ILO at work: Afrika widerstandsfähiger machen

Seit Jahrzehnten engagiert sich die ILO in Afrika. Mit einem neuen Programm soll die Widerstandsfähigkeit in besonders krisengeschüttelten Regionen gestärkt und für mehr und bessere Arbeit gesorgt werden. Nachhaltige Kreditvergaben in der Landwirtschaft sollen helfen, die Potenziale des Agrarsektors zugunsten der Armen zu erschließen.

Artikel | 27. September 2017

ILO-Flagship Programme „Jobs for Peace and Resilience“

Um ihre zahlreichen Projekte noch effektiver zu gestalten, bündelt die ILO diese in verschiedenen globalen Flagship Programmes – etwa „Better Work“ für menschenwürdigere Arbeitsbedingungen in der Textilindustrie oder der Aktionsplan für Arbeitsschutz und Gesundheit (OSH GAP), um Erkrankungen, Unfälle und Todesfälle am Arbeitsplatz abzubauen. Mit „Jobs for Peace and Resilience“ steht nun das bereits fünfte Flagship Programme in den Startlöchern. Sein Ziel: die Schaffung von Arbeitsplätzen durch Infrastrukturprogramme für Wiederaufbau und Jugendbeschäftigung in Ländern, die von Konflikten und Naturkatastrophen betroffen sind. Indem die ILO vor Ort Aussöhnung, politische Stabilität und sozialen Zusammenhalt und den nationalen Dialog fördert, will sie die Widerstandsfähigkeit in Post-Konflikt-Gebieten stärken. Dies wird auch im „Marshallplan mit Afrika“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung als Schwerpunkt benannt, denn Frieden und Sicherheit sind ein wesentlicher Faktor für wirtschaftliches Wachstum in Afrika.

Zu den ärmsten und von Krisen geprägten Ländern der Welt gehört beispielsweise Somalia: 73 Prozent der Bevölkerung gelten als arm. Gleichzeitig sind über 70 Prozent der Menschen unter 30 Jahre alt. Massive politische und soziale Missstände sowie eine hohe Jugendarbeitslosigkeit prägen den Staat. Mit verschiedenen Maßnahmen versucht die ILO, mit den Partnern vor Ort die Strukturen für mehr Arbeit zu schaffen und die Beschäftigungsbedingungen zu verbessern. Dazu gehören Programme für junge Menschen, insbesondere junge Frauen, die berufliche Qualifikation und Weiterbildungen ermöglichen, aber auch unternehmerische Kenntnisse vermitteln und die Zugänge zu Mikrokrediten erleichtern. Auf diese Weise soll der einheimische Arbeitsmarkt gestärkt und die Betroffenen in die Lage versetzt werden, ihre Familien zu ernähren. Gemäß ihrem tripartiten Ansatz arbeitet die ILO dabei eng mit der Regierung sowie den Unternehmen und Gewerkschaften vor Ort zusammen.

Die im Juni 2017 durch die 106. Internationale Arbeitskonferenz verabschiedete Empfehlung 205 gibt dem Engagement nun einen neuen normativen Rahmen: Die ILO Konstituenten einigten sich hierin auf Richtlinien für beschäftigungsbezogene Maßnahmen in menschen- oder naturgemachten Krisensituationen. Auf Grundlage dieses wichtigen Grundsatzdokuments sollen mithilfe von „Jobs for Peace and Resilience“ ähnliche Maßnahmen wie in Somalia in mindestens vier weiteren Staaten in Afrika, weltweit in mindestens zehn Staaten in den nächsten fünf Jahren umgesetzt werden. Kernregionen sind die fragilen Staaten in West- und Zentralafrika sowie am Horn von Afrika. Denn gerade hier sind es politische Instabilität und Konflikte, die dazu beitragen, dass es an ausreichend Arbeit, guten Arbeitsbedingungen sowie auskömmlichen Einkommen fehlt – ein Nährboden für neue Krisen. Das Flagship Programme und das neue normative Rahmenwerk wollen diese Länder voranbringen, eine spürbare Friedensdividende zu schaffen und durch die Förderung menschenwürdiger Beschäftigung zur Prävention und Überwindung von Krisen und Konflikten beizutragen.

Weitere Informationen zum Zusammenhang von menschenwürdiger Arbeit und Friedensförderung finden sich in der Broschüre „Employment Programmes and Peace“, die die ILO gemeinsam mit dem UN Peacebuilding Support Office, dem UN Development Programme und der Weltbank erarbeitet hat.

