Executive Summary: World Employment and Social Outlook: Trends 2022

Nach dem World Employment and Social Outlook Trends 2023 (WESO Trends) bergen nachlassendes globales Beschäftigungswachstum und der Druck auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen die Gefahr, soziale Gerechtigkeit zu untergraben.

Pressemitteilung | 25. Januar 2023

Konjunkturschwäche fördert die Annahme qualitativ schlechter Arbeitsplätze

Nach dem World Employment and Social Outlook Trends 2023 (WESO Trends) bergen nachlassendes globales Beschäftigungswachstum und der Druck auf menschenwürdige Arbeitsbedingungen die Gefahr, soziale Gerechtigkeit zu untergraben.

Genf (ILO News) - Die derzeitige weltweite Konjunkturabschwächung wird mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dazu zwingen, minderwertige, schlecht bezahlte Arbeitsplätze anzunehmen, denen es an Arbeitsplatzsicherheit und sozialem Schutz mangelt. Infolgedessen werden die durch die COVID-19-Krise verschärften Ungleichheiten noch verstärkt, so der aktuelle Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO).

Der World Employment and Social Outlook: Trends 2023 (WESO Trends) der ILO prognostiziert, dass das weltweite Beschäftigungswachstum im Jahr 2023 nur 1,0 Prozent betragen wird, weniger als die Hälfte des Niveaus von 2022. Die weltweite Arbeitslosigkeit wird im Jahr 2023 um etwa 3 Millionen auf 208 Millionen (was einer weltweiten Arbeitslosenquote von 5,8 Prozent entspricht) ansteigen. Der moderate Umfang dieses prognostizierten Anstiegs ist weitgehend auf das knappe Arbeitskräfteangebot in Ländern mit hohem Einkommen zurückzuführen. Dies würde eine Umkehrung des zwischen 2020 und 2022 zu beobachtenden Rückgangs der weltweiten Arbeitslosigkeit bedeuten, so dass die weltweite Arbeitslosigkeit weiterhin 16 Millionen über der Vorkrisen-Benchmark (2019 liegen wird.

Neben der Arbeitslosigkeit bleibt die Qualität der Arbeitsplätze ein zentrales Anliegen, heißt es in dem Bericht, wonach menschenwürdige Arbeit für soziale Gerechtigkeit von grundlegender Bedeutung ist. Ein Jahrzehnt der Fortschritte bei der Armutsbekämpfung geriet während der COVID-19-Krise ins Stocken. Trotz einer sich abzeichnenden Erholung im Jahr 2021 wird sich der Mangel an besseren Arbeitsplätzen wahrscheinlich weiter verschärfen.

Die derzeitige Konjunkturabschwächung bedeutet, dass viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer minderwertige Arbeitsplätze akzeptieren müssen, die oft sehr schlecht entlohnt werden und zudem vom Umfang der Tätigkeit nicht auskömmlich sind. Da zudem die Preise schneller steigen als die nominalen Arbeitseinkommen, besteht die Gefahr, dass die Krise mehr Menschen in die Armut treibt. Dieser Trend verschärft die erheblichen Einkommensrückgänge der COVID-19-Krise, von denen in vielen Ländern die einkommensschwachen Gruppen am stärksten betroffen waren.

In dem Bericht wird auch ein neues, umfassendes Maß für den ungedeckten Bedarf an Beschäftigung ermittelt - die globale Beschäftigungslücke. Dieses Maß umfasst nicht nur Arbeitslose, sondern auch Menschen, die eine Beschäftigung wünschen, aber nicht aktiv nach einem Arbeitsplatz suchen, weil sie entweder entmutigt sind oder andere Verpflichtungen haben, z. B. Betreuungsaufgaben. Die globale Beschäftigungslücke wird 2022 bei 473 Millionen liegen, etwa 33 Millionen über dem Niveau von 2019.

