ILOLEX: English display cgi
INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 23

Übereinkommen über die Heimschaffung der Schiffsleute, 1926

Dieses Übereinkommen ist am 16. April 1928 in Kraft getreten.
Ort:Genf 
Tagung:9 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf einberufen wurde und am 7. Juni 1926 zu ihrer neunten Tagung zusammengetreten ist,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Heimschaffung der Schiffsleute, eine Frage, die zum ersten Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt heute, am 23. Juni 1926, das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Heimschaffung der Schiffsleute, 1926, bezeichnet wird, zwecks Ratifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation:



Artikel 1

1. Dieses Übereinkommen findet Anwendung auf alle im Gebiet eines Mitgliedes, welches das Übereinkommen ratifiziert hat, registrierten Seeschiffe und ihre Reeder, Schiffsführer und Schiffsleute.

2. Es findet keine Anwendung

a) auf Kriegsschiffe,

b) auf Staatsschiffe, die nicht der Handelsschiffahrt dienen,

c) auf Schiffe innerstaatlicher Küstenfahrt,

d) auf Lustjachten,

e) auf Fahrzeuge der sogenannten „Indian country craft",

f) auf Fischereifahrzeuge,

g) auf Schiffe mit einem Bruttoraumgehalt von weniger als 100 Tonnen oder 300 Kubikmetern und, sofern es sich um Schiffe im sogenannten „home trade" handelt, mit einem Raumgehalt, der unter der von der innerstaatlichen Gesetzgebung zur besonderen Regelung dieses Schiffahrtszweiges festgesetzten und zur Zeit der Annahme dieses Übereinkommens geltenden Grenze bleibt.



Artikel 2

Im Sinne dieses Übereinkommens sind die nachstehenden Ausdrücke wie folgt zu verstehen:

a) Der Ausdruck „Schiff" umfaßt Schiffe und Boote aller Art, die regelmäßig zur Seeschiffahrt verwendet werden, gleichviel ob sie in öffentlichem oder privatem Eigentum stehen;

b) der Ausdruck „Schiffsmann", umfaßt jede Person, die an Bord beschäftigt oder angestellt und in die Musterrolle eingetragen ist, ohne Rücksicht auf ihre Stellung; ausgenommen sind Schiffsführer, Lotsen, Schulschiffszöglinge und Schiffslehrlinge, sofern letztere durch einen besonderen Lehrvertrag verpflichtet sind, ferner die Besatzung der Kriegsflotte und die sonstigen Personen, die sich im ständigen Staatsdienst befinden;

c) der Ausdruck „Schiffsführer" umfaßt jede Person, die Führer des Schiffes und für das Schiff verantwortlich ist, mit Ausnahme der Lotsen;

d) der Ausdruck „Schiffe im home trade" findet Anwendung auf Schiffe, die den Handelsverkehr zwischen den Häfen eines Landes und eines Nachbarlandes in den von der innerstaatlichen Gesetzgebung gezogenen geographischen Grenzen vermitteln.



Artikel 3

1. Jeder Schiffsmann, der während der Dauer oder bei Beendigung des Vertrages an Land gesetzt wird, hat nach den Vorschriften der innerstaatlichen Gesetzgebung Anspruch auf Rückbeförderung entweder nach seinem Heimatland oder nach dem Anheuerungshafen oder nach dem Ausreisehafen des Schiffes. Die innerstaatliche Gesetzgebung hat die hierfür erforderlichen Vorschriften zu erlassen und insbesondere zu bestimmen, wen die Verpflichtung zur Heimschaffung trifft.

2. Die Verpflichtung zur Heimschaffung gilt als erfüllt, wenn dem Schiffsmann eine angemessene Beschäftigung an Bord eines Schiffes verschafft worden ist, das nach einem der im vorstehenden Absatz bezeichneten Bestimmungsorte fährt.

3. Die Heimschaffung gilt als vollzogen, wenn der Schiffsmann in seiner Heimat, im Anheuerungshafen oder in einem benachbarten Hafen oder im Ausreisehafen des Schiffes an Land gesetzt ist.

4. Die innerstaatliche Gesetzgebung oder, mangels gesetzlicher Vorschriften, der Heuervertrag regelt die Voraussetzungen, unter denen ein ausländischer Schiffsmann, der in einem anderen als seinem Heimatland in den Dienst des Schiffes getreten ist, Anspruch auf Heimschaffung hat. Für die Heimschaffung eines Schiffsmannes, der in seinem Heimatland an Bord gekommen ist, gelten die Bestimmungen der vorhergehenden Absätze.



Artikel 4

Die Kosten der Heimschaffung dürfen dem Schiffsmann nicht auferlegt werden, wenn er zurückgelassen worden ist infolge

a) eines im Schiffsdienst erlittenen Unfalles,

b) eines Schiffbruches,

c) einer Krankheit, die weder auf seinen Vorsatz noch auf seine Fahrlässigkeit zurückzuführen ist,

d) sonstiger unverschuldeter Entlassung.



Artikel 5

1. Die Kosten der Heimschaffung umfassen alle Ausgaben für Beförderung, Unterkunft und Beköstigung des Schiffsmannes während der Reise sowie für seinen Unterhalt bis zu der für seine Abreise festgesetzten Zeit.

2. Wird der Schiffsmann als Mitglied einer Schiffsmannschaft zurückbefördert, so hat er Anspruch auf Entgelt für die von ihm während der Reise geleisteten Dienste.



Artikel 6

Die Behörde des Staates, in dem das Schiff registriert ist, hat in den Fällen, in denen dieses Übereinkommen Anwendung findet, über die Heimschaffung jedes Schiffsmannes ohne Unterschied der Staatsangehörigkeit zu wachen und nötigenfalls die Kosten der Heimschaffung vorzustrecken.



Artikel 7

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 8

1. Dieses Übereinkommen tritt in Kraft, sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation durch den Generaldirektor eingetragen worden sind.

2. Es bindet nur diejenigen Mitglieder, deren Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen ist.

3. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied mit dem Tag in Kraft, an dem seine Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen worden ist.



Artikel 9

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen sind, teilt der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit. Auch gibt er ihnen Kenntnis von der Eintragung der Ratifikationen, die ihm später von anderen Mitgliedern der Organisation mitgeteilt werden.



Artikel 10

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 8 verpflichtet sich jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, die Bestimmungen der Artikel 1, 2, 3, 4, 5 und 6 spätestens am 1. Januar 1928 in Geltung zu setzen und die zu ihrer Durchführung nötigen Maßnahmen zu treffen.



Artikel 11

Jedes Mitglied der Internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es in seinen Kolonien, Besitzungen und Protektoraten nach den Bestimmungen des Artikels 35 der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation anzuwenden.



Artikel 12

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Internationalen Arbeitsamt ein.



Artikel 13

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 14

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.