INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 129

Übereinkommen über die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft, 1969

Dieses Übereinkommen ist am 19. Januar 1972 in Kraft getreten.
Ort:Genf 
Tagung:53 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 4. Juni 1969 zu ihrer dreiundfünfzigsten Tagung zusammengetreten ist,

hat von den Bestimmungen der bestehenden internationalen Arbeitsübereinkommen, wie des Übereinkommens über die Arbeitsaufsicht, 1947, das für Gewerbe und Handel gilt, und des Übereinkommens über die Plantagenarbeit, 1958, das eine bestimmte Art landwirtschaftlicher Betriebe erfaßt, Kenntnis genommen,

hält es für wünschenswert, nunmehr internationale Normen über die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft im allgemeinen anzunehmen,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft, eine Frage, die den vierten Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 25. Juni 1969, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Arbeitsaufsicht (Landwirtschaft), 1969, bezeichnet wird.



Artikel 1

1. Im Sinne dieses Übereinkommens bezeichnet der Ausdruck „landwirtschaftlicher Betrieb" jeden Betrieb oder Betriebsteil, der sich mit dem Ackerbau, der Tierhaltung, der Forstwirtschaft, dem Gartenbau, der Erstverarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte durch den Betriebsinhaber oder mit irgendeiner anderen Form der landwirtschaftlichen Tätigkeit befaßt.

2. Nötigenfalls hat die zuständige Stelle nach Anhörung der maßgebenden beteiligten Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, soweit solche bestehen, die Grenze zwischen der Landwirtschaft einerseits und Handel und Gewerbe andererseits so zu bestimmen, daß kein landwirtschaftlicher Betrieb von der innerstaatlichen Arbeitsaufsicht ausgeschlossen bleibt.

3. In allen Fällen, in denen Unklarheit darüber besteht, ob dieses Übereinkommen auf einen Betrieb oder Betriebsteil Anwendung findet, ist die Frage von der zuständigen Stelle zu entscheiden.



Artikel 2

In diesem Übereinkommen umfaßt der Ausdruck „gesetzliche Vorschriften" neben der Gesetzgebung auch die Schiedssprüche und Gesamtarbeitsverträge mit Gesetzeskraft, deren Durchführung die Aufsichtsbeamten sicherzustellen haben.



Artikel 3

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, für das dieses Übereinkommen in Kraft ist, hat eine Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft zu unterhalten.



Artikel 4

Die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft hat alle landwirtschaftlichen Betriebe zu erfassen, in denen Arbeitnehmer oder Lehrlinge beschäftigt sind, ohne Rücksicht auf die Form ihrer Entlohnung und die Art, Form oder Dauer ihres Vertrags.



Artikel 5

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, kann seiner Ratifikation eine Erklärung beifügen, durch die es sich verpflichtet, der Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft auch eine oder mehrere der nachstehend angeführten Gruppen von Personen, die in landwirtschaftlichen Betrieben arbeiten, zu unterstellen:

a) Pächter, die keine fremden Arbeitskräfte beschäftigen, Teilpächter und ähnliche Gruppen landwirtschaftlicher Arbeitskräfte;

b) Personen, die an einem gemeinwirtschaftlichen Betrieb beteiligt sind, wie z.B. Mitglieder einer Genossenschaft;

c) Familienangehörige des Betriebsinhabers im Sinne der innerstaatlichen Gesetzgebung.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann in der Folge dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes eine Erklärung übermitteln, in der es sich verpflichtet, eine oder mehrere der im vorhergehenden Absatz angeführten Personengruppen, die noch nicht durch eine frühere Erklärung erfaßt sind, der Arbeitsaufsicht zu unterstellen.

3. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, hat in seinen nach Artikel 22 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation vorzulegenden Berichten anzugeben, inwieweit den Bestimmungen des Übereinkommens hinsichtlich der in Absatz 1 dieses Artikels erwähnten, nicht durch eine Erklärung erfaßten Personengruppen entsprochen wurde oder entsprochen werden soll.



Artikel 6

1. Die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft hat die Aufgabe,

a) die Durchführung der gesetzlichen Vorschriften über die Arbeitsbedingungen und den Schutz der Arbeitnehmer bei ihrer Arbeit sicherzustellen; dazu gehören Vorschriften über Arbeitszeit, Löhne, wöchentliche Ruhezeit und Urlaub, Unfallverhütung, Gesundheitsschutz und Wohlfahrt, die Beschäftigung von Frauen, Kindern und Jugendlichen und andere damit in Zusammenhang stehende Angelegenheiten, soweit den Aufsichtsbeamten die Sicherstellung der Durchführung der erwähnten Vorschriften obliegt;

b) die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer durch fachliche Information und Beratung über die wirksamsten Mittel zur Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu belehren;

c) die zuständige Stelle von den durch die bestehenden gesetzlichen Vorschriften nicht ausdrücklich erfaßten Mängeln oder Mißbräuchen zu verständigen und ihr Vorschläge zur Verbesserung der Gesetzgebung zu unterbreiten.

