Internationaler Frauentag 2019

Geschlechtsspezifische Unterschiede am Arbeitsplatz halten sich hartnäckig – aber Lösungen sind deutlich

Geschlechtsspezifische Unterschiede am Arbeitsplatz bestehen seit 20 Jahren, nennenswerte Fortschritte sind nicht zu erkennen. Ein neuer ILO-Bericht zeigt Lösungen.

Nachricht | 8. März 2019
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GENEVA (ILO News) - Die Arbeitswelt der Zukunft, in der Frauen nicht länger benachteiligt sind, kann nur durch entschlossenes Handeln erreicht werden. Der neue ILO-Bericht „A Quantum leap for gender equality: For a better future of work for all“, veröffentlicht zum Internationalen Frauentag, fordert einen Quantensprung im Handeln, um dieses Ziel zu erreichen. Der Bericht resümiert die Arbeit der Jahrhundertinitiative „Frauen in der Arbeitswelt“
   
In den letzten 27 Jahren ist der Unterschied der Erwerbsquote von Frauen und Männern um weniger als zwei Prozent gesunken. 2018 ist die Wahrscheinlichkeit für Frauen erwerbstätig zu sein, immer noch um 26 Prozent geringer als für Männer.

Diese Erkenntnis steht im Gegensatz zu den Wünschen von Frauen. Der ILO-Gallup Bericht zur Akzeptanz von Frauenerwerbstätigkeit bei Männern und Frauen zeigt, dass 70 Prozent der Frauen einer bezahlten Erwerbstätigkeit nachgehen möchten anstatt zu Hause zu bleiben. Dies wird von den befragten Männern ebenso gesehen.

Zwischen 2005 und 2015 ist zudem die Differenz der Erwerbsbeteiligung von Frauen mit jungen Kindern (6 Jahre und jünger) im Vergleich zur Erwerbsbeteiligung von Frauen ohne kleine Kinder signifikant um 38 Prozent gestiegen. Mutterschaft zahlt sich negativ auf Beschäftigung aus.

Frauen besetzen immer noch – seit 30 Jahren - selten Spitzenpositionen. Weniger als ein Drittel der Führungskräfte sind Frauen, obwohl ihre Bildung oft besser ist, als die der männlichen Kollegen. Die Ergebnisse zeigen, dass Bildung nicht das Haupthindernis für niedrigere Frauenerwerbsbeteiligung und schlechtere Bezahlung ist: Frauen erzielen durch Bildung keine den Männern vergleichbare Dividende. Nur 25 Prozent der Frauen in Führungspositionen haben Kinder unter sechs Jahren, der Anteil steigt auf 31 Prozent bei Frauen ohne Kleinkinder.

Das geschlechtsspezifische Lohngefälle liegt im Durchschnitt bei 20 Prozent weltweit. Mütter machen die Erfahrung einer „Mutterschafts-Einkommens-Einbuße“ im Arbeitsleben, während Männer Lohnaufschläge erhalten.


Eine Reihe von Faktoren blockiert Geschlechtergleichheit am Arbeitsplatz, ein entscheidender Faktor ist die Betreuung von Familienangehörigen“.

Manuela Tomei, Direktorin, ILO-Department für Arbeitsbedingungen und Geschlechtergerechtigkeit
„Eine Reihe von Faktoren blockiert Geschlechtergleichheit am Arbeitsplatz, ein entscheidender Faktor ist die Betreuung von Familienangehörigen“, so Manuela Tomei, Direktorin für Arbeitsbedingungen und Geschlechtergerechtigkeit,  „in den letzten 20 Jahren hat sich die Zeit, die Frauen mit Betreuungsaufgaben und unbezahlter Hausarbeit verbringen, kaum verringert, die der Männer ist nur um acht Minuten pro Tag gestiegen. Bleibt es bei diesem Schneckentempo brauchen wir mehr als 200 Jahre, um Geschlechtergleichheit zu erreichen“.

Der Bericht analysiert gesetzliche Regelungen und gute Praxisbeispiele, die Fortschritte Richtung Vereinbarkeit von Beruf und Familie begünstigen, so auch öffentlich finanzierte Betreuungsangebote. „Wenn Männer sich häufiger an unbezahlter Betreuungsarbeit beteiligen, führt dies zu einer wachsenden Zahl von Frauen in Führungspositionen“, so Manuela Tomei.

Für Geschlechtergerechtigkeit sind politischer Wille und Reformen auf zahlreichen, sich wechselseitig beeinflussenden Feldern notwendig. Der ILO-Bericht zum Internationalen Frauentag zeigt Maßnahmen auf, die zu messbaren Veränderungen in der Arbeitswelt führen. Entscheidend sind gesetzliche Grundlagen:  Chancengleichheit, Diskriminierungs- und Gewaltfreiheit am Arbeitsplatz sowie gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit.

Die zukünftige Arbeitswelt muss so gestaltet sein, dass mehr Menschen Zeit für Betreuungsaufgaben haben und eine Betreuungsinfrastruktur zur Verfügung steht und die soziale Absicherung der Betreuungs- und Familienarbeit gewährleistet ist. Angesichts globaler Veränderungen – technologisch, demographisch, ökologisch – ist es notwendig, Frauen darin zu stärken, mit diesen Veränderungen offensiv umzugehen und sie vor negativen Folgen zu schützen. Mitsprache und Repräsentation von Frauen auf allen Entscheidungsebenen ist ein zentraler Faktor, um die Transformation geschlechtergerecht zu gestalten.

„Eine zukünftige Arbeitswelt, in der soziale Gerechtigkeit umgesetzt ist,  kann nur erreicht werden mit mehr Geschlechtergerechtigkeit. Wir wissen, welche Schritte dafür nötig sind“, erläutert ILO-Generaldirektor Guy Ryder. „Wir müssen Strategien umsetzen, die eine Stärkung und konsequente Anwendung von rechtlichen Regelungen beinhalten und durch neue rechtliche und strukturelle Regelungen unterstützt werden. Vor allem benötigen wir Investitionen in Dienstleistungen, die die Vereinbarkeit von Beruf und Betreuungsleistungen, Flexibilität der Arbeitszeit und Variabilität von Berufsverläufen ermöglichen. Es bleibt die Herausforderung, die Frauen für bisher wenig bevorzugte Berufsfelder zu qualifizieren und das gesamte Spektrum der Erwerbstätigkeit für Frauen zu ermöglichen“.