Nachhaltige Investitionen in den afrikanischen Agrarsektor

Neben Krisen, Konflikten und Naturkatastrophen zählt mangelnde Ernährungssicherheit zu den größten Herausforderungen in Afrika. Hinzu kommt ein Arbeitsmarkt, der geprägt ist von hoher Arbeitslosigkeit, Unterbeschäftigung sowie oft menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Im Agrarsektor kumulieren viele dieser Faktoren. Denn vielen afrikanischen Agrarunternehmen fehlt es an ausreichenden Finanzmitteln und Vermarktungsmöglichkeiten, um ihre Produkte erfolgreich zu verkaufen und für eine bessere Beschäftigung zu sorgen. Die afrikanischen Staaten wiederum sind allein nicht in der Lage, das dafür notwendige Entwicklungskapital bereitzustellen.

In diese Lücke stößt der Africa Agriculture and Trade Investment Fund (AATIF). Mit seiner Hilfe können Agrarunternehmen und Landwirte Kredite und Eigenkapital erhalten, um in Produktion, Verarbeitung und Handel zu investieren. Auch können Finanzinstitute durch eine AATIF-Finanzierung ihr landwirtschaftliches Portfolio entwickeln. So sollen integrierte lokale Wertschöpfungsketten gefördert und die Produktivität erhöht werden. Für die Unternehmen und Arbeiter vor Ort bedeutet das mehr und bessere Beschäftigung sowie zusätzliches Einkommen, für die Staaten und ihre Bewohner eine höhere Ernährungssicherheit.

Aufgesetzt wurde der Fonds in Form einer öffentlich-privaten Partnerschaft aus dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und der Deutschen Asset Management. Zu den Investoren zählen Geberagenturen, Regierungen, internationale Finanzinstitute und professionelle Privatanleger. Seit 2012 arbeitet der Fonds mit der ILO, dem UN-Umweltprogramm (UNEP) sowie dem Common Fund for Commodities mit dem Ziel, gemeinsam das positive Entwicklungspotenzial des Fonds im Bereich Soziales und Umwelt auf Investmentebene zu erhöhen und zu messen.

Die ILO achtet dabei im Sinne von „Social Finance“ darauf, dass bei der Kreditvergabe hohe Sozialstandards eingehalten werden und die Investitionen somit nachhaltig sind. Außerdem beobachtet und unterstützt sie die Evaluierung von finanzierten Projekten. Am Beispiel von Chobe Agrivision in Sambia zeigt sich der positive Effekt des Förderfonds: Die Produktivität beim Anbau von Mais, Sojabohnen und Weizen stieg hier zwischen 300 und 600 Prozent. Es wurden insgesamt mehr Menschen beschäftigt sowie die Lebensbedingungen der Landarbeiter und ihrer Familien verbessert, etwa durch die Bereitstellung von adäquaten Häusern, Zugang zu Trinkwasser und kostenloser Gesundheitsversorgung bei Arbeitsunfällen. Ebenso können Angestellte Saatgut und Düngemittel zu reduzierten Preisen erwerben und dank des von Chobe Agrivision angebotenen Trainings ertragssteigend auf eigenen Flächen anbauen.

Darüber hinaus profitierte auch das weitere Umfeld: Gemeinsam unterstützen der Fonds und das Unternehmen eine lokale Schule, was den Ausbau inklusiver neuer und moderner Klassenräume und Toiletten ermöglichte. Dadurch konnte die Anzahl an Schülern sowie Lehrern erhöht werden. Nichtsdestotrotz bleibt Arbeit zu tun. Denn die Untersuchung der ILO offenbarte auch: Frauen sind noch immer eher Gelegenheitsarbeiterinnen ohne feste Beschäftigung und die Dauer der befristeten Arbeitsverträge sank von zwei Jahren auf ein Jahr.

Ein weiterer Schwerpunkt der Zusammenarbeit ist die umfassende Capacity-Building-Strategie im Bereich Sozial- und Umwelttrainings. Die ILO schult gemeinsam mit dem UN-Umweltprogramm die Stakeholder des Fonds, inklusive Vorstand, Investment Committee, der Technical Assistance Facility sowie AATIF-Partner, die von Fonds finanziert werden, in Themen der Kernarbeitsnormen und Umweltstandards. Diese Arbeit wird in der weiteren Zusammenarbeit weiter in den Vordergrund rücken.