2. Die innerstaatliche Gesetzgebung kann den Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft beratende oder Durchführungsaufgaben im Zusammenhang mit den gesetzlichen Vorschriften über die Lebensbedingungen der Arbeitnehmer und ihrer Familien übertragen.

3. Werden den Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft weitere Aufgaben übertragen, so dürfen diese sie weder an der wirksamen Erfüllung ihrer Hauptaufgaben hindern, noch in irgendeiner Weise das Ansehen und die Unparteilichkeit gefährden, deren die Aufsichtsbeamten in ihren Beziehungen zu den Arbeitgebern und den Arbeitnehmern bedürfen.



Artikel 7

1. Soweit es mit den Verwaltungsgepflogenheiten des Mitglieds vereinbar ist, hat die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft der Aufsicht und Kontrolle durch eine zentrale Stelle zu unterstehen.

2. In Bundesstaaten kann als „zentrale Stelle" entweder eine zentrale Stelle auf Bundesebene oder eine zentrale Stelle eines Gliedstaates gelten.

3. Die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft kann z.B. wahrgenommen werden von

a) einer einzigen Arbeitsaufsichtsstelle, die für alle Wirtschaftszweige zuständig ist;

b) einer einzigen Arbeitsaufsichtsstelle, die durch eine entsprechende Ausbildung der Aufsichtsbeamten, die ihre Dienstpflichten in der Landwirtschaft ausüben sollen, für eine funktionelle Spezialisierung sorgt;

c) einer einzigen Arbeitsaufsichtsstelle, die durch Einrichtung eines fachlich qualifizierten Dienstes, dessen Beamte ihre Dienstpflichten in der Landwirtschaft ausüben sollen, für eine institutionelle Spezialisierung sorgt; oder

d) einer auf Landwirtschaftsfragen spezialisierten Aufsichtsstelle, deren Tätigkeit der Oberaufsicht einer zentralen Stelle unterstellt wird, die in bezug auf die Arbeitsaufsicht in anderen Bereichen, wie z.B. im Gewerbe, im Verkehrswesen und im Handel, mit den gleichen Vorrechten ausgestattet ist.



Artikel 8

1. Das Personal der Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft hat aus öffentlichen Beamten zu bestehen, deren Stellung und Beschäftigungsbedingungen ihnen Stetigkeit der Beschäftigung und Unabhängigkeit von Veränderungen in der Regierung und von unzulässigen äußeren Einflüssen verbürgen.

2. Soweit dies mit der innerstaatlichen Gesetzgebung oder Praxis vereinbar ist, können die Mitglieder in ihre Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft Funktionäre oder Vertreter von Berufsverbänden aufnehmen, deren Tätigkeit diejenige des öffentlichen Aufsichtspersonals ergänzt; den betreffenden Personen ist Stetigkeit in der Ausübung ihrer Aufgaben und Unabhängigkeit von unzulässigen äußeren Einflüssen zu verbürgen.



Artikel 9

1. Vorbehaltlich der von der innerstaatlichen Gesetzgebung gegebenenfalls vorgesehenen Bedingungen für die Anstellung im öffentlichen Dienst hat die Anstellung der Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft ausschließlich auf Grund der Befähigung der Anwärter für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erfolgen.

2. Die Art der Feststellung dieser Befähigung ist von der zuständigen Stelle zu bestimmen.

3. Die Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft haben eine geeignete Ausbildung für die Erfüllung ihrer Aufgaben zu erhalten; durch geeignete Maßnahmen ist für eine entsprechende Fortbildung im Laufe ihrer Dienstzeit zu sorgen.



Artikel 10

Zu Aufsichtsbeamten können sowohl Männer als auch Frauen bestellt werden; wenn erforderlich, können den männlichen und den weiblichen Aufsichtsbeamten besondere Aufgaben zugewiesen werden.



Artikel 11

Jedes Mitglied hat die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um der Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft in der den innerstaatlichen Verhältnissen am besten entsprechenden Weise die Mitarbeit befähigter Sachverständiger und Fachleute bei der Lösung von Problemen, die fachliche Kenntnisse erfordern, zu sichern.



