World Employment and Social Outlook Trends 2018

ILO: Arbeitslosigkeit und fehlende menschenwürdige Arbeitsplätze 2018

Der aktuelle ILO-Flagship-Report WESO Trends 2018 belegt das große Defizit an menschenwürdiger Arbeit. Die globalen Arbeitslosenraten bleiben hoch.

Nachricht | 22. Januar 2018
© Peder Sterll
GENF/DAVOS (ILO News) – Während sich die Weltwirtschaft bei steigender Erwerbsbevölkerung erholt, verharrt die globale Arbeitslosigkeit auch 2018 auf vergleichbar hohem Niveau wie im letzten Jahr, so der aktuelle ILO-Report „World Employment and Social Outlook, Trends 2018“.

Demnach hat sich die globale Arbeitslosenrate nach einem Anstieg 2016 wieder stabilisiert. Die Schätzungen gehen von 5.6 Prozent für das Jahr 2017 aus. Die Gesamtzahl der Arbeitslosen übersteigt damit 192 Millionen Menschen.

Während die langfristigen globalen Wirtschaftsaussichten trotz des stärker vorausgesagten Wirtschaftswachstums für 2017 moderat bleiben, führt der Bericht die positiven Trends von 2017 zu 2018 hauptsächlich auf die gute Entwicklung der Arbeitsmärkte in den Industrieländern zurück. Hier wird erwartet, dass die Arbeitslosenrate 2018 um 0.2 Prozentpunkte auf 5.5 Prozent sinkt und damit einen Wert vor der Krise erreicht.

Im Gegensatz dazu wird das Beschäftigungswachstum insgesamt geringer ausfallen als das Wachstum der Erwerbsbevölkerung in Schwellen- und Entwicklungsländern. Im Vergleich zu 2016 ist dies dennoch eine Verbesserung.

„Auch wenn sich die globale Arbeitslosigkeit stabilisiert hat, bleibt ein hohes Defizit an menschenwürdiger Arbeit bestehen: Die globale Wirtschaft schafft nicht genügend Arbeitsplätze. Zusätzliche Anstrengungen müssen unternommen werden, um die Qualität der bestehenden Arbeitsplätze zu verbessern und wachsende Gewinne gerechter zu verteilen“, so ILO-Direktor Guy Ryder.

Steigende prekäre Beschäftigung - Erwerbsarmut verringert sich noch langsamer

Seit 2012 hat sich der zuvor erreichte Fortschritt im Rückgang von prekärer Arbeit nicht fortgesetzt. In 2017 befinden sich geschätzte 1.4 Milliarden Menschen in prekärer Beschäftigung. 2019 werden zusätzliche 35 Millionen Menschen in prekärer Beschäftigung erwartet, in Entwicklungsländern sind drei von vier Arbeitnehmer von prekärer Beschäftigung betroffen.

Auf der positiven Seite vermerkt der Report, dass in Schwellenländern der Anteil der Erwerbsarmut (working poor)  weiter sinken wird. Dennoch: Trotz Erwerbsarbeit wird erwartet, dass in 2018 176 Millionen oder 7.2 Prozent aller Beschäftigten von extremer Armut trotz Erwerbsarbeit betroffen sind.

„In Entwicklungsländern ist der Rückgang der Gruppe der Erwerbsarmut zu langsam, um mit der steigenden Erwerbsbevölkerung Schritt zu halten. Die Anzahl der Arbeitenden in extremer Armut wird auf über 114 Millionen für die kommenden Jahre geschätzt, dies betrifft 40 Prozent aller arbeitenden Menschen im Jahr 2018“, erklärt der ILO-Ökonom Stefan Kühn, verantwortlicher Autor des Berichts.

Die Autoren heben hervor, dass die Frauenerwerbsquote weiter unter der der männlichen Kollegen liegt. Frauen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit in geringwertigeren Jobs zu arbeiten und ihr Verdienst ist geringer.

Strukturelle Änderungen und Alterung setzen die Arbeitsmärkte auch zukünftig weiter unter Druck

Im Dienstleistungssektor liegt auch zukünftig der Motor des Beschäftigungswachstums. Die Beschäftigung in Fertigung und Landwirtschaft wird weiter zurückgehen. Da prekäre und informelle Beschäftigung im Dienstleistungssektor wie in der Landwirtschaft verbreitet sind, dürften Veränderungen der Beschäftigung hier nur geringe Auswirkung auf den Rückgang des globalen Defizits an menschenwürdiger Arbeit haben. Wirksame politische Anstrengungen sollten auf der Verbesserung der Arbeitsplatzqualität und Produktivitätssteigerungen in diesen Sektoren liegen.

Der Report beleuchtet auch den Einfluss von alternden Bevölkerungen. Er zeigt, dass das Wachstum der globalen Erwerbsbevölkerung nicht ausreicht, um den rapide steigenden Anteil der Rentnerinnen und Rentner zu kompensieren. Das Durchschnittsalter der Beschäftigten wird nach den Prognosen von unter 40 im Jahre 2017 auf über 41 im Jahre 2030 steigen.

„Neben der Herausforderung des Zuwachses an Rentnerinnen und Rentnern für die Sozialsysteme, hat eine steigende alternde Erwerbsbevölkerung direkte Auswirkungen auf die Arbeitsmärkte. Alternde Erwerbsbevölkerungen können Produktivität mindern und Arbeitsmarktanpassungen nach Konjunktureinbrüchen verlangsamen“, so Sangheon Lee, geschäftsführender ILO-Direktor der Forschungsabteilung.


