INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 42

Übereinkommen über die Entschädigung bei Berufskrankheiten (abgeänderter Wortlaut vom Jahre 1934), 1934

Dieses Übereinkommen ist am 17. Juni 1936 in Kraft getreten.
Ort:Genf 
Tagung:18 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 4. Juni 1934 zu ihrer achtzehnten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die teilweise Abänderung des von der Konferenz auf ihrer siebenten Tagung angenommenen Übereinkommens über die Entschädigung bei Berufskrankheiten, eine Frage, die den fünften Gegenstand ihrer Tagesordnung bildet, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 21. Juni 1934, das folgende Übereinkommen an, das als Abgeändertes Übereinkommen über die Berufskrankheiten, 1934, bezeichnet wird.



Artikel 1

1. Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, Arbeitnehmern, die durch Berufskrankheiten erwerbsunfähig geworden sind, oder ihren Hinterbliebenen eine Entschädigung nach den allgemeinen Grundsätzen seiner innerstaatlichen Gesetzgebung über die Entschädigung bei Betriebsunfällen zu sichern.

2. Die Entschädigungssätze dürfen nicht geringer sein als diejenigen, welche die innerstaatliche Gesetzgebung für die aus Betriebsunfällen herrührenden Schäden vorsieht. Mit dieser Einschränkung steht es jedem Mitglied frei, bei der gesetzlichen Regelung der Entschädigung für die betreffenden Krankheiten und bei der Unterstellung dieser Krankheiten unter die innerstaatliche Gesetzgebung über die Entschädigung bei Betriebsunfällen die zweckdienlichen Änderungen und Anpassungen vorzunehmen.



Artikel 2

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, als Berufskrankheiten die Krankheiten und Vergiftungen zu betrachten, die durch die im nachstehenden Verzeichnis angeführten Stoffe verursacht sind. Dabei wird vorausgesetzt, daß derartige Krankheiten oder Vergiftungen bei Arbeitnehmern auftreten, die in den im Verzeichnis an entsprechender Stelle angeführten Berufen, Gewerben oder Verfahren beschäftigt sind, sofern jene Krankheiten oder Vergiftungen durch die Beschäftigung in einem Betrieb hervorgerufen wurden, welcher der innerstaatlichen Gesetzgebung des Mitgliedes über die Entschädigung bei Betriebsunfällen unterliegt.