Artikel 12

1. Die zuständige Stelle hat geeignete Maßnahmen zu treffen, um die wirksame Zusammenarbeit zwischen der Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft und den staatlichen Dienststellen sowie den öffentlichen oder behördlichen anerkannten Einrichtungen zu fördern, die allenfalls auf ähnlichen Gebieten tätig sein können.

2. Nötigenfalls kann die zuständige Stelle bestimmte Aufsichtsaufgaben auf regionaler oder örtlicher Ebene entweder anderen geeigneten staatlichen Dienststellen oder öffentlichen Einrichtungen als Hilfsorganen übertragen oder diese Stellen oder Einrichtungen bei der Erfüllung dieser Aufgaben mitwirken lassen, sofern dadurch die Durchführung der Grundsätze dieses Übereinkommens nicht beeinträchtigt wird.



Artikel 13

Die zuständige Stelle hat geeignete Maßnahmen zu treffen, um die Zusammenarbeit zwischen den Beamten der Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft und den Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder deren Verbänden, soweit solche bestehen, zu fördern.



Artikel 14

Durch entsprechende Vorkehrungen ist sicherzustellen, daß die Zahl der Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft ausreicht, um die wirksame Ausführung der Aufgaben der Arbeitsaufsicht zu gewährleisten, und daß diese Zahl bestimmt wird unter angemessener Berücksichtigung

a) der Bedeutung der auszuführenden Aufgaben, insbesondere

i) der Zahl, der Natur, der Größe und des Standorts der der Aufsicht unterstellten landwirtschaftlichen Betriebe;

ii) der Zahl und der verschiedenen Kategorien der in diesen Betrieben beschäftigten Personen;

iii) der Zahl sowie der vielgestaltigen und verwickelten Beschaffenheit der gesetzlichen Vorschriften, deren Durchführung sicherzustellen ist;

b) der den Aufsichtsbeamten zur Verfügung gestellten sachlichen Behelfe;

c) der praktischen Voraussetzungen, unter denen Besichtigungen vorgenommen werden müssen, um wirksam zu sein.



Artikel 15

1. Die zuständige Stelle hat die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um den Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft

a) örtliche, entsprechend den Diensterfordernissen ausgestattete und nach Möglichkeit allen Beteiligten zugängliche Amtsräumlichkeiten bereitzustellen, bei deren Standortwahl die geographische Lage der landwirtschaftlichen Betriebe und die Verkehrsverbindungen zu berücksichtigen sind;

b) die für die Ausübung ihrer Aufgaben erforderlichen Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen, wenn zweckdienliche öffentliche Verkehrsmittel fehlen.

2. Die zuständige Stelle hat die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um den Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft alle für die Ausführung ihrer Aufgaben notwendigen Reisekosten und sonstigen Nebenauslagen zu erstatten.



Artikel 16

1. Die mit den erforderlichen Ausweisen versehenen Aufsichtsbeamten müssen befugt sein,

a) jederzeit bei Tag und bei Nacht jede der Aufsicht unterstellte Arbeitsstätte frei und unangemeldet zu betreten;

b) bei Tag alle Räumlichkeiten zu betreten, von denen sie mit gutem Grund annehmen können, daß sie der Aufsicht unterstehen;

c) alle ihnen notwendig erscheinenden Untersuchungen, Prüfungen oder Erhebungen vorzunehmen, um sich von der genauen Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zu überzeugen, und insbesondere

i) den Arbeitgeber, das Personal des Betriebs oder jede andere im Betrieb befindliche Person allein oder in Gegenwart von Zeugen über alle die Durchführung der gesetzlichen Vorschriften betreffenden Angelegenheiten zu befragen;

ii) in der Art, wie sie die innerstaatliche Gesetzgebung vorschreibt, die Vorlage aller durch die Gesetzgebung über die Arbeits- und Lebensbedingungen vorgeschriebenen Bücher, Verzeichnisse oder sonstigen Unterlagen zur Nachprüfung ihrer Übereinstimmung mit den gesetzlichen Vorschriften zu verlangen und Abschriften dieser Unterlagen oder Auszüge aus ihnen anzufertigen;

iii) Proben der verwendeten oder gehandhabten Produkte, Stoffe und Substanzen zum Zwecke von Analysen zu entnehmen und mitzunehmen, wobei jedoch der Arbeitgeber oder sein Vertreter von der Entnahme oder Mitnahme von Produkten, Stoffen oder Substanzen für diesen Zweck zu verständigen ist.

2. Die Aufsichtsbeamten dürfen die Privatwohnung des Betriebsinhabers auf Grund von Absatz 1 Buchstabe a) oder b) dieses Artikels nicht betreten, es sei denn mit dessen Zustimmung oder mit einer von der zuständigen Stelle ausgestellten besonderen Ermächtigung.

