Die Welt muss nicht zwischen Arbeitsplätzen und Umweltschutz wählen

Peter Poschen, Direktor der ILO-Abteilung Unternehmen begründet die zentrale Rolle der Welt der Arbeit für einen gerechten Übergang zur grünen Wirtschaft und zur Bewältigung des Klimawandels.

Nachricht | 4. Juni 2015
Peter Poschen, Direktor, ILO Abteilung Unternehmen
Während die Verhandlungen für universelle nachhaltige Entwicklungsziele und ein neues Klimaabkommen geführt werden, setzt sich eine überholte Auffassung fort: Die Annahme, dass die Welt zwischen Schaffung von Arbeitsplätzen und Wohlstand für alle und Klima- und Umweltschutz wählen müsste.

Intensive Forschungen – und vielleicht wichtiger – immer mehr Nachweise über die Wirksamkeit politischer Strategien und Erfahrungen von Unternehmen auf der ganzen Welt zeigen, dass politische Entscheider, Wirtschaftsführer und Wähler eine bessere Wahl haben. Unternehmen und Arbeitsmärkte sind nicht das Problem. Ganz im Gegenteil: Die Welt der Arbeit birgt eine Quelle von Lösungen und ist eine unerlässliche Kraft, den Übergang von Produktions- und Konsummustern zu nachhaltigen Unternehmen und Wirtschaften zu befördern.

Die Herausforderungen für inklusive soziale Entwicklung und Umweltverträglichkeit sind gewaltig und unauflösbar miteinander verbunden. Schaffung von Arbeitsplätzen ist ein sozialer Imperativ bei mehr als 200 Millionen arbeitslosen Menschen, hoher Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern, andauernder Armut trotz Arbeit und sozialer Exklusion, die weltweit mehr als eine Milliarde Menschen betrifft. Zusammen mit steigender Ungleichheit ist dies eine wachsende Bedrohung des sozialen Zusammenhalts und der Stabilität.

Gleichzeitig zerstören Klimawandel und der Abbau natürlicher Ressourcen wirtschaftliche Aktivitäten und vernichten Arbeitsplätze. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) schätzt den durch den Klimawandel verursachten Produktivitätsverlust bereits auf 7,2 Prozent. Kostenschätzungen von OECD und Weltbank sind noch höher. Nachhaltiges und umweltgerechtes Wirtschaften ist aus Arbeitsmarktsicht keine Wahlmöglichkeit sondern eine Notwendigkeit.

Zudem: Proaktive politische Strategien zur Erhaltung der Umwelt und für Klimaschutz schaffen aktuell mehr Arbeitsplätze als das „Business as usual“- Modell. Globale und mehr als 30 nationale Studien belegen, dass so bis zu 60 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze bis zum Jahr 2030 geschaffen werden können.

Ebenso könnten große Schritte zur Armutsreduzierung gemacht werden, vor allem in der Landwirtschaft, einem Sektor, der noch immer einen von drei Arbeitern beschäftigt, mehr als eine Milliarde Menschen weltweit. Zugang zu sauberer und erschwinglicher Energie sowie energieeffizienter öffentlicher Transport und Wohnungsbau sind Schlüssel zur Überwindung sozialer Exklusion. Allein der Zugang zu moderner Energie würde die Lebensverhältnisse von 1,3 Milliarden - vor allem armer Menschen - erheblich verbessern und könnte neue wirtschaftliche Möglichkeiten eröffnen.

Während hoher sozialer gesellschaftlicher Nutzen durch grüne Ökonomie befördert wird, bestehen ohne Zweifel auch Herausforderungen. Der Übergang zur grünen Ökonomie wird strukturelle Veränderungen hervorbringen und beispielsweise die Aufgaben und Qualifikationsprofile vieler Arbeitsplätze verändern. Wahrscheinlich werden auch Arbeitsplätze wegfallen. Diese Verluste werden voraussichtlich gering sein, können sich aber auf schwache Gemeinwesen konzentrieren, die bereits durch die Globalisierung marginalisiert sind. Diese Sachverhalte müssen thematisiert werden, um politischen Blockaden zu verhindern.

Die Auswirkungen des Klimawandels, Hitzewellen, Stürme und Dürren werden überall wahrgenommen, bedrohen ärmere Teile der Gesellschaft aber unverhältnismäßig stärker. Die Ausdehnung des Sozialschutzes hat sich als sehr wirksam erwiesen, um Arbeitnehmer und Gemeinwesen zu helfen, die Herausforderungen zu meistern und sich an den Klimawandel anzupassen.

Die Integration von klima- und anderen umweltrelevanten Entscheidungen mit sozial- und arbeitsmarktpolitischen Aspekten ist entscheidend, um Chancen zu nutzen und die Herausforderungen des Übergangs zu bewältigen. Eine Fülle von politischen Instrumenten und Erfahrungen sind dokumentiert. Ökologische Steuerreformen stehen noch aus: höhere Preise reduzieren Emissionen, die Einnahmen daraus helfen, Arbeitskosten zu reduzieren und Sozialschutz und Inklusion finanzieren.

Preisgestaltung ist wichtig, aber bei weitem nicht ausreichend. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit neuen Qualifikationen, die an saubere Produktionsweisen angepasst sind, die Einführung neuer Geschäftsmodelle, grüne Arbeitsplätze, grüne Produkte und Dienstleistungen sowie umfangreiche Programme in Schlüsselsektoren sind notwendig.
Die Studie „Solutions for Climate Change and Sustainable Development“ beschreibt die Welt der Arbeit als Quelle für Innovation und Lösungen.

Kooperationen zwischen Management und Belegschaften haben die Emissionen in Betrieben um mehr als Zweidrittel gesenkt und Kosten für Unternehmen gespart. Die Politik hat mit sozialem Wohnungsbau und der Förderung von Trainingsprogrammen geholfen, Arbeitsplätze zu schaffen und den Zugang zu erneuerbaren Energien massiv erweitert. Programme für Arbeitslose und Geldtransfers werden zum Schutz und nachhaltigem Nutzen natürlicher Ressourcen, wie Fischbestände und Wälder, eingesetzt.

In Deutschland haben Regierung, Gewerkschaften und Arbeitgeberorganisationen gemeinsam ein Gebäude-Sanierungsprogramm für mehr Energieeffizienz und Emissionsreduktion auf den Weg gebracht, das bisher Investitionen von über 120 Milliarden Euro freigesetzt hat.

Politische Rahmenbedingungen entwickeln sich aus vielen Erfahrungen und gewonnenen Erkenntnissen. Die Entschließung über nachhaltige Entwicklung, menschenwürdige Arbeit und grüne Arbeitsplätze der Internationalen Arbeitskonferenz 2013 verdeutlicht die Prinzipien und relevanten Politikbereiche. Ein für alle gerechter Übergang zu einer ökologisch nachhaltigen Wirtschaft muss gut geleitet werden und zu den Zielen der menschenwürdigen Arbeit für alle, der sozialen Einbindung und der Beseitigung von Armut beitragen. Das zu erreichende Klimaabkommen sollte diese Forderungen berücksichtigen und die Welt der Arbeit zu einer treibenden Kraft für nachhaltiges Wirtschaften machen.