VERZEICHNIS

der Erkrankungen und Giftstoffe: der entsprechenden Gewerbe und Verfahren:
Vergiftungen durch Blei, seine Legierungen oder Verbindungen sowie die unmittelbaren Folgen dieser Vergiftungen. Behandlung bleihaltiger Erze,einschließlich bleihaltiger Rückstände in Zinkwerken.
Einschmelzen von altem Zink und Blei zu Barren.
Herstellung von Gegenständen aus geschmolzenem Blei oder bleihaltigen Legierungen.
Polygraphische Gewerbe.
Herstellung von Bleiverbindungen.
Herstellung und Ausbesserung elektrischer Akkumulatoren.
Zubereitung und Verwendung von bleihaltigen Emaillen.
Polieren mit Bleispänen oder bleihaltigen Stoffen.
Anstreicharbeiten, bei denen bleihaltige Streichmittel, Kitte oder Farben zubereitet oder gebraucht werden.
Vergiftungen durch Quecksilber, seine Legierungen oder Verbindungen sowie die unmittelbaren Folgen dieser Vergiftungen. Behandlung von quecksilberhaltigen Mineralien.
Herstellung von Quecksilberverbindungen.
Herstellung von Meß- und Laboratoriumsapparaten.
Zubereitung der Rohstoffe für die Hutmacherei.
Feuervergoldung.
Verwendung von Quecksilberpumpen für die Herstellung von Glühlampen.
Herstellung von Knallquecksilberzündern.
Ansteckung durch Milzbrand. Arbeiten bei milzbrandverseuchten Tieren.
Behandlung von Tierleichen oder tierischen Abfällen.
Ein- und Ausladen sowie Beförderung von Waren.
Silikose mit oder ohne Lungentuberkulose, sofern die Silikose eine entscheidende Ursache der Arbeitsunfähigkeit oder des Todes ist. Von der innerstaatlichen Gesetzgebung als silikosegefährlich anerkannte Gewerbe oder Verfahren.
Vergiftungen durch Phosphor oder seine Verbindungen sowie die unmittelbaren Folgen dieser Vergiftungen. Alle Verfahren, bei denen Phosphor oder seine Verbindungen hergestellt werden.
Vergiftungen durch Arsen oder seine Verbindungen sowie die unmittelbaren Folgen dieser Vergiftungen. Alle Verfahren, bei denen Arsen oder seine Verbindungen hergestellt werden, entweichen oder verwendet werden.
Vergiftungen durch Benzol oder seine Homologen, deren Nitro- und Aminoderivate sowie die unmittelbaren Folgen dieser Vergiftungen. Alle Verfahren, bei denen Benzol oder dessen Homologen oder deren Nitro- und Aminoderivate hergestellt werden, entweichen oder verwendet werden.
Vergiftungen durch die Halogenderivate der Kohlenwasserstoffe der Fettreihe. Alle von der innerstaatlichen Gesetzgebung bezeichneten Verfahren, bei denen Halogenderivate der Kohlenwasserstoffe der Fettreihe hergestellt werden, entweichen oder verwendet werden.
Krankhafte Erscheinungen infolge:
a) Radiums und sonstiger radioaktiver Stoffe,
b) Röntgenstrahlen.
Alle Verfahren, die Personen der Wirkung von Radium, radioaktiven Stoffen oder Röntgenstrahlen aussetzen.
Primärer Hautkrebs. Alle Verfahren, bei denen mit Teer, Pech, Erdpech, Mineralölen, Paraffin oder Verbindungen, Produkten oder Rückständen dieser Stoffe umgegangen wird oder diese verwendet werden.



Artikel 3

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 4

1. Dieses Übereinkommen bindet nur diejenigen Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation, deren Ratifikation durch den Generaldirektor eingetragen ist.

2. Es tritt in Kraft zwölf Monate nachdem die Ratifikationen zweier Mitglieder durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied zwölf Monate nach der Eintragung seiner Ratifikation in Kraft.



Artikel 5

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen sind, teilt der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.



Artikel 6

1. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von fünf Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Internationalen Arbeitsamt ein.

2. Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat und innerhalb eines Jahres nach Ablauf des im vorigen Absatz genannten Zeitraumes von fünf Jahren von dem in diesem Artikel vorgesehenen Kündigungsrecht keinen Gebrauch macht, bleibt für einen weiteren Zeitraum von fünf Jahren gebunden. In der Folge kann es dieses Übereinkommen jeweils nach Ablauf eines Zeitraumes von fünf Jahren nach Maßgabe dieses Artikels kündigen.



Artikel 7

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 8

1. Nimmt die Allgemeine Konferenz ein neues Übereinkommen an, welches das vorliegende Übereinkommen ganz oder teilweise abändert, und sieht das neue Übereinkommen nichts anderes vor, so gelten folgende Bestimmungen:

a) Die Ratifikation des neugefaßten Übereinkommens durch ein Mitglied schließt ohne weiteres die sofortige Kündigung des vorliegenden Übereinkommens in sich ohne Rücksicht auf Artikel 6, vorausgesetzt, daß das neugefaßte Übereinkommen in Kraft getreten ist.

b) Vom Zeitpunkt des Inkrafttretens des neugefaßten Übereinkommens an kann das vorliegende Übereinkommen von den Mitgliedern nicht mehr ratifiziert werden.

2. Indessen bleibt das vorliegende Übereinkommen nach Form und Inhalt jedenfalls in Kraft für die Mitglieder, die dieses, aber nicht das neugefaßte Übereinkommen ratifiziert haben.



Artikel 9

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.