Umgang mit Behinderung

Psychische Krankheiten am Arbeitsplatz: Lassen wir keine Stigmatisierung zu

Unterstützung für betroffene Menschen und nicht der Ausschluss vom Arbeitsplatz ist der beste Weg, Arbeitnehmern mit psychischen Krankheiten zu helfen.

Nachricht | 31. Oktober 2014
Genf (ILO-News) – Aufgrund des Stigmas und den damit verbundenen Ängsten waren psychische Krankheiten immer ein schwieriges Thema in der Welt der Arbeit.


„Psychische Krankheit“ bezieht sich nicht nur auf schwere Pathologien, sondern auch auf weitverbreitete Störungen, wie Depressionen, Angstzustände oder „Burnout“, alles Fälle die bei richtigem Vorgehen, gut behandelt werden können.

„In den meisten Fällen ist die Unterstützung betroffener Arbeitnehmer eine viel bessere Lösung, als ihr Ausschluss vom Job und ihre dauerhafte Alimentierung. Sie sollten ihren Arbeitsplatz behalten können, oder nach einer Unterbrechung wieder dorthin zurückkehren“, sagt Shruti Singh, Arbeitsmarktexperten der OECD.

Singh ist Teilnehmerin einer Veranstaltungswoche, die sich dem integrativen Zugang zum Arbeitsplatz für Menschen mit Behinderungen widmet, organisiert vom ILO Global Business and Disability Network , ein Treffpunkt für Vertreter multinationaler Unternehmen, Behinderten- und Arbeitsmarktexperten.


Das Risiko eine psychische Erkrankung im Laufe des Berufslebens zu bekommen ist für jeden Arbeitnehmer hoch."

Durchschnittlich ungefähr 20 Prozent der Erwerbsbevölkerung in der OECD leiden zu irgendeinem Zeitpunkt ihres Lebens an psychischen Störungen. „Das bedeutet, dass das Risiko an einem psychischen Leiden im Laufe des Berufslebens zu erkranken für jeden hoch ist“.

Psychische Störungen wie Depressionen zu erkennen und so früh wie möglich Unterstützung zu leisten ist entscheidend. Dies ist allerdings auch der herausforderndste Schritt, weil psychische Krankheiten oft verheimlicht werden und die Ursachen sehr unterschiedlich sein können. Dies reicht von persönlichen Problemen zu Hause bis zu Kindheitstrauma oder arbeitsbedingten Stress.

„Auch die Angst vor Zurückweisung oder Stigmatisierung durch Arbeitgeber oder Kollegen macht es für betroffene Menschen schwer, sich ihrem Vorgesetzten zu öffnen“, erklärt Stefan Tomel, ILO-Spezialist für den Umgang mit Behinderungen am Arbeitsplatz.

Viele Arbeitnehmer, die an psychischen Störungen leiden, fehlen nicht wegen Krankheit, auch wenn sie die Auszeit wirklich brauchen. Im Ergebnis sinkt ihre Produktivität und das wird zum Problem für das Unternehmen“.

Steigende Aufmerksamkeit


Durch gute Weiterbildung und höherer Aufmerksamkeit können Vorgesetzte beim Umgang mit psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz eine Schlüsselrolle spielen. Wenn frühe Anzeichen einer psychischen Störung erkannt werden, können sie mit dem betroffenen Mitarbeiter sprechen, ohne zu warten, dass der Betroffene von sich aus offen über seine Krankheit spricht.

„Abhängig davon, wo die Ursachen der Probleme liegen, können Vorgesetzte ihrem Mitarbeiter helfen, durch diese schwierige Zeit zu kommen. So können sie Vertraulichkeit garantieren und Arbeitszeiten und das Arbeitsumfeld anpassen, wo immer dies möglich ist. Dieser frühe Dialog kann lange Krankheitsperioden oder das Risiko, einen talentierten Mitarbeiter zu verlieren, vermindern“, so Tromel.

„Systematisches Monitoring der Krankheitstage und Wiedereingliederungsunterstützung zusammen mit guten, qualitätsvollen Arbeitsplätzen und besseren Arbeitsbedingungen sind entscheidend“ , so Singh.

Für Unternehmen ist es auch wichtig, Zugang zu Informationen über psychische Gesundheit am Arbeitsplatz zu haben. Auch wenn das Stigma, das mit diesem Thema verbunden ist, noch immer hoch ist, wurden Anstrengungen zur besseren Information für Manager unternommen.

Singh hebt als Beispiel Großbritannien hervor, wo die Aufmerksamkeit auf die Auswirkungen psychischer Krankheiten ein hohes Niveau erreicht hat. Anti-Stigma Aktionen wurden intensiv genutzt. Dies schloss auch Top-Manager ein, die sich öffentlich dazu bekannten, in ihrem Leben an Depressionen oder anderen Formen psychischer Störungen gelitten zu haben, um andere zu ermutigen, offen mit der Krankheit umzugehen.

Menschen am Arbeitsplatz halten und nicht abschieben


Die Situation von Menschen, die aufgrund ihrer psychischen Störungen arbeitslos wurden, ist ebenfalls ein Grund zur Sorge.

Menschen mit weitverbreiteten psychischen Störungen sind zwei bis dreimal häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen, als andere Menschen"
„Menschen mit weitverbreiteten psychischen Störungen sind zwei bis dreimal häufiger von Arbeitslosigkeit betroffen, als andere Menschen“, sagte Sing. Langzeitarbeitslosigkeit ist ein häufiges Problem, das Menschen entmutigt und sie dazu bringen kann, sich vom Arbeitsmarkt zurückzuziehen. Es ist wichtig, betroffene Menschen zu ermutigen, zurück in den Arbeitsmarkt zu gehen, anstatt zu Hause für Jahre von Beihilfe zu leben“, fügt Stefan Tromel hinzu.

„Wenn jemand die Arbeit aus Krankheitsgründen unterbrechen muss, sollten Unternehmen ermutigt werden, in Kontakt mit dem betroffenen Mitarbeiter zu bleiben und Möglichkeiten suchen, ihn nach der Genesung ins Unternehmen zurückzuholen“.

Mangelnde Aufmerksamkeit für das Problem ist nicht auf die Welt der Arbeit begrenzt. Singh hob hervor, dass Systeme zur sozialen Sicherheit oft sehr schnell Betroffene mit psychischen Störungen als zu krank, um zum Arbeitsplatz zurückzukehren, klassifizieren.

„Jungen Erwachsenen mit psychischen Störungen wird häufig eine Schwerbeschädigtenrente gezahlt, oftmals wäre es besser, für sie eine Beschäftigung zu finden“, so Singh. Ihre Situation sollte daher regelmäßig überprüft werden, um ihnen zu helfen, eine Arbeit zu finden, die sie trotz ihrer Behinderung ausgeführen können.

Ein langer Weg in Entwicklungsländern


Während die Aufmerksamkeit für psychische Erkrankungen in industrialisierten Ländern langsam wächst, liegt vor den Entwicklungsländern noch ein langer Weg. Dies betrifft nicht nur den Arbeitsplatz, sondern die gesamte Gesellschaft.
„Aufgrund fehlender Informationen und den vielen Problemen beim Arbeitsschutz und in der Arbeitssicherheit in Entwicklungsländern, ist die Stigmatisierung infolge von psychischen Störungen sehr hoch. Es wird einige Zeit brauchen, um hier Fortschritte zu verzeichnen“, so Tromel.