Gleichstellung der Geschlechter

Frauen im Gesundheits- und Pflegesektor verdienen 24% weniger als Männer

Die bisher umfassendste globale Analyse von genderbasierten Einkommensunterschieden im Gesundheits- und Pflegesektor hat herausgefunden, dass Frauen in diesem Sektor mit einem größeren Gender Pay Gap konfrontiert sind als in anderen Sektoren der Wirtschaft.

Pressemitteilung | 13. Juli 2022
© ILO
GENF (ILO-News) – Laut einem neuen Bericht der ILO in Zusammenarbeit mit der WHO verdienen Frauen im Gesundheits- und Pflegesektor im Schnitt rund 24% weniger als ihre männlichen Kollegen und sind in diesem Sektor somit mit größeren Einkommensungleichheiten konfrontiert als in anderen Sektoren der Wirtschaft.

Die bisher weltweit umfassendste Analyse von genderbasierten Einkommensungleichheiten im Gesundheitssektor konstatiert einen Gehaltsunterschied von rund 20 Prozentpunkten, der nach Korrekturen für Faktoren wie Alter, Bildung und Arbeitszeit auf 24 Prozentpunkte anwächst. Dies unterstreicht, dass Frauen für ihre arbeitsmarktrelevanten Eigenschaften im Vergleich zu Männern unterbezahlt sind.

Ein großer Teil der Lohnlücke bleibt unerklärt, vielleicht aufgrund von Diskriminierung gegenüber Frauen, die weltweit einen Anteil von 67% aller Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegesektor stellen. Der Bericht stellt zudem fest, dass Gehälter im Gesundheits- und Pflegesektor im Vergleich zu anderen Sektoren insgesamt niedriger sind. Dieser Umstand deckt sich mit der Beobachtung, dass Gehälter in Sektoren, in denen Frauen den Großteil der Arbeitenden stellen, oft niedriger sind.

Der Bericht „The gender pay gap in the health and care sector: A global analysis in the time of COVID-19“ zeigt auf, dass – selbst unter Bedingungen der COVID-19 Pandemie und der wichtigen Rolle von Arbeitnehmer*innen im Gesundheits- und Pflegebereich zu dieser Zeit – zwischen 2019 und 2020 nur leichte Verbesserungen der Lohngleichheit festzustellen sind.

Gleichzeitig ist eine große Variation zwischen den Lohnlücken in den jeweiligen Ländern zu beobachten. Dies lässt darauf schließen, dass ungleiche Löhne in diesem Sektor nicht unvermeidlich sind und dementsprechend mehr getan werden kann, um diese Lücken zu schließen. Innerhalb von Ländern weisen höhere Entgeltgruppen, in denen Männer überproportional vertreten sind, tendenziell eine größere Lohnlücke auf. Frauen sind hingegen in niedrigeren Entgeltgruppen überrepräsentiert.

Mütter, die im Gesundheits- und Pflegesektor arbeiten scheinen zudem unter zusätzlichen Beschränkungen zu leiden. Während ihrer reproduktiven Jahre steigen Beschäftigungs- und Lohnlücken in diesem Sektor signifikant an und bleiben danach während des verbleibenden Arbeitslebens einer Frau bestehen. Der Report stellt fest, dass eine gerechtere Verteilung von familiären Pflichten zwischen Männern und Frauen in vielen Fällen dazu führen kann, dass Frauen andere beschäftigungsbezogene Entscheidungen treffen.

Die Analyse untersucht außerdem die Faktoren, die hinter der Lohnlücke in diesem Sektor stecken. Unterschiede in Alter, Bildung, Arbeitszeit und die unterschiedlichen Anteile von Männern und Frauen im öffentlichen und privaten Sektor adressieren nur einen Teil des Problems. Laut Bericht können die Gründe, warum Frauen weltweit im Gesundheits- und Pflegesektor weniger verdienen als Männer mit ähnlichen Arbeitsmarkprofilen, zu einem großen Teil nicht durch Arbeitsmarktfaktoren erklärt werden.

„Der Gesundheits- und Pflegesektor leidet generell unter niedriger Bezahlung, hartnäckigen großen Lohnlücken und sehr anspruchsvollen Arbeitsbedingungen. Die COVID-19-Pandemie hat diese Situation deutlich offengelegt und zusätzlich gezeigt, wie wichtig der Sektor und seine Beschäftigten dabei sind, Familien, Gesellschaften und Wirtschaften am Laufen zu halten“, sagte Manuela Tomei, Direktorin der Abteilung für Arbeitsbedingungen und Gleichstellung bei der ILO. „Es wird keine inklusive, resiliente und nachhaltige Erholung ohne einen stärkeren Gesundheits- und Pflegesektor geben. Wir können keine besseren Gesundheits- und Pflegedienstleistungen bekommen, ohne bessere und fairere Arbeitsbedingungen zu schaffen. Dies schließt faire Löhne für Beschäftigte - ein Großteil von ihnen Frauen - im Gesundheits- und Pflegesektor ein. Die Zeit ist reif für entschlossenes politisches Handeln, darunter der notwendige politische Dialog zwischen Institutionen. Wir hoffen, dass dieser detaillierte und maßgebende Bericht den Dialog und das Handeln anregen wird, die es braucht, um einen Wandel zu schaffen.“

„Frauen stellen die Mehrheit aller Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegesektor. Trotzdem führen systematische Ungleichbehandlungen in viel zu vielen Ländern zu einer schädlichen Benachteiligung ihnen gegenüber“, sagte Jim Campbell, WHO-Direktor für Arbeitskräfte im Gesundheitssektor. „Die Beweise und die Analyse in diesem bahnbrechenden Bericht müssen Regierungen, Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen dazu anleiten, effektive Maßnahmen zu ergreifen. Erfreulicherweise weisen uns Erfolgsgeschichten in einigen Ländern den Weg; darunter fallen zum Beispiel Lohnerhöhungen und politisches Engagement für Lohngleichheit.“