Regionale Ergebnisse:

Nordafrika:

Die Arbeitslosenrate wird von 11.7 Prozent 2017 auf 11.5 Prozent 2018 fallen.
Die Anzahl der Arbeitslosen bleibt stabil bei 8.7 Millionen trotz eines starken Wachstums der Erwerbsbevölkerung.
Global betrachtet hat diese Region die höchste Arbeitslosenrate, verursacht durch junge Menschen und Frauen, beide Gruppen sind bei den Arbeitslosen überrepräsentiert.

Sub-Sahara-Afrika:

  • Die Arbeitslosenrate wird auf unverändert 7.2 Prozent geschätzt.
  • Durch das starke Wachstum der Erwerbsbevölkerung wird sich die Anzahl der Arbeitslosen auf eine Million erhöhen.
  • Mehr als einer von drei Arbeitenden lebt in extremer Armut. Fast drei von vier Arbeitenden sind prekär beschäftigt.

Nordamerika:

  • Die Arbeitslosigkeit wird erwartet von 4.7 Prozent im Jahr 2017 auf 4.5 Prozent 2018 fallen. 
  • Arbeitslosenraten sinken sowohl in Kanada als auch den Vereinigten Staaten.

Lateinamerika und Karibik:

  •     Es wird vorausgesagt, dass die Arbeitslosigkeit leicht sinkt, von 8.2 Prozent im Jahr 2017 auf 7.7 Prozent bis 2019.
  •     Berücksichtigt man, dass im Jahr 2014 die Arbeitslosenrate 6.1 Prozent betrug, hat sich diese Region vom Arbeitsplatzverlust der letzten Jahre noch nicht erholt.

Arabische Staaten:

  • Die Lage am Arbeitsmarkt wird relativ stabil eingeschätzt. Die regionale Arbeitslosenrate geht leicht zurück auf 8.3 Prozent 2018 und erhöht sich etwas 2019.
  • Im Ergebnis werden fast fünf Millionen Menschen im Jahr 2018 ohne Arbeit sein, ein Drittel davon Frauen, obwohl sie nur 16 Prozent der regionalen Erwerbsbevölkerung ausmachen.

Asien und Pazifik:

  • Die Arbeitslosigkeit bleibt gering und relativ stabil bei 4.2 Prozent.
  • Die Ursache dafür liegt in dem erwarteteten Aufwuchs an Arbeitskräften in der Region.
  • Es wird geschätzt, dass die Anzahl der arbeitslosen Menschen um ungefähr 23 Millionen zwischen 2017 und 2019 steigen wird.
  • Prekäre Beschäftigung betrifft fast die Hälfte aller Arbeitenden, mehr als 900 Millionen in der Region.

Nord-, Süd- und Westeuropa:

  • Bei einer andauernden guten und besser als erwarteten Wirtschaftsentwicklung ist die Arbeitslosenrate von 9.2 Prozent (2016) auf 8.5 Prozent im Jahr 2017 gesunken, der niedrigste Wert seit 2008.
  • Der höchste Rückgang der Arbeitslosenrate von um die 2 Prozent wird in Spanien und Griechenland verzeichnet (15.4 und 19.5 Prozent jeweils in 2018).
  • Die Arbeitslosenraten werden weiter in Italien, Irland und Portugal zurückgehen, aber langsamer als im Zeitraum 2015-2018.
  • Die Arbeitslosenraten für Frankreich und Großbritannien bleiben stabil, für letzteres wird 2019 ein leichter Anstieg  erwartet.
  • Für Deutschland wird ein weiterhin starkes Beschäftigungswachstum in 2018 und 2019 prognostiziert. Der Rückgang der Arbeitslosenrate könnte sich durch den Zuwachs der Erwerbsbevölkerung insgesamt verlangsamen.

Osteuropa:

  • Bei derzeitigem Wirtschaftswachstum wird erwartet, dass die Arbeitslosenrate moderat zurückgeht, von 5.5 Prozent im Jahr 2017 auf 5.3 Prozent 2018.
  • Dies spiegelt sich in sinkenden Arbeitslosenzahlen in Polen, Ukraine und der Slowakei wider, getrübt von der Aussicht auf wachsende Arbeitslosigkeit in der Tschechischen Republik.

Zentral- und Westasien:

  • Das vergleichsweise robuste Wirtschaftswachstum führt nur ansatzweise zu sinkenden Arbeitslosenraten. Die regionale Arbeitslosenrate wird bei 8.6 Prozent im Jahr 2018 und 2019 erwartet.
  • Prekäre Beschäftigung bleibt weiterhin hoch. Sie betrifft 30 Prozent der Beschäftigten im Jahr 2017. Ein leichter Rückgang um 0.6 Prozentpunkte wird für 2018 und 2019 erwartet.


Verbesserte Methodologie und Daten


Die globalen Schätzungen zur Arbeitslosigkeit und Erwerbsarmut konnenfür die 2018  WESO Trends aufgrund einer verbesserten Datenlage und Schätzmethodologie weiterentwickelt werden. Die Daten bleiben weiterhin vergleichbar, Trends sind konsistent, bei verbesserter Anwendung der Methodologie für frühere Jahre.

„Die verbesserte Methodologie ist Bestandteil der Bestrebungender ILO die Indikatoren für Länder und Regionen präziser zu benennen und vergleichbar zu machen,“ so Steven Kapsos, Chef der data production und Analysis Unit bei der ILO.

„Wenn die Anzahl der Arbeitslosen verglichen mit den Trends von 2017 gesunken ist, so ist dies in erster Linie auf eine verbesserte Datengrundlage und die Anwendung weiter entwickelter Schätzmethoden zurückzuführen", so Stefan Kühn.