Die COVID-19 Pandemie kann ein Beschleuniger von Kinderarbeit werden – so ILO und UNICEF

Kinderarbeit ist seit 2000 um 94 Millionen zurückgegangen - ein Erfolg, der infolge der COVID-19 Pandemie in Gefahr ist. Wirtschaftlicher Abschwung, zunehmende Informalität und Arbeitslosigkeit können zu einem erheblichen Anstieg von Kinderarbeit führen.

Nachricht | 12. Juni 2020


New York/Genf (ILO News) – Die gesundheitlichen und ökonomischen Folgen der COVID-19 Pandemie haben das Potenzial, den Fortschritt der letzten 20 Jahre im Kampf gegen Kinderarbeit ins Gegenteil zu verkehren.  Millionen Kinder sind verstärkt der Gefahr von Kinderarbeit ausgesetzt. Es muss jetzt gehandelt werden, um dies zu verhindern. Zu diesem Ergebnis kommen die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) und das Kinderhilfswerks der Vereinten Nationen (UNICEF) in der gemeinsame Veröffentlichung „COVID-19 and child labour: A time of crisis, a time to act“.

In der Studie werden lokale Krisen der vergangenen Jahre und deren Auswirkungen auf Kinderarbeit analysiert. Im Lichte verschiedener staatlicher Maßnahmen wird gezeigt, unter welchen Krisenbedingungen Kinderarbeit zunimmt und welche Sofortmaßnahmen geeignet sind, dies zu verhindern.

Der Verlust der Einkommen, die Unterbrechung von Geldströmen im Ausland lebender Familienmitglieder, mögliche Kreditkrisen und gesundheitlich bedingte Arbeitsausfälle unter COVID-19 führen vermehrt dazu, dass man auf Kinder als Arbeitskraft zurückgreifen wird. Ein Anstieg der Armut um ein Prozentpunkt könnte zu einer Zunahme der Kinderarbeit um bis zu 0,7 Prozentpunkte führen.

Als 1990 die Preise für Kakao in Folge einer Krise an der Elfenbeinkünste fielen, ging die Zahl an arbeitenden Kindern unter 14 Jahren hoch. Es zeigte sich,  dass in Regionen mit Sozialem Basisschutz Kinderarbeit nicht in dem Ausmaß anstieg, wie in Regionen ohne staatliche Unterstützung. Wenn in einer solchen Situation Soziale Sicherungssysteme vorhanden sind, wie im Beispiel stark sinkender Kaffeepreise in Zentralamerika 2000/1, können diese Trends aufgehalten werden.


Soziale Absicherung in Krisenzeiten ist lebensnotwendig, besonders gefährdete Gruppen brauchen schnell Hilfe."

Guy Ryder, ILO Director-General
"Ohne Unterstützungsleistungen vernichtet die Pandemie das Familieneinkommen. Somit geraten Familien in wirtschaftliche Notlagen, so dass Kinder vermehrt in Kinderarbeit gedrängt werden", so Guy Ryder, der Generaldirektor der ILO. „Soziale Absicherung in Krisenzeiten ist lebensnotwendig, besonders gefährdete Gruppen brauchen schnell Hilfe.“

Eine weitere Beobachtung vergangener Krisen: wenn Löhne sanken, wurden Einkommensausfälle mit Mehrarbeit kompensiert – auch mit Hilfe von Kindern. Dies zeigt sich in Guatemala, Indien, Mexico und der Vereinigten Republik Tansania.

Abschaffung oder Minderung von Schulgebühren hilft zur Gegensteuerung, wie geschehen in El Salvador– die Zahl der Kinderarbeiter blieb dort unter einer ökonomischen Krise konstant.

Um Lohnausfälle zu kompensieren, wird vor allem informell gearbeitet – dies potenziell auch unter Einbeziehung von Kindern. Gerade dort, wo Produktion in Privathaushalte verlegt wird, arbeiten Kinder ihren Eltern zu und unterstützen die heimische Erzeugung. Diese Verlagerung konnte man in Ländern wie Malawi, den Philippinen und Sambia in Folge von Krisen beobachten.

Einen gegenläufigen Verlauf fand unter der Ebola Krise in Sierra Leone statt. Hier wurden selbständige Bauern, darunter viele Kinder, auf Grund des Lockdowns nach Hause geschickt. Neu entstandene Strukturen greifen heute in der Region weniger oft auf Kinder zurück – ein Positivbeispiel.

Zu den Lockdown Maßnahmen gehören auch Schulschließungen, die gegenwärtig 1.6 Milliarden Schülerinnen und Schüler weltweit betreffen. In manchen Fällen, wie nach dem Tsunami in Indonesien kehrten vor allem Kinder reicherer Familien schneller zurück in die Schule.  Allerdings zeigt sich in anderen Beispielen wie der Finanzkrise in Indonesien oder dem Ebola Ausbruch in Sierra Leone, dass ein Zurück zur Normalität des Schulalltags für Schüler aller Einkommensgruppen möglich sein kann. 

Der Report schlägt Maßnahmen vor, um der Bedrohung zunehmender Kinderarbeit entgegenzuwirken, darunter umfassender Sozialschutz, leichterer Zugang zu Krediten für arme Haushalte, Förderung menschenwürdiger Arbeit für Erwachsene, Maßnahmen, um Kinder wieder in die Schule zu schicken, einschließlich der Abschaffung der Schulgebühren und mehr Mittel für Arbeitsaufsicht und Rechtsdurchsetzung.

„Der Kampf gegen Kinderarbeit gelingt nur durch eine gemeinsame Kraftanstrengung aller Politikbereiche, angefangen von Bildung, Sozialschutz, über Justiz, Arbeitsmarkt, bis hin zu internationalen Menschen- und Arbeitsrechten“, so Guy Ryder.

Hochwertige Bildung, Sozialer Schutz und bessere wirtschaftliche Chancen sind Schlüssel zur Veränderung"

Henrietta Fore, UNICEF Executive Director

„Wenn wir die Welt nach der Pandemie neu gestalten wollen, müssen wir dafür sorgen, dass Kinder und ihre Familien über die lebensnotwendigen Mittel verfügen, um besser auf derartige Krisen vorbereitet zu sein. Hochwertige Bildung, Sozialer Schutz und bessere wirtschaftliche Chancen sind Schlüssel zur Veränderung", so Henrietta Fore, UNICEF-Exekutivdirektorin.

Mit Ausblick auf die kommenden Monate wird es vor allem auch eine Herausforderung sein, alle Kinder wieder in Schulen zu unterrichten. Gerade Kinder, die zwischenzeitlich arbeiten mussten und nun ein Lerndefizit haben, müssen an ihrem Wissensstand abgeholt werden. Nur so wird der Mehrwert der Bildung für diese Familien sichtbar.

Damit Staaten, die nicht über den fiskalische Spielraum verfügen, Soforthilfen und langfristige Maßnahmen wie Sozialhilfe und Steuererleichterungen einführen, hat  UN Generalsekretär Antonio Guterres die internationale Gemeinschaft dazu aufgerufen, diesen Staaten eine ausreichende Liquidität bereitzustellen.

Die ILO und UNICEF entwickeln derzeit außerdem ein Simulationsmodell, um die Auswirkungen von COVID-19 auf die Kinderarbeit weltweit zu untersuchen. Neue globale Schätzungen zur Kinderarbeit werden 2021 veröffentlicht werden.
 

Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:

Rosalind Yarde, yarde@ilo.org, newsroom@ilo.org
Helen Wylie, UNICEF New York, Tel: +1 917 244 2215, hwylie@unicef.org

Über die ILO
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