3. Bei der Vornahme einer Besichtigung haben die Aufsichtsbeamten dem Arbeitgeber oder dessen Vertreter und den Arbeitnehmern oder deren Vertretern von ihrer Gegenwart Kenntnis zu geben, es sei denn, daß eine solche Verständigung ihrer Ansicht nach die Wirksamkeit der Kontrolle beeinträchtigen könnte.



Artikel 17

Die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft ist in den Fällen und in einer Weise, die von der zuständigen Stelle zu bestimmen sind, an vorbeugenden Überprüfungen neuer Anlagen, neuer Stoffe oder Substanzen und neuer Verfahren zur Handhabung oder Verarbeitung von Produkten zu beteiligen, die die Gesundheit oder Sicherheit gefährden könnten.



Artikel 18

1. Die Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft müssen befugt sein, Maßnahmen zu treffen, um die in einem landwirtschaftlichen Betrieb festgestellten und von ihnen mit gutem Grund als eine Bedrohung der Gesundheit oder der Sicherheit erachteten Mängel an einer Anlage, einer Einrichtung oder in den Arbeitsmethoden, einschließlich der Verwendung gefährlicher Stoffe oder Substanzen, zu beheben.

2. Zu diesem Zweck müssen die Aufsichtsbeamten befugt sein, vorbehaltlich eines etwaigen gesetzlichen Berufungsrechts an eine Gerichts- oder Verwaltungsbehörde anzuordnen oder anordnen zu lassen, daß

a) innerhalb einer bestimmten Frist jene Änderungen der Einrichtungen, Anlagen, Räumlichkeiten, Werkzeuge, Ausrüstungen oder Maschinen ausgeführt werden, die zur genauen Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften zum Schutz der Gesundheit und der Sicherheit notwendig sind; oder

b) bei drohender Gefahr für die Gesundheit oder Sicherheit sofort vollziehbare Maßnahmen getroffen werden, die bis zur Einstellung der Arbeit gehen können.

3. Wenn das in Absatz 2 dieses Artikels vorgesehene Verfahren der Verwaltungs- oder Rechtsordnung des Mitglieds nicht entspricht, müssen die Aufsichtsbeamten befugt sein, bei der zuständigen Stelle die Verfügung von Anordnungen oder sofort vollziehbaren Maßnahmen zu beantragen.

4. Die vom Aufsichtsbeamten beim Besuch eines Betriebs festgestellten Mängel und die von ihm gemäß Absatz 2 dieses Artikels angeordneten oder veranlaßten Maßnahmen oder die Maßnahmen, die er gemäß Absatz 3 dieses Artikels zu beantragen beabsichtigt, sind dem Arbeitgeber und den Vertretern der Arbeitnehmer unverzüglich bekanntzumachen.



Artikel 19

1. Der Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten im Agrarsektor in den Fällen und in der Art zu melden, wie sie die innerstaatliche Gesetzgebung vorschreibt.

2. Soweit möglich sind die Aufsichtsbeamten bei Erhebungen an Ort und Stelle über die Ursachen besonders schwerer Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten hinzuzuziehen, insbesondere wenn es sich um Unfälle oder Krankheiten mit tödlichem Ausgang oder um solche handelt, bei denen mehrere Arbeitnehmer geschädigt wurden.



Artikel 20

Vorbehaltlich der durch die innerstaatliche Gesetzgebung allenfalls vorgesehenen Ausnahmen haben für die Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft folgende Vorschriften zu gelten:

a) sie dürfen an den ihrer Aufsicht unterstellten Betrieben weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt sein;

b) sie müssen unter Androhung geeigneter Strafmaßnahmen oder disziplinarischer Ahndung verpflichtet sein, selbst nach Ausscheiden aus dem Dienst Fabrikations- oder Geschäftsgeheimnisse oder Arbeitsverfahren, die ihnen bei Ausübung ihrer Dienstpflichten etwa zur Kenntnis kommen, nicht preiszugeben;

c) sie haben die Herkunft jeder an sie gerichteten Beschwerde über einen bestehenden Mangel, über eine gefährliche Arbeitsweise oder über eine Verletzung der gesetzlichen Vorschriften als unbedingt vertraulich zu behandeln und dürfen weder dem Arbeitgeber noch dessen Vertreter gegenüber andeuten, daß eine Besichtigung durch eine Beschwerde veranlaßt worden ist.



