgen, daß jeder Arbeitnehmer, der Benzol oder benzolhaltigen Produkten ausgesetzt ist, geeignete Anweisungen über die Maßnahmen erhält, die zum Schutz der Gesundheit und zur Verhütung von Unfällen oder dann zu treffen sind, wenn Anzeichen einer Vergiftung auftreten.



Artikel 14

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert,

a) hat im Wege der Gesetzgebung oder mittels anderer, den innerstaatlichen Gepflogenheiten und Verhältnissen entsprechender Methoden die zur Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens erforderlichen Maßnahmen zu treffen;

b) hat entsprechend seinen innerstaatlichen Gepflogenheiten die Person oder die Personen zu bezeichnen, die für die Einhaltung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu sorgen haben;

c) verpflichtet sich, geeignete Aufsichtsdienste mit der Überwachung der Durchführung der Bestimmungen dieses Übereinkommens zu beauftragen oder sich zu vergewissern, daß eine angemessene Aufsicht ausgeübt wird.





Artikel 15

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 16

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.



Artikel 17

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.



Artikel 18

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.



Artikel 19

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Maßgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.



Artikel 20

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 21

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 17, vorausgesetzt, daß das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.



Artikel 22

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.