Stagflationsbedingungen bedrohen Produktivität und Erholung des Arbeitsmarktes

Die Verschlechterung auf dem Arbeitsmarkt ist laut WESO Trends vor allem auf die zunehmenden geopolitischen Spannungen und den Ukraine-Konflikt, die ungleichmäßige Erholung von Pandemien und die anhaltenden Engpässe in den globalen Lieferketten zurückzuführen. Zusammen haben diese Faktoren zum ersten Mal seit den 1970er Jahren die Voraussetzungen für eine Stagflation geschaffen, d. h. für eine hohe Inflation bei gleichzeitig niedrigem Wachstum.

Frauen und junge Menschen stehen auf dem Arbeitsmarkt deutlich schlechter da. Weltweit lag die Erwerbsquote von Frauen im Jahr 2022 bei 47,4 Prozent, während sie bei Männern 72,3 Prozent betrug. Dieser Unterschied von 24,9 Prozent bedeutet, dass auf einen nicht erwerbstätigen Mann zwei nicht erwerbstätige Frauen kommen.

Junge Menschen (im Alter von 15 bis 24 Jahren) haben große Schwierigkeiten, einen angemessenen Arbeitsplatz zu finden und zu behalten. Ihre Arbeitslosenquote ist dreimal so hoch wie die der Erwachsenen. Mehr als jeder Fünfte - 23,5 Prozent - der jungen Menschen befindet sich nicht in Beschäftigung, Bildung oder Ausbildung (NEET)

"Der Bedarf an mehr menschenwürdiger Arbeit und sozialer Gerechtigkeit ist eindeutig und dringend. Aber wenn wir diese vielfältigen Herausforderungen bewältigen wollen, müssen wir zusammenarbeiten, um einen neuen globalen Sozialvertrag zu schaffen. Die ILO wird sich für eine globale Koalition für soziale Gerechtigkeit einsetzen, um Unterstützung zu gewinnen, die notwendigen politischen Maßnahmen zu schaffen und uns auf die Zukunft der Arbeit vorzubereiten."
Gilbert F. Houngbo, ILO-Generaldirektor

Aufgrund der Verlangsamung des globalen Beschäftigungswachstums ist nicht zu erwarten, dass die während der COVID-19-Krise entstandenen Verluste vor 2025 wieder aufgeholt werden. Die Verlangsamung des Produktivitätswachstums gibt ebenfalls Anlass zu großer Sorge, da die Produktivität von entscheidender Bedeutung für die Bewältigung der miteinander verknüpften Krisen ist, mit denen die Gesellschaft in Bezug auf Kaufkraft, ökologische Nachhaltigkeit und menschliches Wohlergehen konfrontiert sind.

Erhebliche Unterschiede bei den regionalen Arbeitsmarktprognosen für 2023

Im Jahr 2023 dürften Afrika und die arabischen Staaten ein Beschäftigungswachstum von etwa 3 Prozent oder mehr verzeichnen. Angesichts der wachsenden Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter dürfte die Arbeitslosenquote in beiden Regionen jedoch nur geringfügig sinken (von 7,4 auf 7,3 Prozent in Afrika und von 8,5 auf 8,2 Prozent in den arabischen Staaten).

In Asien und dem pazifischen Raum sowie in Lateinamerika und der Karibik wird ein jährliches Beschäftigungswachstum von etwa 1 Prozent prognostiziert. In Nordamerika wird es im Jahr 2023 nur wenige oder gar keine Beschäftigungszuwächse geben, und die Arbeitslosigkeit wird ansteigen, so der Bericht.
Europa und Zentralasien sind besonders stark von den wirtschaftlichen Auswirkungen des Ukraine-Konflikts betroffen. Während für 2023 ein Beschäftigungsrückgang prognostiziert wird, dürften die Arbeitslosenquoten in diesen Ländern angesichts des begrenzten Wachstums der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter nur leicht ansteigen.