INTERNATIONALE ARBEITSORGANISATION

Übereinkommen 8

Übereinkommen über die Gewährung einer Entschädigung für Arbeitslosigkeit infolge von Schiffbruch, 1920

Dieses Übereinkommen ist am 16. März 1923 in Kraft
Ort:Genua 
Tagung:2 

Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,

die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes auf den 15. Juni 1920 nach Genua einberufen wurde,

hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die Überwachung der Bestimmungen des Heuervertrages, Arbeitsvermittlung für Schiffsleute, Anwendung des in Washington im November des Vorjahres angenommenen Übereinkommens und der dort aufgestellten Empfehlungen betreffend Arbeitslosigkeit und Arbeitslosenversicherung auf die Schiffsleute, Fragen, die den zweiten Gegenstand der Tagesordnung der Konferenz von Genua bilden, und

dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.

Die Konferenz nimmt das folgende Übereinkommen an, das als Übereinkommen über die Arbeitslosenentschädigung (Schiffbruch), 1920, bezeichnet wird, zwecks Ratifikation durch die Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation:



Artikel 1

1. Im Sinne dieses Übereinkommens umfaßt der Ausdruck „Schiffsmann" alle Personen, die an Bord eines in der Seeschiffahrt verwendeten Schiffes beschäftigt sind.

2. Im Sinne dieses Übereinkommens umfaßt der Ausdruck „Schiff" Schiffe und Boote aller Art, die in der Seeschiffahrt verwendet werden, gleichviel ob sie in öffentlichem oder privatem Eigentum stehen; Kriegsschiffe gehören nicht dazu.



Artikel 2

1. Bei Verlust eines Schiffes durch Schiffbruch hat der Reeder oder derjenige, mit dem der Schiffsmann einen Vertrag über seine Beschäftigung an Bord des Schiffes abgeschlossen hat, jedem auf diesem Schiffe beschäftigten Schiffsmann eine Entschädigung für die Arbeitslosigkeit zu gewähren, die infolge des Verlustes des Schiffes durch Schiffbruch entsteht.

2. Diese Entschädigung ist für jeden Tag tatsächlicher Arbeitslosigkeit des Schiffsmannes zu leisten, und zwar in der Höhe der vertragsmäßig bedungenen Heuer. Doch kann der Gesamtbetrag der an den einzelnen Schiffsmann auf Grund dieses Übereinkommens zu leistenden Entschädigung auf den Betrag der doppelten Monatsheuer beschränkt werden.



Artikel 3

Diese Entschädigungen genießen die gleichen Vorrechte wie die während des Dienstes erworbenen Heueransprüche und können von den Schiffsleuten nach den gleichen Verfahren geltend gemacht werden.



Artikel 4

1. Jedes Mitglied der internationalen Arbeitsorganisation, das dieses Übereinkommen ratifiziert, verpflichtet sich, es für diejenigen seiner Kolonien, Besitzungen und Protektorate, die keine völlige Selbstregierung haben, in Kraft zu setzen, jedoch unter den folgenden Vorbehalten:

a) Die Anwendbarkeit des Übereinkommens darf nicht durch die örtlichen Verhältnisse ausgeschlossen sein;

b) die für die Anpassung des Übereinkommens an die örtlichen Verhältnisse erforderlichen Abänderungen dürfen ihm eingefügt werden.

2. Jedes Mitglied hat dem Internationalen Arbeitsamt sein Vorgehen hinsichtlich seiner einzelnen Kolonien, Besitzungen und Protektorate, die keine völlige Selbstregierung haben, mitzuteilen.



Artikel 5

Die förmlichen Ratifikationen dieses Übereinkommens sind nach den Bestimmungen der Verfassung der Internationalen Arbeitsorganisation dem Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes zur Eintragung mitzuteilen.



Artikel 6

Sobald die Ratifikationen zweier Mitglieder der Internationalen Arbeitsorganisation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen sind, teilt der Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes dies sämtlichen Mitgliedern der Internationalen Arbeitsorganisation mit.



Artikel 7

Dieses Übereinkommen tritt mit dem Tag in Kraft, an dem diese Mitteilung durch den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes stattgefunden hat. Es bindet nur diejenigen Mitglieder, die ihre Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt haben eintragen lassen. In der Folge tritt dieses Übereinkommen für jedes andere Mitglied mit dem Tag in Kraft, an dem seine Ratifikation beim Internationalen Arbeitsamt eingetragen worden ist.



Artikel 8

Vorbehaltlich der Bestimmungen des Artikels 7 verpflichtet sich jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert, seine Bestimmungen spätestens am 1. Juli 1922 in Geltung zu setzen und die zu ihrer Durchführung nötigen Maßnahmen zu treffen.



Artikel 9

Jedes Mitglied, das dieses Übereinkommen ratifiziert hat, kann es nach Ablauf von zehn Jahren, gerechnet von dem Tag, an dem es zum ersten Mal in Kraft getreten ist, durch Anzeige an den Generaldirektor des Internationalen Arbeitsamtes kündigen. Die Kündigung wird von diesem eingetragen. Ihre Wirkung tritt erst ein Jahr nach der Eintragung beim Internationalen Arbeitsamt ein.



Artikel 10

Der Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes hat, sooft er es für nötig erachtet, der Allgemeinen Konferenz einen Bericht über die Durchführung dieses Übereinkommens zu erstatten und zu prüfen, ob die Frage seiner gänzlichen oder teilweisen Abänderung auf die Tagesordnung der Konferenz gesetzt werden soll.



Artikel 11

Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind in gleicher Weise maßgebend.