111. Internationale Arbeitskonferenz: Soziale Gerechtigkeit als zentrales Thema auf der globalen Agenda

Der Generaldirektor der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) Gilbert F. Houngbo fordert eine Koalition für globale soziale Gerechtigkeit anlässlich der 111. Internationale Arbeitskonferenz, die vom 5.-16. Juni 2023 in Genf stattfindet.

Pressemitteilung | 5. Juni 2023
© ILO
GENF - Der Generaldirektor der ILO, Gilbert F. Houngbo, betonte in seiner Rede zur Eröffnung der 111. Tagung der Internationalen Arbeitskonferenz (IAK) die Notwendigkeit, die soziale Agenda systematisch in alle wichtigen internationalen, regionalen und nationalen Politiken und Maßnahmen zu integrieren, um die wachsenden wirtschaftlichen Ungleichheiten zu bekämpfen.

"Meine Botschaft ist einfach. Niemand sollte den Kopf in den Sand stecken, wenn es darum geht, sich den Herausforderungen zu stellen, die die Welt der Arbeit erschüttern. Die vierte industrielle Revolution, die einen radikalen Wandel der Produktionsmethoden verspricht, die demografischen Umwälzungen und die zwingende Notwendigkeit, die Wirtschaft zu dekarbonisieren, sind Chancen für eine bessere Zukunft für uns alle", sagte Generaldirektor Houngbo und ergänzte "Aber gleichzeitig haben 4 Milliarden unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger keinen sozialen Schutz und 214 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verdienen weniger als die Armutsgrenze erfordet. Eine große Zahl von arbeitsplatzschaffenden Kleinst- und Kleinunternehmen ist in Konkurs gegangen. Und wie ist es zu erklären, dass Frauen im Durchschnitt 20 Prozent weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen?"

Um soziale Gerechtigkeit als Grundpfeiler des globalen Aufschwungs zu positionieren und sicherzustellen, dass die Zukunft den Menschen in den Mittelpunkt stellt, betonte der Generaldirektor die Notwendigkeit einer Globalen Koalition für Soziale Gerechtigkeit.

Die Globale Koalition für Soziale Gerechtigkeit werde darauf abzielen, "ökologische, wirtschaftliche und soziale Erwägungen in der globalen Diskussion, auch bei der Reform der internationalen Finanzarchitektur, in Einklang zu bringen" und "für politische Kohärenz und Investitionen in Sozialschutz und menschenwürdige Arbeit einzutreten", so Houngbo.

Bei der Vorstellung seines Berichts Advancing Social Justice (Förderung sozialer Gerechtigkeit) sagte der Generaldirektor: "Angesichts der Gefahr der Spaltung, der Gefahr der Verschanzung und der Gefahr der Polarisierung unterschiedlicher Meinungen haben wir die Pflicht und die moralische Verpflichtung, den Einsatz der Diplomatie zu maximieren, um die Standpunkte verschiedener Gruppen einander näher zu bringen.“

Im Zusammenhang mit seinem Bericht über die Lage der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in den besetzten arabischen Gebieten wies Houngbo darauf hin, dass die Armutsquote im Gazastreifen von 59 Prozent auf 65 Prozent gestiegen ist.

Die Konferenz, an der Arbeitnehmer-, Arbeitgeber- und Regierungsdelegierte aus den 187 Mitgliedstaaten der ILO teilnehmen, wird bis zum 16. Juni tagen. Die Delegierten werden sich mit einer breiten Palette von Themen befassen, die langfristige Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben. Auf der Tagesordnung stehen unter anderem:
  • die Festlegung von Standards für qualitativ hochwertige Lehrstellen.
  • das strategische Ziel des Sozialschutzes (Arbeitsschutz).
  • die Verwirklichung eines gerechten Übergangs zu ökologisch nachhaltigen Volkswirtschaften und Gesellschaften für alle, einschließlich der Berücksichtigung von Industriepolitik und Technologie.
  • Ein Vorschlag für ein Übereinkommen und eine Empfehlung zur teilweisen Überarbeitung von 15 internationalen Arbeitsinstrumenten, nachdem eine sichere und gesunde Arbeitsumgebung in den Rahmen der grundlegenden Prinzipien und Rechte bei der Arbeit der ILO aufgenommen wurde.
  • Die Verwirklichung der Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz, die im Mittelpunkt der Allgemeinen Umfrage des Ausschusses für die Durchführung der Normen steht.
Am ersten Tag der Konferenz wurde Ali Bin Samikh Al-Marri, Arbeitsminister von Katar, zum Präsidenten der Konferenz gewählt, die vom 5. bis 16. Juni stattfinden wird. Die Konferenz wählte außerdem Corina Ajder (Regierungen), Staatssekretärin im Ministerium für Arbeit und Sozialschutz der Republik Moldau, Henrik Munthe (Arbeitgeber) aus Norwegen und Zahoor Awan (Arbeitnehmer) aus Pakistan zu Vizepräsidenten.

"Während wir in den nächsten zwei Wochen vorankommen, müssen wir daran denken, dass ein tripartiter Konsens die Grundlage sowohl für faire und gerechte Ergebnisse als auch für eine wirksame Umsetzung ist, da er die Eigenverantwortung aller beteiligten Akteure schafft. Daher sollten wir uns bei unseren Diskussionen davon leiten lassen. Die Vielfalt und die sich daraus ergebenden Divergenzen können und müssen mit gutem Willen und im Geiste des Konsenses auf der Grundlage des Respekts für alle tragenden Gruppen der ILO überbrückt werden", sagte Renate Hornung-Draus, Sprecherin der Gruppe der Arbeitgeber.

"Wir können viele harte Diskussionen während dieser Konferenz erwarten, aber wir dürfen nie die Herausforderungen außerhalb dieser Mauern aus den Augen verlieren, mit denen die Arbeitnehmer im täglichen Leben konfrontiert sind, sowie die Herausforderungen, vor denen Arbeitgeber und Regierungen stehen, um gerechte Übergänge in eine friedliche und wohlhabende Zukunft zu erreichen, die sich uns manchmal noch entziehen", fügte Catelene Passchier, Sprecherin der Gruppe der Arbeitnehmer, hinzu.

Am 14. und 15. Juni findet ein Weltgipfel der Arbeit statt, der unter dem Motto "Soziale Gerechtigkeit für alle" steht. An Plenarsitzungen und Podiumsdiskussionen nehmen teil: Staats- und Regierungschefs, der Generaldirektor der ILO, Vertretungen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, hochrangige Vertretungen der Vereinten Nationen und weiterer internationaler Organisationen.