Artikel 21

Die landwirtschaftlichen Betriebe sind so oft und so gründlich zu besichtigen, wie dies zur Sicherung einer wirksamen Durchführung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften notwendig ist.



Artikel 22

1. Wer gesetzliche Vorschriften, deren Durchführung von den Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft sicherzustellen ist, verletzt oder mißachtet, setzt sich sofortiger gerichtlicher oder administrativer Verfolgung ohne vorherige Verwarnung aus. Die innerstaatliche Gesetzgebung kann jedoch Ausnahmen für die Fälle vorsehen, in denen eine vorherige Aufforderung zur Behebung von Mängeln oder zur Durchführung von Verhütungsmaßnahmen zu erfolgen hat.

2. Es ist dem freien Ermessen der Aufsichtsbeamten zu überlassen, ob sie an Stelle der Einleitung oder Beantragung einer Verfolgung Verwarnungen oder Ratschläge erteilen wollen.



Artikel 23

Sind die Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft nicht selbst zur Einleitung der Verfolgung ermächtigt, so müssen sie befugt sein, Übertretungen der gesetzlichen Vorschriften einer hierfür zuständigen Stelle unmittelbar zu melden.



Artikel 24

Die innerstaatliche Gesetzgebung hat angemessene Zwangsmaßnahmen gegen Übertretung der gesetzlichen Vorschriften, deren Durchführung von den Aufsichtsbeamten für die Landwirtschaft sicherzustellen ist, und gegen die Behinderung der Aufsichtsbeamten bei der Ausübung ihrer Dienstpflichten vorzusehen und wirksam anzuwenden.



Artikel 25

1. Die Aufsichtsbeamten oder die örtlichen Dienststellen der Arbeitsaufsicht sind zu verpflichten, der zentralen Aufsichtsstelle regelmäßig Berichte über die Ergebnisse ihrer Aufsichtstätigkeit in der Landwirtschaft vorzulegen.

2. Diese Berichte sind in der von der zentralen Aufsichtsstelle vorgeschriebenen Weise zu verfassen und haben Gegenstände zu behandeln, die von dieser von Zeit zu Zeit festgesetzt werden; sie sind mindestens so oft, wie es die zentrale Aufsichtsstelle vorschreibt, jedenfalls aber mindestens einmal im Jahr vorzulegen.



Artikel 26

1. Die zentrale Aufsichtsstelle hat einen Jahresbericht über die Tätigkeit der Aufsichtsdienste in der Landwirtschaft, entweder als gesonderten Bericht oder als Teil ihres allgemeinen Jahresberichts, zu veröffentlichen.

2. Diese Jahresberichte sind innerhalb einer angemessenen Frist nach Schluß des Berichtsjahres, jedenfalls aber innerhalb von zwölf Monaten, zu veröffentlichen.

3. Ausfertigungen der Jahresberichte sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes innerhalb von drei Monaten nach ihrer Veröffentlichung zu übermitteln.



Artikel 27

Der von der zentralen Aufsichtsstelle veröffentlichte Jahresbericht hat insbesondere folgende Gegenstände zu behandeln, soweit sie in den Wirkungsbereich dieser Stelle fallen:

a) Gesetze und Verordnungen, für welche die Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft zuständig ist;

b) Personal der Arbeitsaufsicht in der Landwirtschaft;

c) Statistik der der Aufsicht unterstellten landwirtschaftlichen Betriebe und Zahl der darin beschäftigten Personen;

d) Statistik der vorgenommenen Besichtigungen;

e) Statistik der Übertretungen und der verfügten Zwangsmaßnahmen;

f) Statistik der Arbeitsunfälle und deren Ursachen;

g) Statistik der Berufskrankheiten und deren Ursachen.



Artikel 28

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 29

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.



Artikel 30

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum erstenmal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von zehn Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von zehn Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von zehn Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.



Artikel 31

1. Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes gibt allen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation Kenntnis von der Eintragung aller Ratifikationen und Kündigungen, die ihm von den Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.

2. Der Generaldirektor wird die Mitglieder der Organisation, wenn er ihnen von der Eintragung der zweiten Ratifikation, die ihm mitgeteilt wird, Kenntnis gibt, auf den Zeitpunkt aufmerksam machen, in dem dieses Übereinkommen in Kraft tritt.



Artikel 32

Der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes übermittelt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zwecks Eintragung nach Artikel 102 der Charta der Vereinten Nationen vollständige Auskünfte über alle von ihm nach Maßgabe der vorausgehenden Artikel eingetragenen Ratifikationen und Kündigungen.



Artikel 33

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 34

1. Nimmt die Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 30, vorausgesetzt, daß das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.



Artikel 35

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.